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Patienteninformation: Gestaltung von Packungsbeilagen ist ein schwieriges Unterf

BONN (hb). Patienten und Verbraucher sind in der Regel medizinische Laien. Sie verlassen sich bei der Anwendung von Arzneimitteln im Wesentlichen auf die Beratung durch den Arzt und Apotheker und last not least auf die Angaben in der Packungsbeilage. Deren Gestaltung liegt in der Verantwortung der pharmazeutischen Unternehmen. Die tägliche Erfahrung zeigt, dass hierbei häufig ein schmaler Grat beschritten werden muss, der Grat zwischen vollständiger beziehungsweise ausreichender Information und Compliance-Verhinderung. Bei einer Forum-Veranstaltung am 8. April 2003 in Bonn wurden die "Fallstricke" einer vernünftigen Patienteninformation beleuchtet.

Mehr Verunsicherung als Nutzen?

Rechtsanwältin Simone Gawrich vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Bonn, unterstrich die Bedeutung der Packungsbeilage als Informationsquelle für die Patienten und führte hierzu die Ergebnisse einer Umfrage der Zeitschrift "Apothekenumschau" von April 2003 an. Diese ergeben folgendes Bild: Die Patienten lesen den Beipackzettel immer oder meistens

  • bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln, die sie vorher noch nie verwendet haben, zu 65,8 % und bei bekannten rezeptpflichtigen nur noch zu 30,2 %,
  • bei unbekannten rezeptfreien Arzneimitteln zu 62,7 %, bei solchen Präparaten, mit denen sie bereits Erfahrungen gesammelt haben, nur noch zu 27,6 %.

So recht zufrieden sind die Arzneimittelanwender mit der Ausgestaltung der Packungsbeilage offenbar nicht. Die meisten (69,3 %) klagen über zu viele Fachwörter, für 56,9 % sind die Wechselwirkungen nur schwer verständlich. 53,3 % finden die Schrift schlecht lesbar bzw. zu klein, und 46,4 % fühlen sich durch die Angaben verunsichert oder gar verängstigt. Für 43,9 % sind die Häufigkeitsangaben bei den Risiken und Nebenwirkungen unklar.

Packungsbeilage auch haftungsrechtlich bedeutsam

Dabei fordert das Arzneimittelgesetz, dass die Packungsbeilage allgemeinverständlich sein soll, was der pharmazeutischen Industrie jedoch speziell bei der Übersetzung von Fachausdrücken häufig große Probleme bereitet. Als weitere Aspekte einer problematischen Lesbarkeit führte Gawrich den Zeilenabstand, die Spaltenbreite, die Struktur und last not least die Farbe des Drucks an. So bewegten sich die medizinisch-wissenschaftlichen und die Zulassungsexperten in den Firmen in einem ständigen Konflikt zwischen dem Informationsanspruch der Patienten einerseits und dem "Nicht-mehr-Verstehen" andererseits.

Vielfach wird auch eine Überfrachtung der Packungsbeilage mit Risikoangaben moniert. Hierbei dürfe allerdings nicht außer acht gelassen werden, so Gawrich, dass die Packungsbeilage für die Industrie auch eine erhebliche haftungsrechtliche Dimension besitzt. Nach dem Arzneimittelgesetz wird ein pharmazeutisches Unternehmen bei Körperverletzung oder Tötung eines Menschen schadensersatzpflichtig, wenn der Schaden infolge einer nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist.

Bei Risikoangaben mehr begründen und erläutern

Nach Auffassung von Barbara Lachmann, Darmstadt, sollte die Packungsbeilage vor allem auf ein vernünftiges Informationsniveau des Patienten ausgelegt sein, das heißt, sie sollte zum einen die korrekte und sichere Anwendung des Produktes ermöglichen, zum anderen aber auch eine Anweisung geben für den Fall, dass Probleme auftreten. Warnhinweise sollten nicht unnötig alarmieren, sondern begründet werden, um es dem Patienten zu ermöglichen, ihre Tragweite besser einzuschätzen. Bei Kontraindikationen ist an Folgewarnhinweise zu denken.

Als weiteres schwieriges Feld führte Lachmann den Umgang mit Informationen zu Wechselwirkungen an. Unpräzise und unverständliche Aussagen könnten hier Verunsicherung und Anwendungsfehler auslösen. Nebenwirkungen sollten nach Schweregrad, Häufigkeit und Symptomkreis klassifiziert werden. Zu Empfehlungen bezüglich Schwangerschaft und Stillzeit gehören aus ihrer Sicht darüber hinaus soweit möglich auch Aussagen zur Verhaltensweise bei einer unbeabsichtigten Einnahme, etwa wenn die Schwangerschaft noch nicht bekannt war.

Lesbarkeit heute schon deutlich verbessert

Dass die Packungsbeilagen in den letzten Jahren dennoch erheblich ansprechender geworden sind, ist im Wesentlichen auf die gemeinsam von der Zulassungsbehörde und der Industrie erarbeiteten Empfehlungen zur Gestaltung von Packungsbeilagen zurückzuführen, die erstmalig im Jahr 1994 verabschiedet wurden.

