Rürup-Kommission: Rürups Sparvorschläge rufen wenig Begeisterung hervor

Berlin (ks) Die ersten Vorschläge der Rürup-Kommission zur Rettung des deutschen Gesundheitswesens haben in der Regierungskoalition und den gesetzlichen Kassen zu verhaltener Zustimmung mit Kritik im Detail geführt. Opposition und Pharma-Industrie reagierten hingegen mit deutlicher Ablehnung.

Die Grünen begrüßen die Vorschläge grundsätzlich: die kurzfristigen Maßnahmen entsprächen weitgehend den Plänen der Bundesregierung. Für "keine gute Idee" hält die gesundheitspolitische Sprecherin Birgitt Bender jedoch den Vorschlag, OTC-Präparate künftig aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu streichen: Rezeptpflicht entscheide über die Frage, was gefährlich und nicht was von Nutzen sei. Hinsichtlich der Reform der Finanzierungsgrundlagen geben die Grünen Lauterbachs Bürgerversicherungsmodell den Vorzug, da es schrittweise realisiert werden könne.

Seehofer: "erbärmliches Ergebnis"

Die führenden Gesundheitspolitiker der CDU/CSU-Fraktion – Horst Seehofer, Andreas Storm, Annette Widmann-Mauz und Wolfgang Zöller – werfen der Rürup-Kommission hingegen Versagen vor. Sie habe die selbst gesteckten hohen Erwartungen, ein zukunftsweisendes Konsensmodell zu entwickeln, nicht ansatzweise erfüllt. Nach Auffassung der Union wird keines der beiden vorgestellten Modelle den Herausforderungen gerecht. Zudem seien die vorgeschlagenen Akutmaßnahmen sozial unausgewogen und in sich widersprüchlich, da sie einseitig die Kranken zusätzlich belasteten. Tiefergehend beschäftigen will sich die Union mit den Vorschlägen der Kommission nicht – zu unsicher sei, ob sie überhaupt von der Regierung aufgegriffen würden. Möglicherweise reiche die Halbwertszeit der Vorschläge "noch nicht einmal bis Pfingsten".

Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Wolfgang Gerhard wirft der Kommission fehlenden Mut zu nachhaltigen Vorschlägen vor. Die Sparideen ließen viele Fragen offen. Wirkliche Wettbewerbselemente, Transparenz und mehr Entscheidungsmöglichkeiten für die Versicherten fehlten.

Gespaltenes Echo bei den gesetzlichen Kassen

Auf weitgehende Zustimmung treffen die Vorschläge beim AOK-Bundesverband, der die Kassen der Ortskrankenkassen gerne entlastet sähe. Kritisch bewertet der AOK-Vorstandsvorsitzende Hans Jürgen Ahrens allerdings die Idee, Zuzahlungen zu erhöhen. Ahrens: "Die Wirkung von Zuzahlungserhöhungen verpufft, wenn nicht gleichzeitig auch die Härtefallregelungen reformiert werden."

Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) reibt sich vor allem an dem Vorschlag, nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel aus der Erstattungspflicht herauszunehmen. "Die pauschale Streichung dieser Leistungen ist in vielen Fällen problematisch und ökonomisch wenig sinnvoll", erklärte der Vorsitzende des BKK-Bundesverbands Wolfgang Schmeinck. Vor allem Kinder und chronisch Kranke würden von der Regelung getroffen. OTC-Präparate durch verschreibungspflichtige Arzneimittel zu ersetzen hieße "mit Kanonen auf Spatzen zu schießen".

Ersatzkassen-Chef Herbert Rebscher bewertet die vorgeschlagenen Maßnahmen im Arzneimittelbereich hingegen positiv. Probleme hat er mit der geplanten Arztgebühr: Er fürchtet, dass so notwendige Arztbesuche und damit auch Krankheiten verschleppt würden.

Heftige Kritik seitens der Industrie

Mit großem Unverständnis reagieren die Pharma-Verbände auf die Kommissions-Vorschläge: Henning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) bezeichnet sie als "saft- und kraftlos". Statt Perspektiven einer wirklichen Reform aufzuzeigen, habe sich die Kommission darauf beschränkt, den von Schmidt eingeschlagenen Weg hin zu mehr Staatsmedizin zu bestätigen. Fahrenkamp:"Der Berg kreiste und gebar eine Maus!" Insbesondere kritisierte er die Unterstützung der Kommission für staatliche Preisfestsetzungen im Arzneimittelbereich sowie die Ausgrenzung von OTC-Präparaten aus der GKV-Erstattung.

Auch der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) reagierte ablehnend: "Deutschland braucht keine faulen Kompromisse zerstrittener Kommissionen, sondern endlich eine Blaupause für eine Gesundheitsreform, die diesen Namen verdient" kommentierte VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer das Kompromiss-Ergebnis. Die Kommission habe das Ziel der Bundesregierung nicht erreicht. "Sie hat stattdessen den Ball an die Politik zurückgespielt", so Yzer.

Der Deutsche Generikaverband fürchtet durch die Aufhebung der Preisbindung für Generika statt Einsparungen ein "Preischaos und Intransparenz". "Wenn jetzt die Rürup-Kommission mit dem Abschaffen der festgelegten Handelsspannen liebäugelt, dann will sie damit offensichtlich den Apothekern ans Leder", erklärt Verbands-Chef Thomas Hummels, "dieses bei ohnehin niedrigpreisigen Arzneimitteln zu versuchen, ist politisch motiviert und unseriös". Die erhofften 2 Mrd. Euro an Einsparungen bezeichnete er als "faktenlose Luftbuchungen". Hummels kritisierte, dass OTC fälschlicherweise mit nicht "nicht so wichtig" gleichgesetzt werde. Als Folge prognostiziert er die Förderung von Scheininnovationen.

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