Hochschulnachrichten

Universitäre Ausbildung im Fach Klinische Pharmazie

Die im Oktober 2001 in Kraft getretene novellierte Approbationsordnung schreibt die Klinische Pharmazie als neues fünftes Lehr- und Prüfungsfach im 2. Prüfungsabschnitt vor. Die Umsetzung muss bis Ende des Sommersemesters 2005 abgeschlossen sein. Ab dann soll es an jedem Pharmazeutischen Institut Prüfungen im Fach Klinische Pharmazie geben. Zudem kann Klinische Pharmazie als Wahlpflichtfach angeboten werden. Die aktuelle Lage der Klinischen Pharmazie an den Universitäten und Projekte, Ideen und Perspektiven zum Wahlpflichtfach waren die Themen eines Workshops der Fachgruppe Klinische Pharmazie der DPhG am 5. und 6. September in Würzburg.

Mit der novellierten Approbationsordnung für Apotheker (AAppO), die am 1.10.2001 in Kraft trat, ist das Studienfach Klinische Pharmazie als fünftes Prüfungsfach zu den bereits etablierten pharmazeutischen Fächern Pharmakologie und Toxikologie, Pharmazeutische Chemie, Pharmazeutische Biologie und Pharmazeutische Technologie hinzugekommen. Die pharmazeutische Kompetenz eines Pharmaziestudierenden, der seine spätere berufliche Tätigkeiten z.B. in der Offizinapotheke, Krankenhausapotheke oder der pharmazeutischen Industrie sieht, wird durch das neue Fach um spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten erweitert. Denn es beinhaltet die Optimierung der Arzneimitteltherapie von Patienten.

Stand der Umsetzung

Es wurden unabhängig voneinander zwei Fragebogenaktionen mit unterschiedlichen Fragestellungen durchgeführt, organisiert von der DPhG-Fachgruppe Klinische Pharmazie (PD Dr. Charlotte Kloft, Berlin, Dr. Ulrike Langer und Astrid Karstens, Mainz) bzw. vom Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD, vorgestellt von Matthias Pfannkuche). Geantwortet haben 20 bzw. 19 von 22 Instituten bundesweit.

Die DPhG-Fachgruppe hatte schon letztes Jahr eine entsprechende Fragebogenaktion durchgeführt und auf dem 5. Workshop in Münster vorgestellt. In diesem Jahr werden an 19 der 20 in die Auswertung eingegangenen Institute 42 Lehrveranstaltungen (2003: 31) mit Inhalten der Klinischen Pharmazie angeboten. Davon sind 16 in andere Fächer wie z.B. Pharmakologie integriert. Dies betrifft v.a. die Lehrveranstaltungen, die im vergangenen Jahr hinzugekommen sind. Es ist zu hoffen, dass in den nicht eigenständigen Lehrveranstaltungen die in der Anlage der AAppO genannten Inhalte für das Fach Klinische Pharmazie angemessen im ausreichenden Umfang gelehrt werden.

Die Dozenten der derzeit 42 Lehrveranstaltungen mit Inhalten des Faches sind zu einem Drittel Dozenten der Klinischen Pharmazie, zu einem weiteren Drittel Dozenten anderer pharmazeutischer Fächer (2003: 13%), zu 17% Dozenten der medizinischen Fakultät (2003: 6%) und zu 14% Krankenhausapotheker (2003: 29%). Krankenhausapotheker sind derzeit also weniger als im Jahr 2003 in die universitäre Ausbildung im Fach Klinische Pharmazie integriert.

Die Fragebogenaktion des BPhD ergab, dass 73% der 19 in die Auswertung eingegangenen Institute sich an dem Musterstudiengang orientieren, 11% nur ein Seminar Klinische Pharmazie anbieten und 16% die Strukturierung des neuen Faches noch planen. Alle 19 Institute sind Kooperationen zur Gestaltung des Faches Klinische Pharmazie eingegangen. In jeweils 32% der Institute werden die Studierenden im Rahmen des Kurses oder des Wahlpflichtfaches ein Praktikum auf Station absolvieren können. In 5% der Institute ist dies in Planung, wobei aber 16% solch ein Angebot nicht machen können bzw. wollen.

An zwei Instituten sind Universitätsprofessuren im Fach Klinische Pharmazie, an zwei Universitäten sind Juniorprofessuren, an einem Institut ist eine Honorarprofessur eingerichtet, und an nur zwei weiteren sind Professuren für Klinische Pharmazie ausgeschrieben. Der Wandel und die Veränderungen in der universitären Ausbildung können Chancen eröffnen, die man auch nutzen sollte, so Matthias Pfannkuche (vgl. Student und Praktikant Nr. 7/8, 2004).

Gestaltung des Wahlpflichtfaches

Derzeit gibt es leider erst wenige Universitäten in Deutschland, die Klinische Pharmazie als Wahlpflichtfach anbieten können oder wollen. Wo dies der Fall ist, ist die Gestaltung des Wahlpflichtfachs sehr unterschiedlich und spannend zugleich. Im Durchschnitt, so berichteten die Vortragenden, können pro Institut acht Studenten am Wahlpflichtfach teilnehmen.

