BAH: Gesundheitsreform bedroht den Pharmamittelstand

BERLIN (ks). Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) hat die Bundesregierung aufgefordert, die geplanten Reformen im Arzneimittelbereich noch einmal zu überprüfen. Die Ressourcen der mittelständischen pharmazeutischen Industrie seien bereits nach den letzten Sparmaßnamen des Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetzes (AVWG) nahezu erschöpft, erklärte der BAH-Vorsitzende Hans-Georg Hoffmann bei der Jahresversammlung des Verbandes am 27. September in Berlin.

"Die Enttäuschungen über die bisherigen Ergebnisse dieser Koalition im Gesundheits- und insbesondere im Arzneimittelbereich sind so groß, wie bisher die Erwartungen waren", sagte Hoffmann. Begonnen hatte es mit dem AVWG: Hier fand der Gesetzgeber Regelungen, die schnell und einfach umzusetzen waren und deren Einsparpotenzial zu Lasten der Arzneimittelhersteller "eindeutig bezifferbar" ist. Doch das Gesetz stecke voller Widersprüchlichkeiten, kritisierte Hoffmann. So sei etwa nicht zu verstehen, warum die Rabattverbote des AVWG auch rezeptfreie Arzneimittel umfassen, obwohl deren Preise erst kurz zuvor durch das GMG freigegeben wurden.

Auch die neuen Zuzahlungsbefreiungsgrenzen für besonders günstige Festbetragsarzneien sind dem BAH ein Dorn im Auge. Nach dem Gesetz soll eine Zuzahlungsbefreiung möglich sein, wenn der Preis eines Arzneimittels 30 Prozent unter Festbetrag liegt. Doch die GKV-Spitzenverbände legen die Grenze gerne tiefer - bis zu 50 Prozent unter Festbetrag können es werden. Die Entscheidung des Unternehmers zu einer Preissenkung auf mindestens 30 Prozent, um eine Zuzahlungsbefreiung zu erreichen, werde dadurch "gewissermaßen ein Lotteriespiel", so Hoffmann.

Versicherte nicht verunsichern

Was die jüngsten Reformvorhaben der Bundesregierung betrifft, ist man beim BAH ebenfalls kritisch. Bei einer "Re-Form" gehe es nicht nur um Veränderungen, sondern auch um Verbesserungen. Hoffmann mahnte die Politik an, dafür Sorge zu tragen, "dass abseits aller inhaltlichen Weichenstellungen die GKV-Reform nicht schon deswegen Schaden in der öffentlichen Meinung nimmt, weil die Versicherten nichts mit ihr anfangen können." Diese interessierten sich in erster Linie für die Beitragshöhe und das Leistungspaket. Wenn eine Reform bereits mit einer Erhöhung der Beiträge starte, müsse man sich nicht wundern, wenn sie sich enttäuscht abwenden. Positiv wertet der Verband hingegen die geplanten Wahltarife für Versicherte.

Festbeträge statt Rabattverträge

Auf Ablehnung stößt beim BAH die Umstellung der Arzneimittelpreise auf Höchstpreise in Verbindung mit den Rabattvereinbarungen zwischen Kassen bzw. Apotheken und Herstellern. Zum einen vermisst Hoffmann in den gesetzlichen Regelungen Anreize, die es für die Industrie ökonomisch interessant machen, Rabattverträge abzuschließen. Zum anderen seien die Hersteller nach den Maßnahmen des GMG und des AVWG "zu Rabattgewährungen nicht mehr in der Lage".

Auch grundsätzlich steht der Verband einer solchen "dezentralen" Preisbildung kritisch gegenüber. Einzelne Rabattverträge führten zu einem "pharmapolitisch nicht verantwortbaren Verdrängungswettbewerb zu Lasten des Mittelstandes", betonte Hoffmann. Die Bundesregierung werde mit einem solchen Modell ihrem Ziel nicht gerecht, den Pharmastandort Deutschland und seine Arbeitsplätze zu sichern. Aus den gleichen Gründen sei auch der Vorschlag der ABDA abzulehnen, die aus "offensichtlichem Eigeninteresse" nur für Preisverhandlungen zwischen Hersteller und Kasse eintritt und hierbei die vom Medikamentenpreis abgekoppelte Apothekenvergütung unberührt lassen will. Statt auf dezentrale Regelungen setzt der BAH auf die Beibehaltung der zentralen Festbetragsregelung.

Transparente Kriterien für Kosten-Nutzenbewertung

Skeptisch blickt Hoffman auch auf die geplante Kosten-Nutzenbewertung von Arzneimitteln. Grundsätzlich könne eine solche Bewertung den Wettbewerb fördern und für mehr Qualität sorgen - vorausgesetzt, sie erfolgt nach wissenschaftlich fundierten, internationalen Standards. Vor allem aber müssten die Kriterien der Kosten-Nutzenbewertung im Gesetz festgelegt und damit überprüfbar sein, forderte Hoffmann. Darüber hinaus dürfe die Bewertung nicht ausschließlich auf Grundlage der höchsten Evidenzstufe vorgenommen werden, sondern auch der gängigen Lehrmeinung Rechnung tragen.

