Arzneimittel und Therapie

Mit Omalizumab mehr Luft zum Atemholen

Schweres allergisches Asthma macht das Leben von Betroffenen oft zur Qual. Trotz leitlinienkonformer Behandlung mit oralen oder inhalativen Corticoiden und Beta-2-Sympathomimetika leiden die Patienten immer wieder unter schweren Anfällen. Seit drei Jahren ist in Deutschland der injizierbare Wirkstoff Omalizumab (Xolair®) zugelassen – ein monoklonaler Antikörper, der in die Abwehrkaskade des Körpers eingreift, bevor typische Symptome auftreten. Eine Studie belegt, dass die adjuvante Therapie mit Omalizumab die Zahl der Asthmaanfälle verringert.
Schweres allergisches Asthma Manche Fälle werden erst sehr spät erkannt und therapiert. Geschätzte 10% aller Asthmaerkrankten sind überhaupt nicht in Behandlung, ca. 60% gelten als nur unzureichend therapiert. Gerade viele Patienten mit schwerem allergischem Asthma zeigen eine hohe Leidensfähigkeit. Sie können ihre Beschwerden oft nicht richtig einordnen oder haben sich an bestehende Zustände gewöhnt.
Foto: AOK Mediendienst

Fachleute schätzen die Asthmaprävalenz in Deutschland auf 3 bis 5% bei Erwachsenen und 10% bei Kindern; Tendenz steigend. Allein in den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Asthmatiker verdoppelt, wobei vor allem in hochentwickelten westlichen Industrieländern bis zu 80% Allergien für die chronisch entzündliche Atemwegserkrankung mit variabler Atemwegsobstruktion und bronchialer Hyperreagibilität verantwortlich zeichnen. Als Hauptakteur des allergischen Asthmas gilt Immunglobulin E (IgE), das – allergenspezifisch von Plasmazellen gebildet – die Immunreaktion des Körpers reguliert. Eine Allergenexposition vor allem durch Pollen, Hausstaubmilben, Pilzsporen und Tierproteinen kann die Erstickungsanfälle mit Kurzatmigkeit, Engegefühl in der Brust und Giemen beim Ausatmen auslösen.

Wenn Treppensteigen zu Atemnot führt

Täglich auftretende, anhaltende asthmatische Symptome mit nächtlichen Anfällen, mehr als eine Exazerbation pro Jahr und immer wieder erforderliche Notfallbehandlungen trotz umfangreicher Pharmakotherapie begründen die Diagnose eines schweren allergischen Asthmas (SAA). Etwa 5% aller Asthmapatienten leiden an dieser ausgeprägten Form. Die Zuordnung erfolgt entsprechend den Leitlinien der Deutschen Atemwegsliga oder anhand der GINA (Global Initiative for Asthma)-Guidelines. Ursprünglich durch allergische Prozesse hervorgerufen zeigt sich diese Asthmaform zunehmend allergenunabhängig, d. h. es reichen schon geringe Anstrengungen aus, um einen Anfall auszulösen. Die Lebensqualität im Alltag der Betroffenen wird erheblich eingeschränkt, da bereits Treppensteigen und leichte Freizeitaktivitäten zu bedrohlicher Atemnot führen können. Die Erkrankung schränkt nicht nur den häuslichen Alltag ein, sondern macht sich auch in Beruf, Freizeit und bei sozialen Begegnungen bemerkbar. Als größte Belastung empfinden Betroffene die geringe sportliche Leistungsfähigkeit und verminderte aktive Lebensgestaltung. 10 bis 20% der Patienten berichten über Einsamkeit und negative soziale Erfahrungen bis hin zu depressiven Erkrankungen. Sie leiden unter Ängsten vor erneuten Anfällen, diagnostischen Maßnahmen, Krankenhausaufenthalten oder Spätfolgen. Häufig treten in diesem Zusammenhang psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Schlafprobleme und Schwindel auf.

Schwierige Pharmakotherapie

Die pharmakologische Behandlung bei Asthma besteht in der Regel aus der Kombination lang- und kurzwirksamer Beta-2-Sympathomimetika mit entzündungshemmenden Substanzen, wie Corticoidsteroiden (inhalativ und oral) oder Leukotrienrezeptorantagonisten (in Deutschland nicht bei schwerem Asthma zugelassen) und Theophyllin. Sie werden nach einem Stufenschema appliziert, wie es z. B. Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga oder GINA-Guidelines vorschlagen. Für Patienten mit schwerem allergischem Asthma stößt die Standardbehandlung jedoch an ihre Grenzen. Trotz ausgewählter Medikation leiden Betroffene weiter unter zum Teil dramatischen Beschwerden.

