Aus der Hochschule

Neuer Wirkmechanismus von Glucocorticoiden entdeckt

Apotheker Dr. Robert Fürst ist für seine experimentelle Forschung über einen nicht-transkriptionellen Wirkmechanismus von Glucocorticoiden mit dem Rudolf-Buchheim-Preis 2007 der Deutschen Gesellschaft für experimentelle und klinische Pharmakologie (DGPT) ausgezeichnet worden. Fürst ist seit 2007 Habilitand am Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie der Universität München (Prof. Dr. Angelika M. Vollmar).

Seit den 1950er-Jahren steht die Stoffgruppe der Glucocorticoide für die antientzündliche und immunsuppressive Pharmakotherapie zur Verfügung. Glucocorticoide kommen bei einer Vielzahl von Erkrankungen zum Einsatz, darunter atopische Dermatitis, Arthritis, Asthma oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Der hervorragenden Wirksamkeit der Glucocorticoide stehen allerdings vielfältige unerwünschte Wirkungen gegenüber, sodass insbesondere die Langzeitpharmakotherapie problematisch ist. Die Identifizierung neuer antiinflammatorischer Mechanismen und Targets steht folglich im Fokus der Forschung.

Beeinflussung der ­Genexpression

Die Wirksamkeit der Glucocorticoide wird im Wesentlichen auf ihre Beeinflussung transkriptioneller Prozesse zurückgeführt. Nachdem ein Glucocorticoid an den Glucocorticoidrezeptor (GR) gebunden hat, fungiert der GR zum einen als Transkriptionsfaktor und kontrolliert die Transkription bestimmter Gene. Zum anderen hemmt er direkt proinflammatorische Transkriptionsfaktoren wie z. B. NF-κB oder AP-1.

Dieser "Transrepression" genannte Mechanismus ist für die meisten immunmodulatorischen und antientzündlichen Effekte der Glucocorticoide verantwortlich.

Beeinflussung intrazellulärer Signalwege

In jüngster Zeit ist ein weiterer Mechanismus entdeckt worden: Der GR ist in der Lage, ohne direkte Beeinflussung der Transkription spezifisch intrazelluläre Signalwege zu aktivieren. Inwieweit diese nicht-transkriptionellen Effekte an der antientzündlichen Wirkung der Glucocorticoide beteiligt sind, ist bisher weitestgehend ungeklärt.

Unsere Arbeitsgruppe beschäftigt sich seit Längerem mit der MAPK-Phosphatase MKP-1 und ihrer Fähigkeit, antientzündliche Effekte zu vermitteln (MAPK = Mitogen-aktivierte Proteinkinase). So stellten wir die Frage, ob die MKP-1 an der Wirkung von Glucocorticoiden im Endothel beteiligt sein könnte. Das Endothel spielt eine wichtige Rolle bei entzündlichen Prozessen, da es die Einwanderung von Leukozyten aus dem Blut in das entzündete Gewebe kontrolliert. Hierbei bilden Endothelzellen Adhäsionsmoleküle wie z. B. E‑Selektin aus, die den Leukozyten die Adhäsion (Anlagerung) an das Endothel ermöglichen. Als endotheliales In-vitro-Modell verwendeten wir primäre humane Nabelschnurendothelzellen (HUVEC).

Wir untersuchten zunächst die Wirkung des synthetischen Glucocorticoids Dexamethason (Dex) auf den durch TNF-α aktivierten proinflammatorischen Transkriptionsfaktor NF-κB und das NF-κB-abhängige Adhäsionsmolekül E-Selektin. Die Oberflächenexpression von E-Selektin wurde dosisabhängig durch Dex reduziert. Jedoch zeigte sich, dass eine Hemmung der NF-κB-Translokation und DNA-Bindungsaktivität nur in Konzentrationen ≥ 100 nM auftritt. Die Hemmung der Expression von E‑Selektin bei 1 bis 10 nM Dex schien also über einen anderen Weg zu laufen, welchen wir als Hemmung der p38 MAPK identifizieren konnten. Diese Hemmung ist abhängig von der Aktivität zellulärer Phosphatasen. In der Folge fanden wir heraus, dass Dex (1 nM) zur GR-abhängigen Induktion der Expression von MKP-1 führt.


Dexamethason in niedriger Konzentration induziert über die Aktivierung des Glucocorticoid-Rezeptors (GR) die MAPK-Phosphatase MKP-1 in humanen Endothelzellen. Die MKP-1 hemmt die p38 MAPK, die (nach Stimulation durch TNF-α) für die Expression des Adhäsionsmoleküls E-Selektin an Endothelzellen verantwortlich ist und somit die Entzündung fördert.

Dexamethason hemmt die Bildung von E-Selektin

Der Schwerpunkt unserer Arbeit lag darin, die Kausalität zwischen der MKP-1-Expression und der Hemmung der E-Selektin-Expression nachzuweisen. Hierfür führten wir Versuche an Endothelzellen durch, die nicht mehr in der Lage waren, die MKP-1 zu exprimieren (teils durch Transfektion von MKP-1-Antisense-Oligonucleotiden, teils durch Deletion des MKP-1-Gens). Wie erwartet, zeigte Dex in diesen Zellen keine Effekte (s. Grafik).

Wir konnten in unserer Arbeit erstmalig nachweisen, dass im humanen Endothel die MAPK-Phosphatase MKP-1 durch Glucocorticoide in niedriger Konzentration hochreguliert wird und an deren antientzündlicher Wirkung beteiligt ist. Da kein GR-abhängiger Promotor des MKP-1-Gens existiert, handelt es sich um eine nicht-transkriptionelle Wirkung des GR. An der Aufklärung der zugrunde liegenden cytosolischen Signalmechanismen arbeiten wir derzeit. Ferner stärken unsere Daten das Konzept der MKP-1 als interessantes pharmakologisches Target für eine antientzündliche Therapie, vor allem im Hinblick auf die Vermeidung der unerwünschten Wirkungen einer Glucocorticoidtherapie. Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, molekulare Mechanismen auch etablierter Pharmaka genau zu untersuchen.

 

Literatur

Fürst R, et al. MAPK phosphatase-1 represents a novel anti-inflammatory target of glucocorticoids in the human endothelium. FASEB J 2007; 21:74-80.

 


Prof. Dr. Angelika Vollmar
www.cup.uni-muenchen.de/ph

 

 

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