BAH steht zum Apothekensystem

Abseits der Diskussion um das kommende Reformgesetz, ist es dem BAH wichtig, die zukünftige Rolle der Apotheke im Auge zu behalten. Der Rechtsstreit um DocMorris, im Saarland und die von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien, Österreich und Spanien zeigten, dass das gesamte Apothekensystem perspektivisch auch in Deutschland auf den Prüfstand kommen werde. Hoffmann betonte: "Der Verband steht zum jetzigen Abgabesystem von Arzneimitteln über die Apotheke". Er werde aber auch respektieren, wenn der Europäische Gerichtshof entscheidet, dass ein nationales Fremd- und Mehrbesitzverbot geben Europarecht verstößt und die Bundesregierung ein solches Urteil entsprechend umsetzt. "Wie immer das Ergebnis aussehen wird, wir haben keine Zweifel an einem ordnungsgemäßen Verhalten seitens der möglicherweise betroffenen Apotheker", sagte Hoffmann.

Sinkendes Image rezeptfreier Arzneimittel

Nicht zuletzt bereitet dem Verband die Entwicklung auf dem Selbstmedikationsmarkt Sorge. Negativ sei nicht nur die Absatzsituation, so Hoffmann, sondern auch die sinkende Akzeptanz von rezeptfreien Medikamenten in der Bevölkerung. Bis zur Herausnahme der OTC-Präparate aus dem GKV-Leistungskatalog durch das GMG hätten diese ein hohes Image genossen. Inzwischen werde jedoch ihre Wirksamkeit bezweifelt, ihr Risiko überbewertet und ihr Preis pauschal als zu teuer gewertet. Da die Gegenargumentation der Hersteller nicht für glaubwürdig gehalten werde, erhofft sich Hoffmann Unterstützung vom Bundesgesundheitsministerium. Es müsse im gemeinsamen Interesse liegen, die Menschen zu eigenverantwortlichen medikamentösen Maßnahmen anzuregen, bevor ein Arztbesuch einschließlich Arzneimittelverordnung zu Lasten der Kassen unausweichlich wird.

BAH dialogbereit

Abschließend sicherte Hoffmann der Politik zu, dass sich der BAH konstruktiv an der Reformdiskussion beteiligen werde. Dies geschehe "in der Verantwortung gegenüber einem Krankenversicherungssystem, das nicht über beliebige Ressourcen verfügt, aber auch in der Verantwortung gegenüber seinen Mitgliedern, die ebenfalls nicht über beliebige Ressourcen verfügen".

Schröder: "Wir sehen uns der mittelständischen Industrie verpflichtet"

Klaus Theo Schröder, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, mahnte im Anschluss an die Eröffnungsrede des BAH-Vorsitzenden mehr Besonnenheit an. Der gegenwärtige Protest der Industrie, Ärzte, Kliniken und anderer Leistungserbringer sei zwar turbulent. Dennoch sei er überzeugt, dass nicht eintreten werde, was dort "in kassandrischer Manier vorgetragen wird". Fest stehe nur: "Vieles ändert sich und es wird mehr Wettbewerb geben". Durch die Einführung des Gesundheitsfonds solle vor allem der Kassenwettbewerb gesteigert werden. Derzeit wüssten zwei Drittel der Versicherten nicht, welchen Beitragssatz ihre Krankenkasse erhebt. Künftig gebe es "schärfere Preissignale", wenn Kassen ihren Versicherten spezielle Tarife - etwa mit Rückerstattungsmöglichkeiten - anbieten können.

Schröder betonte zudem, dass es sich endlich um eine Reform handelt, die den Versicherten nicht explizit in Anspruch nimmt. Statt neuer Zuzahlungen komme diesmal sogar eine Ausweitung des Leistungskataloges auf ihn zu. Aber auch für die Leistungserbringer bringe die Reform "mehr als bisher kommuniziert". Der Staatssekretär rechtfertigte die Rabattvereinbarungen zwischen Kassen und Herstellern bzw. Apotheken. Rabatte seien aber nur sinnvoll, wenn sie auch beim Endverbraucher ankommen: "Bleiben sie im System, auf welcher Stufe auch immer, bringen sie nichts", so Schröder. Er sei daher "sehr gespannt, wie die Kostenträger und ihre Partner mit der neuen Möglichkeit umgehen werden". Zu beachten sei letztlich auch, dass die Bereitstellung von Innovationen nur sichergestellt werden könne, wenn die Regelversorgung so effizient wie möglich sei.

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