Neue adjuvante Medikation

Mit dem Ziel, auch bei schwerem allergischem Asthma langfristig die chronischen Symptome unter Kontrolle zu halten und akute Beschwerden zu verringern, wurde der Wirkstoff Omalizumab (Xolair®) in die Therapieempfehlungen der Deutschen Atemwegsliga aufgenommen. Der im Oktober 2005 in Deutschland zugelassene rekombinante IgE-Antikörper greift schon früh in die Kaskade des allergischen Geschehens ein. Er fängt frei zirkulierende IgE-Moleküle ab und verhindert deren Bindung an Mastzellen. Dadurch werden die Effektorzellen entweder gar nicht oder wenigstens sehr viel schwächer aktiviert und die Ausschüttung von Entzündungsmediatoren wie Histamine, Zytokine und Leukotriene verringert. Zudem reduziert Omalizumab die Rezeptorenzahl auf der Oberfläche der Immunzellen und hemmt die IgE-Produktion in den B-Zellen. Anhand des vor Therapiebeginn gemessenen IgE-Wertes und Körpergewichtes des Patienten wird der Antikörper in geeigneter Dosierung alle zwei bis vier Wochen subkutan injiziert. Omalizumab ist nur bei eindeutig IgE-vermitteltem Asthma anwendbar und für Patienten ab zwölf Jahren zugelassen. Es ergänzt die Standardtherapie mit oralen oder inhalativen Corticoiden und Beta-2-Sympathomimetika. Individuell können orale Corticoide oder Theophyllin unter der Behandlung mit Omalizumab reduziert werden, inhalative Medikamente bleiben. Eine aktuelle Untersuchung bewertet die verbesserte Lebensqualität von Patienten unter der Anwendung von Omalizumab. An der zugrunde liegenden randomisierten, doppelblinden Innovate-Studie waren insgesamt 419 Probanden im Alter zwischen zwölf und 74 Jahren mit schwer kontrollierbarem Asthma beteiligt. Sie wiesen täglich rezidivierende Symptome trotz einer Stufentherapie nach den GINA-Vorgaben auf. Begleitend zur bestehenden Medikation erhielten die Probanden über 28 Wochen ein Placebo (n = 210) oder Omalizumab (n = 209). Der monoklonale Antikörper wurde je nach Körpergewicht und IgE-Basiswert alle zwei oder vier Wochen subkutan appliziert. Nach 16 Wochen konnten von den 209 Probanden mit Omalizumab 118 Patienten ermittelt werden, die gut auf den Antikörper ansprachen (Responder).

Post-hoc-Analyse: Mehr Luft, mehr Lebensqualität

Eine Post-hoc-Analyse zur Innovate-Studie veranschaulichte, wie der IgE-Antikörper den häuslichen Alltag der Patienten verbessert. In zweiwöchigen Abständen wurden die alltäglich auftretenden Symptome anhand eines Asthma Symptom Scores erfasst. Es wurde zwischen gänzlich symptomfreien und symptomkontrollierten (wesentlich weniger Symptome, doch nicht völlig symptomfrei) Tagen unterschieden. Zur Messung der Lebensqualität diente der Asthma Quality of Life Questionnaire (AQLQ), ein Fragebogen, der das jeweilige Befinden des Patienten dokumentiert. Im Ergebnis konnte unter der Begleittherapie mit Omalizumab die Anzahl symptomfreier Tage und Nächte kontinuierlich erhöht werden (Responder: 46%, Placebo 23%). Auch die symptomkontrollierten Tage nahmen in gleichem Maße zu. Diese Steigerung ging mit einer verbesserten Lebensqualität einher.


Quelle

Dr. Olaf Schmidt, Koblenz, Priv.-Doz. Dr. Randolf Brehler, Münster; Dr. Nicolaus Schwerk, Hannover; Dr. Josef Lecheler, Berchtesgaden: "Wenn die Luft zum Atmen fehlt: Schweres allergisches Asthma", Frankfurt, 25. September 2008, veranstaltet von der Novartis Pharma AG, Nürnberg.

Humbert M, Berger W, Rapatz G et al.: Add-on omalizumab improves day-to-day symptoms in inadequately controlled severe persistent allergic asthma. Allergy 2008; 63: 592-596.

Humbert M, Beasley R, Ayres J, et al.: Benefi ts of omalizumab as add-on therapy in patients with severe persistent asthma who are inadequately controlled despite best available therapy (GINA 2002 step 4 treatment): INNOVATE. Allergy 2005; 60(3): 309-16.

www.atemwegsliga.de

www.ginasthma.com


Apothekerin Franziska Wartenberg

GINA-Guidelines

GINA – The Global Initiative for Asthma wurde 1993 in Zusammenarbeit mit dem National Heart, Lung and Blood Institute (USA), dem National Institutes of Health (USA) und der World Health Organization (WHO) ins Leben gerufen. Ziel der Initiative ist es, die Öffentlichkeit für Asthma bronchiale zu sensibilisieren; diesbezüglich Forschung und Studien zu unterstützen, bestehende Asthmatherapien zu verbessern, sie möglichst vielen Betroffenen zugänglich zu machen, um somit Morbidität und Mortalität der Erkrankung zu verringern. Von GINA werden Leitlinien herausgegeben, die einen weltweiten Einfluss auf entsprechende Empfehlungen nationaler Fachgesellschaften nehmen.

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