Aus der Hochschule

Pharmaziestudium: Lehrveranstaltungen im Fach Klinische Pharmazie

Seit Einführung des Studienfachs Klinische Pharmazie hat die Fachgruppe Klinische Pharmazie in der DPhG mehrere Workshops veranstaltet, um zur Etablierung von einheitlichen Ausbildungsstandards beizutragen. Die schon früher geforderte interdisziplinäre Zusammenarbeit war auch Schwerpunkt des diesjährigen Workshops unter dem Titel "Gemeinsame Lehrveranstaltungen von Pharmakologie und Klinischer Pharmazie", der am 22. und 23. September in Kiel stattfand.

Die Klinische Pharmazie wird bereits zum dritten Mal als fünftes Pflichtfach für alle Prüflinge im zweiten Abschnitt des pharmazeutischen Staatsexamens geprüft. Die Ausbildung in diesem Fach ist jedoch in den einzelnen Universitäten sehr unterschiedlich. Neben der Universität Bonn, die 1999 die erste C3-Professur für Klinische Pharmazie in Deutschland eingerichtet hat, verfügen nur wenige Standorte über eine eigene Professur oder eine unbefristete Hochschul–dozentur für Klinische Pharmazie. Ansonsten sind die Inhalte des Faches häufig auf verschiedene Institute verteilt. An neun von 22 Standorten liefern Pharmakologen den entscheidenden Beitrag zur Ausbildung.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit Für die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Pharmakologen und Klinischen Pharmazeuten wurden in einigen Universitäten "Kooperationseinheiten" oder die "Arbeits–gemeinschaft Klinische Pharmazie" formiert. In ihnen finden sich Hochschulpharmazeuten und klinische Mediziner sowie Krankenhausapotheker und Apo–theker aus öffentlichen Apotheken, die meist freiwillig einen Beitrag zur Ausbildung der Studierenden leisten. Allerdings ergibt sich der Kontakt und die Bereitschaft häufig aus persönlichem Interesse an der Klinischen Pharmazie oder an einer Zusammenarbeit mit den Hochschulpharmazeuten. Dabei wird der zusätzliche Arbeitsaufwand in der Regel nicht vergütet.

Der Klinische Pharmakologe Prof. Dr. Dr. Ingolf Cascorbi, Kiel, nannte die Therapieindividualisierung ein klassisches Feld sowohl der klinischen Pharmakologie als auch der klinischen Pharmazie. Genetische Dispositionen und veränderte Arzneistoffkinetiken, z.B. im Alter, erfordern oft eine Dosisanpassung. Hier kann der Pharmazeut auf Station mit seinem Wissen ein kompetenter Ansprechpartner für die Ärzteschaft sein.

Apotheker auf Station Dass ein Lehrstuhl für Klinische Pharmazie keine Voraussetzung für eine kreative und erfolgreiche Umsetzung von Lehrplan–inhalten ist, zeigten die Beispie–le aus Tübingen und Frankfurt. In Tübingen wird seit dem Wintersemester 2004 im Wahlpflicht–fach Klinische Pharmazie eine Praxiswoche mit dem Motto "Tätigkeit eines Apothekers auf Station" für die Studierenden nach dem sechsten und siebten Semester angeboten, wie Privatdozentin Dr. Martina Düfer berichtete. Die Teilnehmer werden eine Woche lang darauf vorbereitet, indem sie u.a. den Aufbau von Patientenakten, relevante Patientendaten und Laborwerte oder die Erstellung von SOAP-Analysen (subjektiv, objektiv, Analyse, Plan) lernen. Weitere Themen sind Informa–tionsbe–schaffung und die Abgrenzung von medizinischen und pharmazeutischen Fragestellungen.

Die Praxiswoche selbst findet in der Inneren Medizin des Diakonie-Klinikums Stuttgart statt und umfasst: Teilnahme an Visiten, Akteneinsicht, persönlicher Kontakt mit Patienten, Patientenschulung (Asthma, Diabetes) und Entlassungsberatung (antikoagulative Therapie).

Nach der pharmazeutischen Betreuung der Patienten und der Kommunikation mit den Ärzten und dem Pflegepersonal fertigen die Teilnehmer eine Abschlusspräsentation an, die anschließend hinsichtlich der ökonomischen Aspekte und der klinischen Relevanz und Durchführbarkeit von Verbesserungsvorschlägen diskutiert wird.

Die hohe Nachfrage bestätigt dieses Angebot, das aber wegen des hohen Arbeitsaufwands nur in der vorlesungsfreien Zeit für wenige Teilnehmer durchgeführt werden kann.