In Bonn, wo seit Jahren schon eine Professur für Klinische Pharmazie besteht (Prof. Dr. Ulrich Jaehde) und Lehrveranstaltungen zur Arzneimittelinformation, medizinischen Dokumentation, pharmazeutischen Betreuung, Dosisindividualisierung, Ernährungstherapie, Pharmakoepidemiologie und -ökonomie, zu klinischen Studien und zum Therapeutischen Drug Monitoring angeboten werden, soll pharmazeutische Betreuung im Rahmen des Wahlpflichtfachs angeboten werden. Dabei sollen die Studierenden in Zweier-Gruppen am Krankenbett im Krankenhaus arbeiten oder in der Offizinapotheke u.a. einen Betreuungsplan für den bzw. mit dem Patienten ausarbeiten und die Ergebnisse in mündlicher und schriftlicher Form vorstellen. Wissenschaftliche Mitarbeiter und Apotheker sollen die Studierenden anleiten.

Auch in Würzburg, ebenfalls ein Institut mit Professur für Klinische Pharmazie (Prof. Dr. Petra Högger), soll im Wahlpflichtfach die pharmazeutische Betreuung Themenschwerpunkt werden, da sie viel diskutiert, aber wenig praktiziert wird, so Eric Martin, Apotheker aus Marktheidenfeld. Dort sollen Pharmaziestudenten im 8. Semester die pharmazeutische Betreuung speziell von Diabetespatienten lernen und eine Famulatur in der für das Projekt ausgewählten Apotheke absolvieren; anschließend sollen sie als Pharmaziepraktikanten das theoretische Wissen in die Praxis umsetzen und die Diabetespatienten in die Betreuungsgruppe einschließen. In einem Abschlussbericht sollen sie die Ergebnisse zusammentragen.

In Tübingen sollen die Studierenden im Rahmen des Wahlpflichtfaches eine Woche zusammen mit dem Krankenhausapotheker auf Station gehen, nachdem sie zuvor in einem Seminar die Grundlagen wie z. B. Aufbau der Patientenakte, medizinische Terminologie, Laborwerte, SOAP-Analyse gelernt und Fallbeispiele bearbeitet haben. In der Praxiswoche sollen sie in Zweier-Gruppen bestimmte Patientengruppen, wie z. B. Patienten mit eingeschränkter Nieren- und Leberfunktion, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenerkrankungen, Diabetes mellitus, Antibiotika-, Schmerz- und Marcumar®-Therapie betreuen. Abschließend berichten sie in mündlicher und schriftlicher Form über die Patientenfälle.

Für die Universität Münster hat HD Dr. Georg Hempel zwei Konzepte zur Durchführung des Wahlpflichtfachs vorgestellt. Die Studierenden sollen auf einer ausgewählten Station des Krankenhauses Patientenfälle kennen lernen und bearbeiten, oder sie sollen im Labor ein klinisch-pharmazeutisches Problem bearbeiten bzw. lösen, z.B. Arzneistoffbestimmung mit pharmakokinetischer Auswertung. Das letztere Konzept würde allerdings eine ausreichende Anzahl von Doktoranden in Klinischer Pharmazie voraussetzen. Die Ergebnisse eines Workshops über "Klinische Pharmazie als Wahlpflichtfach" werden in Kürze separat veröffentlicht.

Pharmazeuten am Krankenbett

Die neue Situation, dass der Pharmaziestudierende am Krankenbett ausgebildet wird, wurde aus verschienen Perspektiven beleuchtet.

Aus der Sicht eines Arztes

Der Studierende bzw. der Klinische Pharmazeut und Arzt könnten auf Grund des sich ergänzenden Fachwissens den Patientenfall aus unterschiedlichen Perspektiven angehen und durch eine verbesserte Kommunikation voneinander profitieren, so Dr. med. M. Menzen, Bad Mergentheim. Der Krankenhausapotheker wird in den Stationsalltag eingebunden, nimmt an Visiten teil, unternimmt pharmakologische Visiten und berät den Patienten. Wenn konkrete Fragen auftreten, steht er dem Arzt oder Pflegepersonal zur Verfügung. Daraus resultiert eine individuellere Patientenbetreuung. Der Krankenhausapotheker sollte Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte durchführen, z. B. über galenische Probleme.

Angesprochen wurden auch die Hürden in der Kommunikation, da der Klinische Pharmazeut nicht in der medizinischen Fachsprache ausgebildet wird und er somit einem Gespräch zwischen Medizinern nicht immer ganz folgen kann. Ein weiteres Problem stellt der Zeitfaktor dar. Die Einbeziehung des Klinischen Pharmazeuten in das therapeutische Team kostet auch Zeit, die sich der Arzt oft nicht nehmen kann. Trotz dieser Schwierigkeiten geht aus der Zusammenarbeit zwischen pharmazeutischem und medizinischem Team eine verbesserte Patientenbetreuung her-vor.

