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Folsäure und Schwangerschaft: Mit der Supplementierung kann man nicht früh gen

In welchem Zeitraum der Schwangerschaft ist eine Folsäure-Supplementierung sinnvoll? Antwort: Eine ausreichende Folatversorgung ist wichtig für die Prävention von Neuralrohrdefekten. Die Anlage des Neuralrohres erfolgt zwischen der dritten und vierten Schwangerschaftswoche, zu einem Zeitpunkt also, an dem die wenigsten Frauen wissen, dass sie schwanger sind. Damit eine Folsäure-Supplementierung Sinn macht, sollte man also bereits vor der Schwangerschaft, sozusagen "auf Verdacht" anfangen.

Empfohlen wird allen Frauen, die schwanger werden könnten, eine prophylaktische Supplementierung von 400 µg Folsäure pro Tag. Die Supplementierung sollte mindestens 4 Wochen vor der Konzeption erfolgen und während des ersten Drittels der Schwangerschaft beibehalten werden. Die pharmakologische Supplementierung ersetzt nicht die Folatzufuhr mit der Nahrung, die bei Schwangeren 600 µg pro Tag betragen sollte.

Schätzungen zufolge werden in Deutschland jedes Jahr zwischen 470 und 800 Kinder mit Neuralrohrdefekten geboren. Hierbei handelt es sich um schwere Fehlbildungen des zentralen Nervensystems, die das Gehirn und/oder das Rückenmark betreffen können. Es werden die beiden Grundtypen Spina bifida (offener Rücken) und Anencephalie (teilweise oder völliges Fehlen des Großhirns) unterschieden. Neuralrohrdefekte können je nach Grad der Fehlbildung zu unterschiedlich starken Behinderungen führen. Die Ausbildung des Neuralrohres beschränkt sich auf die frühe Embryonalphase (ca. 21. – 28. Tag nach Konzeption).

Erste Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen einer schlechten Folatversorgung der Mütter und der Häufigkeit fehlgebildeter Kinder existieren seit den 60er Jahren. Folat ist in Form von 5,6,7,8-Tetrahydrofolat (THF) sowie dessen Derivaten wirksam, wobei die verschiedenen Folatderivate vor allem an Prozessen der Zellteilung und somit der Zellneubildung beteiligt sind. Daraus resultiert, dass sie während der Gravidität für die Vergrößerung des Uterus, die Entwicklung des Feten, der Plazenta und des Brustgewebes sowie die Ausdehnung des Blutvolumens von Bedeutung ist.

Schwangeren wird daher eine Zulage von 200 µg, somit insgesamt 600 µg Folat pro Tag empfohlen. Zusätzlich wird perikonzeptionell zur Verhinderung von Neuralrohrdefekten eine Supplementierung von 400 µg Folsäure pro Tag angeraten. Die Empfehlungen zur Prävention von Neuralrohrdefekten durch Folsäurezufuhr wurden erstmals 1994 als gemeinsame Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und der Gesellschaft für Neuropädiatrie ausgesprochen. Durch eine perikonzeptionelle Folsäure-Supplementierung von 400 µg pro Tag kann das Risiko für Neuralrohrdefekte überzeugend gesenkt werden.

Frauen, die bereits ein Kind mit Neuralrohrdefekt haben, sollten vor einer erneuten Schwangerschaft präventiv Folsäure in Höhe von 4 mg pro Tag supplementieren. Entsprechende Empfehlungen werden in Deutschland bisher kaum umgesetzt. So sind laut Bundesgesundheitssurvey von 1998 gerade einmal 23 % der Frauen im Alter von 18 bis 40 Jahren über den positiven Effekt von Folsäure in der Schwangerschaft informiert.

Für die Beratungspraxis bedeutet das:

  • Deckung der Basisversorgung mit Folat: Um den in der Schwangerschaft erhöhten Folatbedarf (600 µg pro Tag) zu decken, ist ein vermehrter Verzehr folatreicher Lebensmittel wie Weizenkeime, Sojabohnen, Tomaten, Kohlarten und Backwaren aus Vollkornmehl zu empfehlen.
  • Zusätzliche Folsäurezufuhr: Weil Schwangerschaften nicht immer geplant sind, ist allen Frauen, die schwanger werden könnten, eine Folsäuresupplementierung von 400 µg pro Tag zu empfehlen. Die Supplementierung sollte mindestens 4 Wochen vor der Konzeption und während des ersten Drittels der Schwangerschaft erfolgen.
  • Frauen, die bereits ein Kind mit Neuralrohrdefekt haben, sollten bei erneutem Kinderwunsch bereits vor der Konzeption 4 mg Folsäure pro Tag supplementieren.

Zur Risikogruppe zählen sehr junge Mütter, deren Folatspeicher durch den Wachstumsschub in der Pubertät vermindert ist, sowie Frauen mit Mehrlingsschwangerschaften und rasch aufeinander folgenden Schwangerschaften. Die Supplementierung ersetzt nicht die Folatzufuhr mit der Nahrung, die bei Erwachsenen in Deutschland noch immer deutlich unterhalb der Empfehlungen liegt, sondern ist eine Ergänzung im Rahmen der Frühschwangerschaft zur Prävention des Neuralrohrdefektes.

Literatur

[1] Biesalski HK, Fürst P, Kasper H, Kluthe R, Pölert W, Puchstein C, Stähelin HB (Hrsg.): Ernährungsmedizin. 2. Aufl., Georg Thieme Verlag, Stuttgart (1999), 150 – 155 [2] Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Schweizerische Gesellschaft für Ernährungsforschung, Schweizerische Vereinigung für Ernährung (Hrsg.): Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 1. Auflage, 1. korrigierter Nachdruck, Umschau/Braus Verlag Frankfurt am Main (2000) [3] Frank A, Hagen M: Die Bedeutung von Folsäure bei der Prävention von Arteriosklerose und Neuralrohrdefekten. Akt. Ernähr.-Med. 25 (2000), 147 – 150 [4] Koletzko B, von Kries R: Prävention von Neuralrohrdefekten durch Folsäurezufuhr. Der Kinderarzt 26 (1995) Nr. 2, 187 – 190 [5] Forum Ernährungsmedizin (Hrsg.), Pietrzik K, Prinz-Langenohl R: Wissenschaftliche Ernährungsinformation – Folsäure. Pukowski (Druck), Hanau (2000) [6] Thamm M, Mensink G B M, Thierfelder W: Folsäureversorgung von Frauen im gebärfähigen Alter. Gesundheitswesen 61 (1999) Sonderheft 2, S207 – S212

Quelle:

DGE-Info

die Prävention von Neuralrohrdefekten. Die Anlage des Neuralrohres erfolgt zwischen der dritten und vierten Schwangerschaftswoche, zu einem Zeitpunkt, an dem die wenigsten Frauen wissen, dass sie schwanger sind. Damit eine Folsäure-Supplementierung Sinn macht, sollte man also bereits vor der Schwangerschaft, sozusagen "auf Verdacht" anfangen.

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