Nahrungsergänzungsmittel

Folsäurezufuhr in der Schwangerschaft

Folsäure hat in den letzten Jahren stark an Aufmerksamkeit gewonnen. In Studien konnte gezeigt werden, dass die perikonzeptionelle Folsäurezufuhr das Risiko für Neuralrohrdefekte und andere kindliche Fehlbildungen signifikant senkt. Darüber hinaus ist bekannt, dass Folsäure mit der Reduktion von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz und bestimmten Krebserkrankungen in Zusammenhang steht. Eine angemessene Folsäureversorgung in der Frühschwangerschaft kann die Häufigkeit angeborener Neuralrohrdefekte um etwa 70 bis 75 Prozent senken, in etwa gleichem Maße werden auch Schwangerschaftsabbrüche aufgrund pränatal erkannter Neuralrohrdefekte vermindert. Tatsächlich erhalten aber nur wenige Frauen im gebärfähigen Alter eine wirksame perikonzeptionelle Folsäurezufuhr.

Es ist kaum bekannt, dass es sich bei der Folsäure um eine synthetische Verbindung handelt, die als solche in der Natur nicht vorkommt. Sie wird erst bei der Resorption in der Mucosazelle und anschließend in der Leber in die eigentlichen vit-aminwirksamen Folatverbindungen überführt, von denen 5-Methyl-Tetrahydrofolat (5-MTHF) mit ca. 98 Prozent den quantitativ wichtigsten Metaboliten beim Menschen darstellt.

Ausreichende Folatzufuhr über Ernährung? Nahrungsfolat kommt in zahlreichen tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln vor. Besonders folatreich sind vor allem Blattgemüse, Spinat, Salat, Spargel, Tomaten, Gurken aber auch Getreide und Leber. Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für Erwachsene empfohlene tägliche Nahrungsfolatzufuhr von 400 Ķg können die wenigsten Deutschen über ihre tägliche Ernährung abdecken. Hinzu kommt, dass es durch falsche Lagerung und die Zubereitung der Lebensmittel, beispielsweise durch Kochen, zu Verlusten des Folatgehaltes zwischen 30 und 90 Prozent kommen kann. Nach Angaben des Ernährungsberichtes aus dem Jahr 2000 beträgt die durchschnittliche tägliche Folatzufuhr bei Männern 235 Ķg und bei Frauen 214 Ķg. Dies entspricht 61 beziehungsweise 55 Prozent der empfohlenen Zufuhr. Auch bei Kindern und Jugendlichen liegen die durchschnittlichen Aufnahmemengen deutlich unter den empfohlenen Referenzwerten.

Folsäure unverzichtbar in der Schwangerschaft Die Schwangerschaft stellt eine besonders kritische Phase der Folatversorgung dar, denn der Folatbedarf steigt infolge der Vergrößerung des Uterus, der Anlage der Plazenta, der Zunahme der mütterlichen Erythrozytenzahl sowie des embryonalen Wachstums gemessen an den geltenden Zufuhrempfehlungen um 50 Prozent an. Daher empfiehlt die DGE Schwangeren eine erhöhte Nahrungsfolataufnahme von 600 Ķg täglich. Da folatreiche Lebensmittel vielen nicht bekannt sind und daher nicht bevorzugt verzehrt werden, wird zusätzlich die Einnahme von Folsäure empfohlen.

Hoher Aufklärungsbedarf in der Bevölkerung Bereits seit 1995 empfehlen fünf wissenschaftliche Fachgesellschaften (u. a. die Deutsche Gesellschaft für Ernährung und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) Frauen die zusätzliche Einnahme von 400 Ķg Folsäure täglich für den Zeitraum von mindestens vier Wochen vor der Empfängnis bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels. Jedoch kommt immer noch nur ein kleiner Teil der Frauen dieser Empfehlung nach. Viele wissen zum kritischen Zeitpunkt des Neuralrohrverschlusses noch gar nicht, dass sie schwanger sind. Auch bei gezielter Schwangerschaftsplanung wird die Empfehlung zur Supplementierung mit Folsäure nicht ausreichend befolgt [1]. Eine aktuelle Untersuchung der Universität Greifswald zur Folsäure-Prophylaxe ergab, dass auch bei geplanten Schwangerschaften nur in 14 Prozent der Fälle eine empfehlungskonforme Folsäureeinnahme erfolgte [2].