Zusamenarbeit mit externen Experten Aus Frankfurt am Main berichtete Dr. Kristina Leuner über die erfolgreiche Umstellung des Kurses Pharmakologie in ein interdisziplinäres Modell, in dem Krankheitslehre, Pharmakologie und Pharmakotherapie verzahnt gelehrt werden. Es zeichnet sich durch eine intensive Verknüpfung mit Medizin, Industrie, Krankenhäusern, öffentlicher Apo–theke und ZL/DAPI aus. Mehrere externe Experten sind in die Lehre eingebunden, so z.B. Prof. Dr. Henning Blume und Mitarbeiter von Socratec in der klinischen Pharmakokinetik und Mitarbeiter von Sanofi-Aventis in der Pharmakoepidemiologie und -ökonomie. Im Bereich "Krankheitslehre und Pharmakotherapie" arbeiten die Pharmakologen Prof. Dr. Walter E. Müller und Dr. Leuner mit Medizinern aus dem Universitäts-Klinikum Frankfurt und dem Nordwest Krankenhaus zusammen. Apotheker/innen aus der Praxis (Offizin und Krankenhausapotheke) vermitteln den Studenten wichtige Inhalte der pharmazeutischen Betreuung von Patienten.

Auch in Frankfurt ist im Rahmen des Wahlpflichtfaches ein mehrtägiger Besuch auf Station möglich. Die Studenten bewerten das interdisziplinäre Konzept durchweg positiv. Ein Ruf für die ausgeschriebene Professur "Pharmakologie/Klinische Pharmazie" ist erfolgt.

Diplomarbeiten in Klinischer Pharmazie Prof. Dr. Karen Nieber aus Leip–zig berichtete über die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Pharmazie und dem Bundeswehrkrankenhaus in Leipzig. die den Studierenden den Besuch auf Station und in der Ambulanz des Bundeswehrkrankenhauses ermöglicht. In Leipzig können Studierende Diplomarbeiten zu klinisch-pharmazeutischen Themen anfertigen. Deren Ergebnisse werden nicht nur von Pharmazeuten, sondern auch von Ärzten beachtet. Die Zusammenarbeit mit klinischen Einrichtungen in Leipzig soll weiter verstärkt werden, um die Ausbildung noch attraktiver zu gestalten.

POL: Problemorientiertes Lernen Jens Wensing aus Münster referierte über Erfahrungen mit dem problemorientierten Lernen (POL) im pharmakologisch-toxikologischen Demonstrationskurs. Das POL ist gleichwertig zu konventionellen Lehrmethoden, was das Abschneiden bei Examina betrifft, es bietet aber viele Vorteile wie höhere Motiva–tion zum Lernen, ein vermehrtes Langzeitwissen und interdisziplinär vernetztes Lernen. Ein Nachteil des POL ist der hohe Personalaufwand, weil es kleine Gruppen erfordert.

Auf dem Workshop beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe um Hochschuldozent Dr. Georg Hempel, Münster, mit POL im Rahmen des Faches Klinische Pharmazie. Es könnte prinzipiell in den Lehrveranstaltungen Phar–makotherapie, Pharmakoökonomie/-epidemiologie, Krankheitslehre und im Seminar Klinische Pharmazie sowie im Wahlpflicht–fach zur Anwendung kommen, sofern ausreichend Seminarräume, Zugänge zur Literatur und Personal zur Verfügung stehen. Als Tutoren kämen durch Tutorenkurse geschulte Diplomanden, Pharmaziepraktikanten, Doktoranden und praktisch tätige Apotheker in Frage. Inter–disziplinäre Kurse mit Medizinstudenten wären im Fach Pharmakotherapie denkbar, um die Kommunikation zwischen Medizinern und Pharmazeuten schon im Studium zu üben. Kontrollieren könnte man den Erfolg der Teilnahme durch Faktenabfrage, Fallbesprechung oder Tutorenbefragung. Aufgrund von hohem Personal- und Zeitaufwand ist das POL leider nicht überall durchführbar.

Schwerpunkt –Krankheitslehre Eine von Prof. Dr. Karen Nieber geleitete Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit dem Fach Krankheitslehre. Dieses Fach soll die Grundlagen für die Ausbildung in Pharmakotherapie schaffen und deshalb zeitlich vorher positioniert werden. An den Lehrveranstaltungen sollten in jedem Fall erfahrene Ärzte beteiligt werden. Die Studierenden sollen typische Erscheinungsbilder der wichtigsten Erkrankungen – besonders der beratungsintensiven Krankheiten – kennen lernen. Abschließend forderte die Arbeitsgruppe die verstärkte Einbeziehung von Patienten in die Lehrveranstaltungen, um den Pharmazeuten die Krankheitsbilder und die Situation der Patienten besser verständlich zu machen und dadurch auch die Beziehung zwischen Arzt und Apotheker zu verbessern.

