BAH stellt neues Preismodell für Generika zur Diskussion

Zentraler Erstattungspreis soll andere Sparinstrumente überflüssig machen

Berlin (ks). Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) sieht seine mittelständischen Mitgliedsunternehmen durch die Rabattverträge der Krankenkassen mit vornehmlich großen Pharmaunternehmen in Existenznot. Zielpreisvereinbarungen lehnt der Verband bekanntlich ebenfalls ab, ein bloßer Neinsager will er aber nicht sein. Vergangene Woche präsentierte der BAH daher einen Alternativvorschlag: Danach sollen auch Generika einer Kosten-Nutzen-Bewertung unterzogen werden und anschließend ein zentraler Erstattungsbetrag für sie ermittelt werden.

Entwickelt wurde das Modell maßgeblich vom Gesundheitsökonomen Prof. Jürgen Wasem. Er stellte das Konzept am 24. September bei der BAH-Jahresversammlung in Berlin vor. Ausgangspunkt seines Forschungsauftrages war, zu prüfen welche Auswirkungen der derzeitige Mix zentraler und dezentraler Steuerungsinstrumente auf den Generikamarkt hat und welche Alternative es hierzu gibt. Das Hauptproblem der Rabattverträge sieht Wasem darin, dass sie zu einer Oligopolisierung des Marktes führen können. Nachdem die kleinen und mittleren Pharmahersteller anfänglich noch relativ gut mitziehen konnten, haben mittlerweile die großen Unternehmen die Oberhand gewonnen, insbesondere durch ihre Sortimentsverträge. Im Juni 2008 waren 78 Prozent der Arzneimittelpackungen von Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 50 Mio. Euro unter Rabattvertrag. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen waren es lediglich 12 Prozent. Dabei, so Wasem, gehe die Umsatzverschiebung klar zulasten der kleineren Hersteller: Während die Top 10-Unternehmen im Rabattmarkt im 2. Quartal 2008 gegenüber dem Vorjahresquartal ein Umsatzplus von 21 Prozent verbuchen konnten, gingen die Umsätze der übrigen Hersteller um 20 Prozent zurück.

Um Oligopole mit ihren negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen zu verhindern, schlägt Wasem vor, die bestehenden zentralen und dezentralen Preissteuerungsinstrumente im generikafähigen Markt durch ein einziges Preisfestsetzungssystem zu ersetzen: In einem zweistufigen Verfahren könnten die Erstattungspreise in der GKV so festgelegt werden, dass sie das Nutzenverhältnis der Arzneimittel untereinander widerspiegelten. Auf der ersten Stufe sollen dabei einzelne Indikationsgruppen betrachtet und das relative Nutzenverhältnis der in der jeweiligen Gruppe verfügbaren Arzneimittel ermittelt werden. Darauf folgt die monetäre Bewertung. Was mehr nutzt, kann auch mehr kosten. Auf der zweiten Stufe soll das Ausgabenverhältnis der einzelnen Indikationsgruppen durch deren Nutzenverhältnis zueinander bestimmt werden. In der praktischen Umsetzung würde beispielsweise das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit einer entsprechenden Kosten-Nutzen-Bewertung des Arzneimittelmarktes beauftragt; auch eine Erweiterung des Modells über den Arzneimittelsektor hinaus sei möglich. Am Ende soll dann ein fester Preis stehen, der den tatsächlichen Wert eines Arzneimittels widerspiegelt – der Wettbewerb soll dann über den Nutzen und nicht mehr über den Preis stattfinden. Prämisse für ein solches Vorgehen sei, dass die Umstellung für die GKV ausgabenneutral erfolgt, betonte Wasem. Dass die Einführung eines solchen Modells von heute auf morgen nicht realistisch ist, ist dem Gesundheitsökonomen bewusst. Wohl aber ließe es sich seiner Meinung nach schrittweise nach einzelnen Indikationsgebieten implementieren. Dies zeige sich etwa in Schweden und Korea, wo man ähnliche Konzepte eingeführt habe.

Ungeklärte Details

Auch wenn Wasem einräumt, dass das Modell noch nicht in allen Einzelheiten durchdacht ist und noch manche Frage offen lässt, sei der Vorschlag "nicht nur eine Übung im Elfenbeinturm". Er ist optimistisch, mit ihm in die politische Arena treten zu können. Für die Umsetzbarkeit des Konzepts spreche, dass mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss, dem GKV-Spitzenverband und dem IQWiG bereits die erforderlichen Institutionen zur Verfügung stünden. Zudem seien die methodischen Arbeiten an der Kosten-Nutzen-Bewertung für Arzneimittel in vollem Gange und könnten an den vorgelegten Vorschlag adaptiert werden. Für den Vorschlag spreche weiterhin, dass man die Kosten-Nutzen-Bewertung ohne eine Diskussion zu einem Schwellenwert der Zahlungsbereitschaft – Stichwort: Qualys bzw. wie viel ist ein gewonnenes Lebensjahr wert? – führen müsse.

Charmant oder untauglich?

In einer anschließenden Diskussionsrunde erklärte der BAH-Vorsitzende Hans-Georg Hoffmann, das nun vorgestellte Modell sei "kein Patentrezept, sondern der Einstieg in eine Diskussion". Werde es von der Politik aufgegriffen, bedeute dies noch viel Arbeit – doch dieser werde sich der Verband stellen. Wolfgang Kaesbach vom GKV-Spitzenverband und ABDA-Hauptgeschäftsführer Hans-Jürgen Seitz würdigten dieses Anliegen grundsätzlich. Für Seitz hat die Vorstellung eines "Befreiungsschlages", mit dem die anderen unliebsamen Preissteuerungsinstrumente obsolet werden könnten, einen "gewissen Charme". Kaesbach zeigte sich jedoch wenig zuversichtlich, dass das Modell in der Praxis eine Chance haben könnte. Mit den bisherigen Festbeträgen fährt die GKV seiner Meinung nach gut – die Notwendigkeit eines zentralen Preises kann er nicht erkennen. Für ihn wäre es leichter, schlicht die Abschaffung der Rabattverträge zu fordern. Denn nach seiner persönlichen Ansicht sind Rabattvereinbarungen in der kollektivvertraglichen Versorgung ohnehin kontraproduktiv, zumal im generischen Bereich nur Cent-Beträge eingespart werden könnten. Sinn machen sie für ihn in erster Linie in Konzepten der Integrierten Versorgung, die ohnehin einen gewissen freiwilligen Freiheitsverlust einbeziehen. Mit dieser Meinung spricht Kaesbach allerdings nicht für den GKV-Spitzenverband. Dem BAH legte Kaesbach nahe, sein Modell einmal an einem konkreten Beispiel für eine Indikationsgruppe durchzuspielen – dann könne man weiter diskutieren. Auch aus Seitz Sicht, wäre eine solche "Machbarkeitsstudie" sinnvoll. Hoffmann sagte zu, diesen Vorschlag aufzugreifen.

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