Die Neufassung der Empfehlungen vom 15. März 2002 (s. Hinweis in DAZ Nr. 19 vom 9. 5. 2002, S. 127) berücksichtigt nun vor allem folgende Anforderungen und Aspekte:

  • eine abschnittsweise Strukturierung mit Standardüberschriften,
  • eine direkte, persönliche Ansprache des Lesers,
  • die Vermeidung von inhaltlichen Doppelungen,
  • Erklärungen der Begriffe Gegenanzeigen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen,
  • eine transparentere Terminologie bei den Häufigkeiten zu Risikoangaben,
  • die Übertragung von Fachtermini ins Deutsche,
  • eine Darstellung des Kenntnisstandes zur Anwendung bei Kindern statt einer starren Kontraindikation,
  • eine konsequente Beschränkung der allein für die Fachkreise notwendigen Angaben auf die Fachinformation.

Auf europäischer Ebene gibt es bereits seit einiger Zeit eine Leitlinie zur Lesbarkeit (readability) von Packungsbeilagen. Hiernach sollen diese durch Lesetests an Patienten/Verbrauchern auf Verständlichkeit und Verwertbarkeit der Informationen geprüft werden. Hierzu liegen allerdings bislang noch kaum Erfahrungen vor.

Die Packungsbeilage und die SPC

Den inneren Zusammenhang zwischen der Zusammenfassung der Merkmale eines Arzneimittels (Summary of Product Characteristics/SPC) und der Packungsbeilage beleuchtete Dr. Maria Holz-Slomczyk, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn. Die SPC ist das zentrale Dokument zu den Eigenschaften eines Arzneimittels auf europäischer Ebene. Sie wird im Rahmen des Zulassungsverfahrens zwischen der Zulassungsbehörde und dem Zulassungsinhaber abgestimmt und bildet die Kommunikationsbasis für die europäischen Arzneimittelbehörden untereinander sowie die Kerninformation für das pharmazeutische und medizinische Fachpersonal. Die deutsche Entsprechung ist die Fachinformation. In der Packungsbeilage dürfen keine Angaben gemacht werden, die von der Fachinformation abweichen.

Harmonisierung der Angaben macht viel Arbeit

Die informierenden Texte zu einem Arzneimittel müssen ständig an den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst werden (zu den Einflussfaktoren siehe nebenstehende Abbildung). Dies ist ein außerordentlich mühsames und zeitraubendes Unterfangen, vor allem, weil die Texte nicht nur auf nationaler sondern auch auf europäischer Ebene aktualisiert und für alle entsprechenden Präparate, die einen bestimmten Wirkstoff enthalten, harmonisiert werden müssen.

Wie Holz-Slomczyk berichtete, gibt es trotz aller Anstrengungen nach wie vor eine erhebliche Disharmonisierung bei den SPCs, nicht nur national, sondern auch in den Mitgliedstaaten der EU. Dies wirft vor allem bei der gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen große Probleme auf. Die Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie bei der Harmonisierung der Texte in Form so genannter "Muster" (siehe Kasten) bezeichnete Holz-Slomczyk allerdings als sehr gut. Nach der Aufarbeitung noch bestehender Rückstände hofft sie, dass die Mustertexte in zwei Jahren insgesamt aktualisiert sein werden.

Patienten und Verbraucher sind in der Regel medizinische Laien. Sie verlassen sich bei der Anwendung von Arzneimitteln im Wesentlichen auf die Beratung durch den Arzt und Apotheker und last not least auf die Angaben in der Packungsbeilage. Deren Gestaltung liegt in der Verantwortung der pharmazeutischen Unternehmen. Die tägliche Erfahrung zeigt, dass hierbei häufig ein schmaler Grat beschritten werden muss zwischen vollständiger beziehungsweise ausreichender Information und Compliance-Verhinderung.

Die Musterdatenbank des BfArM Bereits seit einigen Jahren unterhält das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine so genannte Muster-Datenbank, die über die Homepage der Zulassungsbehörde allgemein zugänglich ist (http://www.bfarm.de).

Muster sind standardisierte informierende Texte (Fach- und Gebrauchsinformationen) zu Arzneimitteln mit einem bekannten Wirkstoff, die der Vereinheitlichung der Informationen zu wirkstoffgleichen Arzneimitteln dienen sollen.

Die Muster werden im BfArM nach den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes und nach EU- Vorgaben ("Guideline on the Readability of the Label and Package Leaflet of Medicinal Products for Human Use", "Guideline on Summary of Product Characteristics") nach einer internen SOP unter multidisziplinärer Beteiligung von Medizinern, Toxikologen und Pharmazeuten erstellt und in einem Konsultationsverfahren mit der pharmazeutischen Industrie und weiteren interessierten Kreisen abgestimmt.

Die fertigen Muster sind keine statischen Dokumente. Sie werden vielmehr kontinuierlich aktualisiert. Aktualisierungen werden vorher zur Stellungnahme angekündigt und nach Abschluss des Verfahrens im Internet als Musteränderungen gekennzeichnet. Anlaufstelle für die technische Begleitung und Koordination der Mustererstellung bzw. der Änderung von Mustern ist die Musterdatenbank-Administration (muster@bfarm.de).

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