Aus der Sicht von Krankenhausapothekern

Damit der Studierende, der Klinische Pharmazeut und der Patient im Aktionsfeld Krankenhaus miteinander arbeiten und voneinander profitieren können, müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein, führte Dr. Cornelia Vetter-Kerkhoff, München, aus. Der Träger des Krankenhauses muss der Zusammenarbeit mit dem Pharmazeutischen Institut zur Ausbildung der Pharmaziestudierenden zustimmen. Das von der Universität beabsichtigte Projekt auf Station sollte bezüglich des Themas und des zeitlichen und personellen Aufwands genau definiert werden. Der Krankenhausapotheker sucht für das Projekt "Studenten auf Station" eine geeignete Station aus.

Es muss für die Station ein Ansprechpartner benannt werden. Auf chirurgischen Stationen könnten die Studierenden z. B. in die Arzneimittelanamnese miteinbezogen werden oder die Dosierung von Arzneimitteln an die Nierenfunktion geriatrischer Patienten anpassen. Die Studierenden könnten zusätzlich "stumm" an Visiten teilnehmen, wodurch die bereits von Dr. Menzen dargestellten Kommunikationsschwierigkeiten abgebaut werden könnten.

Damit die Studierenden auf Station vielseitig und sinnvoll eingesetzt werden können und die Station und/oder die Krankenhausapotheke von der Arbeit der Studierenden profitieren, sollten sie Erfahrungen in fallbezogenem Arbeiten und klinisch-pharmazeutische Kenntnisse mitbringen. Im Rahmen der Stationsarbeit lernen die Studierenden die anderen Berufsgruppen im Krankenhaus kennen, sammeln Erfahrungen mit interdisziplinärer Kommunikation und mit Anwendungsbeispielen in der Praxis. Das pharmazeutische Selbstbewusstein wird damit gefördert. Auf Grund der patientenbezogenen Arbeit auf Station, die das wissenschaftliche Studium mit einer praktischen Arbeit verbindet, erlangen die Studierenden neue Sichtweisen, so Gunnar Ebeling, Aponova, Hamburg.

Gestaltung des Wahlpflichtfachs in den Niederlanden

Das Studium der Pharmazie in den Niederlanden unterscheidet sich grundsätzlich von dem in Deutschland, so Prof. Dr. Katja Taxis, Groningen. Man wird u.a. in angewandter Pharmakotherapie, Kommunikation, Management und Gesundheitssystem ausgebildet, muss vier außeruniversitäre Praktika absolvieren, ein Forschungsprojekt durchführen und das Studium als Master abschließen, um die Approbation zu erhalten. Man kann sich während der Ausbildung spezialisieren, z. B. in pharmazeutischer Betreuung. Einige Dozenten sind zugleich als Krankenhaus- oder Offizinapotheker tätig. Es gibt die Wahlfächer Pharmakoepidemiologie, Pharmakotherapie und Pharmakoökonomie.

Im Rahmen des Wahlfaches Pharmakoepidemiologie arbeitet die Universität mit 40 niedergelassenen Apothekern zusammen. Die Studierenden erstellen unter einer bestimmten Fragestellung ein Studiendesign, definieren die Studienpopulation und werten die anonymisierten Verordnungsdaten der verschiedenen Apotheken statistisch aus.

Im Wahlfach Pharmakotherapie bearbeiten die Studierenden aktuelle unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die an ein regionales Pharmakovigilanzzentrum (Landelijke Registratie Evaluatie Bijwerkingen, LAREB) gemeldet werden. Dabei nehmen sie mit dem Melder der UAW Kontakt auf, bewerten nach Literaturrecherche einen möglichen kausalen Zusammenhang sowie die Relevanz für die Praxis und geben abschließend dem Arzt, Apotheker und/oder Patienten Empfehlungen.

Im Wahlfach Pharmakoökonomie werden pharmakoökonomische Studien anhand der niederländischen Richtlinien beurteilt, eigene Berechnungen pharmakoökonomischer Parameter vorgenommen und Computermodelle erstellt.

Bilanz positiv

Die sehr gelungene Veranstaltung hat gezeigt, dass das Fach Klinische Pharmazie an den einzelnen Standorten weiteren Einzug genommen hat. Dennoch sind zwei Semester vor Abschluss der Umsetzungsphase der novellierten AAppO noch erhebliche Defizite vorhanden. Da an Instituten ohne Professur für Klinische Pharmazie die Lehrveranstaltungen in anderen pharmazeutischen Fächer "untergebracht" werden müssen, ist zu befürchten, dass die Inhalte der Klinischen Pharmazie an manchen Standorten nur sehr partiell vermittelt werden. Für die Gestaltung des Wahlpflichtfachs Klinische Pharmazie wurden verschiedene Ideen und Perspektiven präsentiert und diskutiert, die den Instituten, an denen noch nichts Konkretes geplant ist, zur Orientierung dienen können.

Astrid Karstens, 
Schriftführerin der Fachgruppe Klinische Pharmazie der DPhG

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