Arzneimittel und Therapie

Lysin-Acetylsalicylat soll Vermehrung hemmen

Mitten in die deutsche Grippewelle landet die Pressemitteilung, dass eine internationale Machbarkeitsstudie gestartet wird, um die Wirksamkeit und Verträglichkeit von LASAG (Lysin-Acetylsalicylat Glycin) zu testen. Dreimal täglich inhaliert, soll das Präparat die Krankheitssymptome einer Influenza bessern und die Vermehrung der Grippeviren verlangsamen.

Angelegt ist die Studie als multizentrische, doppelt verblindete, placebokontrollierte Phase-II-Studie, an der 175 hospitalisierte Patienten mit schwerer, akuter Influenza teilnehmen. Sie werden nach dem Zufallsprinzip in drei verschiedene Behandlungsarme eingeteilt. Jeder Studienteilnehmer wird fünf Tage lang entweder dreimal täglich mit einer von zwei unterschiedlichen Dosen von inhalativem Lysin-Acetylsalicylat Glycin oder mit Placebo behandelt. Alle Patienten erhalten zudem eine Standardtherapie. Durchgeführt wird die Studie an insgesamt 50 verschiedenen Zentren in Argentinien, Chile, Deutschland, Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn und der Ukraine. Endpunkt der Studie ist die Besserung der Grippe-Symptome, darunter verstopfte Nase, Halsentzündung, Husten, Schmerzen/Muskelschmerzen, Schlappheit, Kopfschmerzen, Fiebrigkeit, Schüttelfrost und Schweißausbrüche.

Die Ratio der Studie

Hintergrund der Studie ist ein Patent mit dem Titel "Use of salt of an acetylsalicylic acid for the treatment of viral infections", das Stephan Ludwig im Januar 2012 unter der Nummer 20120017892 veröffentlicht hat. Der Virologe ist bekannt für die Anwendung von unkonventionellen Grippemitteln, wie z. B. auch Cystus-Extrakt-Präparate. Darin wird das Salz der o-Acetylsalicylsäure mit den basischen Aminosäuren D-Lysin und/oder L-Lysin als nasales Inhalat gegen Infektionen mit Negativ-RNA-Strang-Viren, vor allem Influenza-A-Viren und hier vor allem die H5- oder H7-Influenza-Viren, die vor allem Vögel befallen, appliziert. Die Konzentration der Lösung ist auf maximal 5 M einzustellen, die Tröpfchengröße soll unter 10 µm, am besten sogar unter 5 µm liegen. Pro Inhalation sollten mindestens 10 mg, möglichst mehr als 200 mg innerhalb von 1 bis maximal 5 Minuten appliziert werden.

In der Patentschrift wird auf ein Dokument W02004/060360 A1 Bezug genommen, in dem gezeigt wurde, dass Acetylsalicylsäure den Transkriptionsfaktor NF-κB in Wirtszellen inhibiert. Viren sind danach für ihre Vermehrung auf die NF-κB-Signalkaskade angewiesen, was dann wiederum impliziert, dass die Applikation von Acetylsalicylsäure als NF-κB-Inhibitor bei Virus-Infektionen helfen könnte. Als Beweise werden Experimente mit MDCKII-Zellen gezeigt, die mit Vogelgrippe-Viren infiziert wurden. Es zeigte sich, dass die Anzahl der Viruspartikel in Anwesenheit von 5 mM Acetylsalicylsäure reduziert wurde. Biochemische Analysen zeigten, dass nicht etwa die durch die Virus-Infektion aktivierten Signalmoleküle MAPK, JNK, p38 und ERK inhibiert werden, sondern vielmehr die Expression proapoptotischer Faktoren, was letztlich in einer reduzierten Caspase-Aktivität resultiert. Da der virale Ribonucleoprotein-Komplex in der Wirtszelle Caspase-abhängig assembliert wird, lässt sich darüber eventuell der Wirkmechanismus von Acetylsalicylsäure erklären.

Die Literatur

Konsultiert man die wissenschaftliche Literaturdatenbank Pubmed, findet man einige Arbeiten aus den 1990er Jahren, die den Effekt von inhalativ angewendetem Lysin-Acetylsalicylat (L-ASA) bei Asthma beschreiben. Offensichtlich verringert L-ASA die Histamin-induzierte Bronchokonstriktion. Bei der Suche nach Arbeiten über Acetylsalicylsäure und dem Transkriptionsfaktor NF-κB stößt man auf einen Kommentar von Jocelyn Kaiser in Science. Anlass für den Kommentar ist die Frage, über welchen zellulären Mechanismus Acetylsalicylsäure vor einer Krebsentstehung schützen könnte. Neben der allgemein bekannten Inhibition der beiden Cyclooxygenasen COX-1 und COX-2 sind noch immer etliche zelluläre Wirkmechanismen der Acetylsalicylsäure gänzlich unbekannt. In dem Kommentar wird auch darauf verwiesen, dass die ersten Versuche, in denen eine Inhibition der NF-κB-Expression durch Acetylsalicylsäure gezeigt wurde, mit extrem hohen Wirkstoff-Konzentrationen durchgeführt wurden. Es ist allerdings trotzdem nicht ganz auszuschließen, dass Acetylsalicylsäure doch NF-κB beeinflussen könnte.

Fazit

Es kommt dem kritischen Betrachter etwas eigenartig vor, dass inhalatives Lysin-Acetylsalicylat den Durchbruch bei der Therapie der schweren Influenza bringen soll. Man kann sich durchaus vorstellen, dass Acetylsalicylsäure die Symptome wie Schmerzen und Fieber lindern kann – schließlich ist das auch die Indikation von oral einzunehmendem Aspirin®. Fraglich ist allerdings, ob die Acetylsalicylsäure tatsächlich höchst spezifisch bei Infektionen mit Negativ-Strang-Viren und hier vor allem mit Influenza-A-Viren hilft. Und wenn, bleiben die Mechanismen zunächst einmal weiter ungeklärt. Das wäre aber akzeptabel, wenn die Studie tatsächlich einen eindeutigen klinischen Nutzen zeigen würde. Da bleibt allerdings zu hinterfragen, ob bei einer Studie, bei der im Schnitt pro Zentrum nur gut drei Patienten getestet werden, ausreichend vergleichbare Daten gesammelt werden können, um eine derart klare Aussage über die Wirksamkeit (und Verträglichkeit) einer LASAG-Inhalation machen zu können.


Quelle

Activaero-Pressemitteilung "Activaero startet Machbarkeitsstudie mit LASAG in schwerer Grippe"

Patent Nr. 20120017892 "Use of salt of an acetylsalicylic acid for the treatment of viral infections"; www.faqs.org/patents/app/20120017892

Kaiser J. Wondering how the wonder drug works. Science 337 (2012), 1472.


Dr. Ilse Zündorf, Prof. Dr. Theo Dingermann, Institut für Pharmazeutische Biologie, Frankfurt/Main



DAZ 2013, Nr. 12, S. 70

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