Effektive Prävention durch richtige Supplementation Studienergebnisse der vergangenen Jahrzehnte bestätigen Zusammenhänge, dass eine ausreichende Folat-/Folsäureversorgung während der kritischen Phase des Neuralrohrschlusses (22. bis 28. Tag nach der Empfängnis) das Risiko für Neuralrohrdefekte (NRD) wie Spina bifida (offener Rücken) und Anenzephalie, dem Fehlen des Schädeldachs ( Froschkopf ), senken kann. In einer placebokontrollierten, randomisierten, doppelblinden Studie von Czeizel et al. an der 5502 schwangere Frauen teilnahmen, erhielt eine Gruppe der Frauen mindestens einen Monat vor der Empfängnis sowie mindestens zwei Monate danach ein Multivitaminpräparat mit 800 Ķg Folsäure, die Kontroll-Gruppe bekam ein Präparat, das Kupfer, Mangan, Zink und Vitamin C in Spuren enthielt. In der Folsäure-supplementierten Gruppe trat kein einziger Fall von NRD auf, während in der Kontrollgruppe sechs Fälle beobachtet wurden (p = 0,014) [3, 4]. In einer weiteren kontrollierten Kohortenstudie konnte Czeizel diese fast hundertprozentige Risikoreduktion von Spina bifida durch frühzeitige Gabe eines folsäurehaltigen Multivitaminpräparats bestätigen. Darüber hinaus konnten in der Studie angeborene Fehlbildungen signifikant reduziert werden. Bei Defekten der Herzscheidewand wurde eine Risikoreduktion um 74 Prozent und bei Fehlbildungen der Harnwege um 81 Prozent erreicht [5]. Diese Studienergebnisse lassen auch den Schluss zu, dass kindliche Fehlbildungen effektiver durch Multivitaminpräparate mit Folsäure in Kombination mit weiteren B-Vitaminen verhindert werden als durch Folsäure allein. Weitere Untersuchungen weisen darauf hin, dass durch hochdosierte perikonzeptionelle Folsäuresupplementation auch das Risiko für Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten gesenkt werden kann. Zur Prävention eines Neuralrohrdefekts muss bereits vor der Schwangerschaft ein ausreichend hoher Erythrozytenfolatspiegel (EFS) aufgebaut werden. In einschlägigen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass zur optimalen NRD-Risikoreduktion ein EFS von über 906 nmol/L erforderlich ist [6]. Liegt der EFS der Mutter beispielsweise unter 340 nmol/L, ist das NRD-Risiko um das Achtfache erhöht. Eine aktuelle Studie zeigt jedoch, dass bei der bisher empfohlenen Dosierung von 400 Ķg Folsäure der präventiv wirksame EFS erst nach etwa drei Monaten erreicht wird. Dagegen wird bei einer täglichen Folsäuredosis von 800 Ķg dieser optimale Wert im Mittel schon nach vier Wochen erreicht [7].

Enzympolymorphismus als zusätzlicher Risikofaktor Verschiedene Enzyme im Folatstoffwechsel weisen genetische Polymorphismen auf, die mit Aktivitätseinbußen verbunden sind und eine unzureichende Verstoffwechselung verschiedener Folatmetaboliten zur Folge haben. Das Enzym MTHFR wird für die Bildung von 5-Methyltetrahydrofolat (5-MTHF), der hauptsächlichen Folatform im menschlichen Körper, benö-tigt. Eine Punktmutation an diesem Enzym ist bei homozygot Betroffenen mit einer um etwa 75 Prozent verminderten Enzymaktivität und damit auch mit einem erhöhten Risiko für NRD verbunden. Liegt diese Enzymvariante sowohl bei der Mutter als auch beim Neugeborenen vor, dann steigt das Risiko für Neuralrohrdefekte sogar um das Sechs- bis Siebenfache. Da auch heterozygote Merkmalsträger ein schwach erhöhtes Risiko für NRD aufweisen, ließe sich so bei 50 Prozent der Bevölkerung durch Verabreichung der direkten Wirkform 5-MTHF die Folatversorgung optimal verbessern.

Supplementation mit der biologisch aktiven Folatform Nachdem das wissenschaftliche Gremium der European Food and Safety Agency (The EFSA Journal 2004; 135, 1-20) die inzwischen synthetisch herstellbare, natürliche Folatform 5-MTHF in Form von Calcium L-Methylfolat als sicher erachtet hat, wurde die Substanz von der Europäischen Kommission im März 2006 in die Richtlinien für Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel aufgenommen. Somit besteht nun die Möglichkeit, die biologisch aktive Wirkform anstelle oder in Ergänzung zu Folsäure für die Supplementation zu verwenden. In einer Studie wurden mit dieser Substanz signifikant höhere Erythrozytenfolatspiegel erreicht als mit Folsäure [8], und beide Substanzen erwiesen sich in Bezug auf die Homocysteinsenkung als bioäquivalent. In einer weiteren Untersuchung zur Bioverfügbarkeit von 5-MTHF konnte gezeigt werden, dass die Resorption konstanter verläuft als bei Folsäure [9]. Da nur die wenigsten Menschen wissen, ob bei ihnen ein Enzympolymorphismus vorliegt, bietet der Einsatz von 5-MTHF die Möglichkeit, das biologische Potenzial von Folat voll auszuschöpfen und eine breitenwirksame Prävention auch für den Bevölkerungsanteil (ca. 50%) zu erzielen, der von MTHFR-Polymorphismen in homozygoter oder heterozygoter Form betroffen ist. '

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