DAZ aktuell

Reform-Eckpunkte bleiben umstritten

BERLIN (ks). Die von den Partei- und Fraktionsspitzen der großen Koalition vereinbarten Eckpunkte zur Gesundheitsreform sorgen weiterhin für Unruhe. Vor allem die Ministerpräsidenten der unionsgeführten Bundesländer machen Bundeskanzlerin Angela Merkel derzeit das Leben schwer. So zeigte sich etwa der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) unzufrieden mit dem gefundenen Kompromiss. Seines Erachtens wurden nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um die Beitragssätze zu senken Ų nun hofft er auf Nachbesserungen.

Ungeachtet aller Kritik sollten die Eckpunkte am 12. Juli vom Bundeskabinett formell abgesegnet werden. Wie der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg am 11. Juli mitteilte, wird aus den Eckpunkten während der parlamentarischen Sommerpause in den zuständigen Ministerien – vor allem dem Bundesgesundheitsministerium – ein Referentenentwurf erarbeitet. Steg versicherte erneut, dass der für die Kinder-Mitversicherung vorgesehene Steuerzuschuss von 1,5 Mrd. Euro im Jahr 2008 und von drei Mrd. Euro in 2009 ohne Steuererhöhungen aus dem laufenden Haushalt aufgebracht werden soll. Sollte das Schwierigkeiten bereiten, müsse an anderer Stelle eingespart werden. Steg beteuerte zudem, dass auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) zu den vereinbarten Eckpunkten stehe. Steinbrück hatte zuvor für Verwirrung gesorgt, als er erklärte, dass die prinzipielle Frage der Steuerfinanzierung ist nicht geklärt sei: "Vor dem Ende der Legislaturperiode – entweder 2008 oder 2009 – wird die Frage erneut diskutiert werden müssen", sagte er gegenüber der "Financial Times Deutschland". Für Steinbrück sind Steuererhöhungen also nach wie vor kein Tabu.

Skeptische Ministerpräsidenten Das sieht jedoch so mancher Ministerpräsident anders. Peter Müller betonte im aktuellen "Spiegel", dass die Potenziale für Steuererhöhungen in dieser Legislaturperiode ausgeschöpft seien. Umso wichtiger wäre es daher gewesen, durch Strukturreformen Beitragserhöhungen zu vermeiden. Insbesondere hätte sich Müller eine stärkere Verzahnung ambulanter und stationärer Versorgung gewünscht. Aber auch im Arzneimittelbereich ist man seines Erachtens nicht weit genug gegangen: "In vielen Ländern sind gängige Medikamente ein Drittel oder mehr billiger als in Deutschland", lautet sein Argument. Zudem hätte es Müller zufolge für ein besseres Preisbewusstsein der Versicherten gesorgt, wenn man sich auf ein obligatorisches Kostenerstattungsprinzip hätte einigen können. Auch die Ausgrenzung privater Sportunfälle wäre für ihn "sinnvoller gewesen als eine Beitragserhöhung". Müller sieht aber noch Chancen für Änderungen: "Selbst die Föderalismusreform ist in wichtigen Punkten korrigiert worden, obwohl sie im Koalitionsvertrag fixiert war. Für die Gesundheitsreform kann nichts anderes gelten." Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) meldete sich am vergangenen Wochenende ebenfalls zu Wort und lehnte Steuererhöhungen auch für die nächste Legislaturperiode ab. In diesem Jahrzehnt dürfe man keine weiteren höheren Steuern und Beiträge für den Bürger beschließen, sagte Oettinger im "Deutschlandfunk". Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Kindermitversicherung aus dem Haushalt finanzierbar sein wird.

Auch Dieter Althaus (CDU), Ministerpräsident von Thüringen, übte Kritik: Die Anhebung des Beitrags sei "hoch bedenklich", sagte er dem Handelsblatt.

Merkel glaubt an stabile Beiträge Kanzlerin Merkel verteidigte unterdessen die Beitragsanhebung. Sie sei "nicht unsere Antwort auf die Zukunft, sondern das ist die Summe der Fehler aus vielen vergangenen Jahren". Merkel rechnet damit, dass die Krankenversicherungsbeiträge nach der kommenden Erhöhung über eine längere Phase stabil bleiben werden. Gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" versicherte sie zudem, dass es keine Steuererhöhungen geben werde: "Deswegen müssen wir den Weg, die Krankenversicherung der Kinder über Steuern zu finanzieren, langsamer gehen." Den Vorwurf aus der SPD, sie sei "wortbrüchig", wies die Kanzlerin zurück: "Steuergeld verwenden zu wollen ist nicht gleichbedeutend mit Steuererhöhung", erklärte sie. Rückendeckung erhielt Merkel unter anderem von Kanzleramtsminister Thomas de MaiziŹre (CDU): Der einmalige Anstieg der Kassenbeiträge sei zwar eine "bittere Pille", doch dafür werde die Gesundheitsreform mit ihren Strukturveränderungen "rund zehn Jahre tragen", sagte er der "Welt". Die Vorstellung, dass man die dramatische Staatsverschuldung ohne jede Belastung des Bürgers in den Griff bekommen könne, sei falsch: "Ein solches System lässt sich nicht sanieren, ohne jemandem wehzutun." Auch Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach bemühte sich, Ruhe in die hitzige Diskussion zu bringen. Er rief seine Partei auf, den Kompromiss zur Gesundheitsreform nicht mehr in Frage zu stellen. Wenn nach monatelangem Ringen endlich ein Ergebnis erreicht worden sei, "dann sollte man dieses Ergebnis auch offensiv vertreten". Bosbach sagte im RBB: "Wenn wir dauernd unsere eigenen Beschlüsse in Frage stellen, dann können wir nicht ernsthaft erwarten, dass die Menschen zu dieser Koalition immer mehr Vertrauen fassen."

Auch in der SPD wünscht man sich Änderungen Auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) verteidigte die Einigung: "Es wird eine ganze Menge im System verändert, die Reformen stärken die Solidarität". Mit dem neuen Gesundheitsfonds werde ein "gutes Gerüst" geschaffen, das auch eine spätere Einbeziehung der privaten Krankenkassen in das System möglich mache. Damit kam sie der SPD-Linken näher, die in der vergangenen Woche ebenfalls Korrekturen am Gesundheitskompromiss gefordert hatte. Andrea Nahles & Co. geht es dabei weniger um die Beitragssteigerungen als vielmehr darum, das die PKV nicht in den Gesundheitspool einbezogen wird.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.