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Sparvorschlag des Ärzte-Präsidenten in der Kritik

BERLIN (ks). Wer sich durch schlechte Lebensgewohnheiten dem Risiko einer Erkrankung aussetzt, sollte besser über gesundheitsbewusstes Verhalten aufgeklärt werden als Medikamente zu Lasten der gesetzlichen Kassen verordnet bekommen. Diesen Vorschlag zur Senkung der Arzneimittelausgaben unterbreitete am vergangenen Wochenende der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Jörg-Dietrich Hoppe – und stieß damit auf wenig Verständnis bei Politikern und Krankenkassen.

Hoppe erklärte in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom 3. September, dass es Patienten gebe, die ihre Krankheit durch eine Änderung der Lebensgewohnheiten in den Griff bekommen könnten – etwa durch Bewegung, Verzicht auf Alkohol und Tabak, autogenes Training und manches mehr. "Stattdessen nehmen sie aber aus Bequemlichkeit lieber Pillen – etwa gegen den Bluthochdruck", so der BÄK-Präsident. In solchen Fällen sollten die Arzneien überwiegend oder ganz vom Versicherten bezahlt werden. "Denn das ist originäre Eigenverantwortung", argumentiert Hoppe. Voraussetzung sei allerdings, dass die Patienten ausführlich beraten und die Ärzte hierfür angemessen honoriert werden. Der Ärztepräsident ist überzeugt, dass sich eine solche Gesundheitsberatung auch für die Kassen rechnet – "weil die Patienten dann gesünder werden und weniger Arzneien benötigen".

Arzt soll nicht zum Gesundheitspolizisten werden

Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums wies Hoppes Idee zurück: Es sei "falsch", wenn dieser behaupte, eine ausführliche Beratung von Patienten werde nicht oder nicht genügend honoriert. Der Leistungskatalog der Krankenkassen sehe eine ausführliche und honorierte Beratung von Patienten vor. Zudem müssten Ärzte nach dem Vorschlag ihres Präsidenten "so etwas wie eine Gesundheitspolizei" werden, die über den Lebenswandel der Patienten zu wachen hätten. Das sei nicht möglich. Ähnlich äußerte sich die SPD-Gesundheitspolitikerin Andrea Nahles. Sie warf Hoppe "Vorstellungen aus dem medizinischen Tollhaus" vor. Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Krista Sager, sagte, es sei zwar grüner Ansatz, die Prävention zu stärken und durch verstärkte Aufklärung und Anreize eine gesündere Lebensweise zu unterstützen, "ein Entzug von Kassenleistungen, wie ihn Herr Hoppe ins Spiel bringt, ist aber ein inakzeptabler Weg und geradezu unmenschlich." Der Chef des IKK-Bundesverbands, Rolf Stuppardt, forderte Hoppe auf, lieber wieder gemeinsam mit den Krankenkassen nach einer Lösung für die steigenden Arzneimittelausgaben zu suchen. Auch er hält den Vorschlag des Ärztepräsidenten für nicht umsetzbar.

Thomae hat Verständnis

Zuspruch erhielt Hoppe vom scheidenden Gesundheitsexperten der FDP-Bundestagsfraktion Dieter Thomae. Er sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Ausgabe vom 4. September), der Ärztepräsident habe mit seinem Vorschlag ein zentrales Thema künftiger Gesundheitspolitik aufgegriffen: Prävention – einschließlich der Umstellung gesundheitsschädlicher Lebensgewohnheiten – sei ein wichtiger Schlüssel, um die Beitragssätze stabil zu halten. Wer sich der Vorsorge verweigere, müsse mittel- und langfristig eine höhere Eigenbeteiligung oder höhere Beitragssätze akzeptieren, erklärte Thomae.

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