DAZ aktuell

Arzneimittelversorgung: Keine Revolutionen in Sicht

BERLIN (ks). Seit langem klagen vor allem Ärzte und Krankenkassen über zu viel Bürokratie und zu wenig Transparenz im Gesundheitswesen. Insbesondere die vielen Reglementierungen zur Arzneimittelversorgung machen den Betroffenen zu schaffen. Dennoch sind die Hoffnungen begrenzt, dass der Arzneimittelmarkt in absehbarer Zeit entrümpelt wird. Nach dem Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) erwarten die Wenigsten, dass es im Rahmen der anstehenden Gesundheitsreform zu einen großen Wurf im Arzneimittelsektor kommen wird.

Selbst alte Hasen im Gesundheitswesen haben ihre Probleme mit den vielen verschiedenen gesetzlichen Vorgaben, die sich nahezu im Jahrerhythmus verändern. Vor allem der Arzneimittelbereich zeichnet sich durch eine Flut von Regulierungen aus. Die Absätze des SGB V werden immer länger, die eingefügten Paragraphen und Querverweise zahlreicher – auf der Strecke bleibt der Durchblick. So steht die überbordende Bürokratie auch im Zentrum der derzeitigen Ärzteproteste. Die Krankenkassen klagen ebenfalls. Für BKK-Chef Wolfgang Schmeinck liegt das Problem allerdings weniger in den Steuerungsinstrumente selbst: Es gebe keinen Mangel an guten Ideen für die Arzneimittelversorgung, wohl aber in Umsetzungsproblem, sagte er auf einer Diskussionsveranstaltung am 29. März in Berlin. Nötig sei es daher, das Gesetzeswerk einmal gründlich zu durchforsten.

Arzneimittelpreisverordnung im Visier der Kassen

Christopher Hermann, Vorstand der AOK Baden-Württemberg, sieht das ähnlich und hat auch eine Vision davon, wie das "gnadenlos überreglementierte" Arzneimittelsystem angepackt werden sollte: Anfangen sollte man bei den Apotheken – bei der "administrierten Preiskultur" durch die Arzneimittelpreisverordnung. Dann, so Hermann, bräche allerdings ein "Apothekenzunftwesen aus dem Spätmittelalter in sich zusammen". Das wäre für den AOK-Vorstand zwar eine echte "Revolution" – allerdings hält er es für wenig wahrscheinlich, dass sich eine Regierungskoalition so weit vor wagen würde. Auch Schmeinck gibt sich nicht so revolutionär wie sein AOK-Kollege. Er würde allerdings gerne mit Apotheken bzw. Apothekenketten in Preisverhandlungen einsteigen – dies erscheint im sinnvoller als sich mit dem Hersteller auseinander zu setzen: "Wenn ich mir ein Auto kaufe, verhandle ich doch auch nicht mit dem Hersteller, sondern mit dem Verkäufer". Dann bräuchte man auch kein staatlich reguliertes Preissystem mehr und die Rabattstreitereien hätten ein Ende. Der CDU-Abgeordnete Wolf Bauer hält das für eine gute Idee – es müssten ja nicht gleich Ketten sein, Zusammenschlüsse von Apotheken tun es aus seiner Sicht auch.

Ruhepause für den Arzneimittelbereich?

Dennoch ist zweifelhaft, dass eine große Reform des Arzneimittelmarktes vor der Tür steht. Mehr Reglementierung ist für die meisten kaum noch vorstellbar. Auf wirklich einfache, wirksame Instrumente mögen die Kassen zwar hoffen, die Erwartungen sind aber nicht sehr groß. Selbst die Verfasser der Gesetze im Bundesgesundheitsministerium sehen eine Ruhepause in der Arzneimittelpolitik kommen. Ulrich Dietz, im Ministerium maßgeblich für das AVWG verantwortlich, sagte am 4. April in Berlin, er rechne nicht damit, dass die große Gesundheitsreform das Arzneimittelsystem erneut aufgreift. Er weiß selbst am besten, wie viele neue komplexe Regelungen das jüngste Spargesetz enthält.

Initiative für Bürokratieabbau

Ulla Schmidt will allerdings etwas gegen die beklagte Bürokratie unternehmen. Wie ihr Sprecher Klaus Vater am 3. April in Berlin mitteilte, wird es am 10. April auf Initiative der Ministerin zu einem Treffen von Vertretern von acht Ärzte- und zwei Kassenverbänden sowie zwei einzelnen Ärzten kommen. Bis zur Sommerpause sollen sie überflüssige oder hindernde bürokratische Vorgaben benennen. Sollte Handlungsbedarf für den Gesetzgeber entstehen, würde dieser in die anstehenden Reformvorhaben eingespeist werden, sagte Vater.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.