Schwerpunkt Pharmakotherapie Die Kooperationseinheit Klinische Pharmazie in Heidelberg stellt die interdisziplinäre Brücke zwischen dem Universitätsklinikum und dem Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie dar. Als Besonderheit stellte Dr. Thilo Bertsche das Intranet-Arzneimittelportal des Universitätsklinikums Heidelberg vor, für das Studenten im Rahmen des Wahlpflichtfaches die Erweiterung "Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit" erstellt haben. Dadurch erhält der Arzt einen schnellen Überblick zu dieser Thematik. Teilnehmer des Wahlpflichtfaches erstellten auch ein Programm zur schnellen Hilfe bei der Auswahl einer angemessenen Schmerztherapie gemäß aktueller Leitlinien.

Juniorprofessor Dr. Christoph Ritter berichtete von der Universität Greifswald, dass dort in Zusammenarbeit mit der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern die Klinische Pharmazie auch als Wahlpflichtfach mit dem Thema "Strategien zur Optimierung der Pharmakotherapie maligner Erkrankun–gen" für zehn Teilnehmer an–geboten werden konnte.

In der Bonner Lehrveranstaltung Pharmakotherapie liegt der Schwerpunkt auf Fallstudien zu wichtigen Erkrankungen und ihrer Therapie; dabei sind neben Ärzten und Apothekern auch die Patienten selbst anwesend. Anders als beim Frontalunterricht können die Studenten hier mit allen Beteiligten diskutieren und interaktiv lernen, wie die Referentin Irina Buß betonte.

Eine von Dr. Kristina Leuner geleitete Arbeitsgruppe zum Thema Pharmakotherapie kam zu dem Ergebnis, dass die durch fehlende Vorgaben und Anhaltspunkte bedingten Unterschiede in der Lehre der einzelnen Hochschulen nicht hinnehmbar seien. Auf den Grundlagen der Krankheitslehre und Pharmakologie sollten Themenblöcke wie ZNS, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, GI-System, Onkologie, Infektionen, Asthma bronchiale/COPD, Schmerz/Rheuma und Haut abgearbeitet werden, und jeder Block sollte exemplarisch mit einer Patientenakte als Fallbeispiel abgeschlossen werden.

Wahlpflichtfach Klinische Pharmazie Das Wahlpflichtfach Klinische Pharmazie stand im Zentrum der Diskussion einer Arbeitsgruppe um Juniorprofessorin Dr. Dorothee Dartsch, Hamburg. Die pharmazeutischen Institute sind hier auf die Kooperation mit Externen im Krankenhaus an–gewiesen. Die Durchführung kann semesterbegleitend oder als Block erfolgen, je nach den Zielen und Anforderungen der Lehrveranstaltung. Mögliche Themen im Bereich Apotheke sind Interaktionsprüfungen, Auswertung von Medikationsprofilen, Austauschbarkeit von Präparaten, Anwendung von Analysenmethoden für klinisch-pharmazeutische Zwecke oder die Interpretation von TDM-Daten. Die Wünsche der Studenten sollten dabei berücksichtigt werden. Zur Erfolgskontrolle kann u.a. eine Präsentation im Plenum oder in Arbeitsgruppen, ein Poster oder ein Abschlussbericht dienen.

Für einheitliche Lehr- und Prüfstandards Langfristig ist für jede Universität mit pharmazeutischer Ausbildung eine Professur für Klinische Pharmazie zu fordern, um einheitliche Lehr- und Prüfstandards und die Chancengleichheit der Studierenden zu gewährleisten. Laut Definition von DPhG und ABDA "ist die Klinische Pharmazie die Disziplin der Pharmazie, die aufbauend auf pharmazeutisch-naturwissenschaftlichen Kenntnissen die Optimierung der Arzneimittel–anwendung am und durch den Patienten zum Inhalt hat". Wer könnte dann besser zu einer Qualitätsverbesserung und -sicherung bei der Therapie beitragen und den Beruf Apotheker besser auf diesem Gebiet profilieren als ein intensiv ausgebildeter klinischer Pharmazeut? Dazu sind nach einhelliger Meinung der Arbeitsgruppen aber noch erhebliche Anstrengungen nötig, um ein einheitliches hohes Niveau in der Lehre zu erreichen.

Die insgesamt 30 Teilnehmer des Workshops lobten die angenehme und konstruktive Atmosphäre im neu sanierten Pharmazeutischen Institut in Kiel sowie die Organisation durch Hochschuldozent Dr. Thomas Kunze, die durch Spenden der Lesmüller Stiftung, der Apothekerkammer Schleswig-Holstein und der Fa. Max Jenne unterstützt wurde.

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