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Der falsche Weg

Die Beratungen zur nächsten Gesundheitsreform laufen auf Hochtouren. Die Beteiligten halten sich an das Stillhalteabkommen, allenfalls aus Randbemerkungen kann man erahnen, welche Bereiche im Gesundheitswesen auf der Liste der Änderungen stehen. Klar ist nur: Die Verhandlungen stehen unter einem starken Zeitdruck (O-Ton Merkel: "Erfolgsdruck und Erfolgsnotwendigkeit"). Bis zur Sommerpause sollen Eckpunkte vorliegen. Das hört sich nicht gut an, denn unter Druck und Zeitnot kommt oft nichts Gutes raus. Äußerst beunruhigend waren Äußerungen des Grünen-Chefs Bütikofer, der in der vergangenen Woche beklagte, dass sich die Arbeitsgruppe wegen des Widerstands der Union bislang nicht auf eine Liberalisierung des Apothekenmarktes habe einigen können. Wörtlich: "Es ist richtig, dass die Union noch nicht bereit ist, das Fremd- und Mehrbesitzverbot von Apotheken aufzugeben." SPD und Grüne wollen demnach den Fremd- und Mehrbesitz bei Apotheken zulassen. Einem Bericht im Handelsblatt zufolge verspricht sich die SPD davon, dass auch große Unternehmen "wie der Arzneimittelgroßhändler Gehe ins Apothekengeschäft einsteigen und über Kettenapotheken Bewegung in die Preisgestaltung kommt" (was weiß die SPD über die Strategie von Gehe?). Solche Sätze machen mehr als stutzig – die Melange aus Zeitdruck, Kompromissdruck, Verhandlungspoker, Wettbewerbshysterie und schlichtweg Unkenntnis des Apothekenmarktes sowie Ignoranz der Erfahrungen, die andere Länder mit Apothekenketten und Fremdbesitz gesammelt haben, machen mir Angst. Wie SPD-Äußerungen weiter zu entnehmen ist, habe die Möglichkeit zur Filialisierung nicht zur erhofften Belebung des Apothekenwettbewerbs geführt. Das ist so nicht richtig. Wettbewerb zwischen Apotheken findet sehr wohl und intensiv statt – aber weniger über den Arzneimittelpreis. Wenn Politiker unter Wettbewerb sichtlich nur sinkende Preise und Preiskämpfe verstehen, dann liegen sie bei Apotheken daneben. Zum einen ist der Spielraum dazu angesichts der Apothekenmargen sehr begrenzt und mit dem Wegfall der Rabatte bei Rx noch enger geworden, zum andern bedeutet Wettbewerb auch, sich auf Angebot und Nachfrage einzustellen. Würde sich die Politik tatsächlich für Ketten und Fremdbesitz entscheiden, ist dies keine Garantie für billigere Arzneipreise – ein Blick auf norwegische oder englische Ketten, aber auch zum Media-Markt zeigt, dass Ketten und für vermeintlich billige Preise bekannte Unternehmen nur punktuell güns–tige Lockvogel-Preise haben – das restliche Sortiment ist gleich teuer oder sogar teurer. Ketten und Fremdbesitz sind eindeutig der falsche Weg. Peter Ditzel

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