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Schwarzerde: der Boden des Jahres

Die Schwarzerde ist der Boden des Jahres 2005. Sie ist wegen ihrer Fruchtbarkeit die "Legende" unter den Ackerböden und der wichtigste Weizenboden der Erde. Zudem ist sie auch kulturhistorisch wertvoll.

Alle Böden haben eines gemeinsam - man sieht sie nicht. Ein wogendes Weizenfeld, ein dunkles Moor oder eine liebliche Au stehen auf sehr verschiedenen Böden, ohne deren typisch Eigenschaften sie so nicht existieren können. Um einen Boden zu erkennen, muss sich der Interessierte in den Untergrund eingraben. Deshalb sind Böden nicht besonders spektakulär. Sie nehmen aber eine entscheidende Stellung im Naturkreislauf ein.

Die Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft (DBG) und der Bundesverband Boden (BVB) haben sich mit der Aktion "Boden des Jahres" zum Ziel gesetzt, das Bewusstsein für den Boden als wichtige Lebensgrundlage zu schärfen und auf die Gefährdung der Böden weltweit aufmerksam zu machen. Sie haben nun die Schwarzerde zum ersten Boden des Jahres gekürt.

Dynamische Systeme

Der Boden entscheidet über den Bewuchs und damit über Flora und Fauna; er ist Teil eines jeden Ökosystems und wird zugleich von ihm umgestaltet. Die wesentlichen Elemente, die - teilweise in Wechselwirkung - zur Bodenentwicklung beitragen, sind das Ausgangsgestein, die Schwerkraft, die Morphologie der Landschaft, Flora und Fauna sowie das Klima, von dem wiederum die Menge des Grund- und Oberflächenwassers abhängen. Diese Faktoren sorgen für eine immerwährende Umwandlung und Verlagerung der Stoffe, die schließlich zur Ausbildung eines geschichteten Bodens führen. Es entstehen mehrere Bodenhorizonte, vom Oberboden bis hinunter zum Ausgangsgestein.

Böden sind dynamische Systeme, die sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln. Seit etwa 10.000 Jahren verändert sie auch der Mensch durch seine Inkulturnahme und Bearbeitung: Entwaldung, Abtorfung, Terrassierung, Be- oder Entwässerung, Beweidung oder Anbau von Kulturpflanzen mit Pflügen, Eggen und Nährstoffentzug (Ernte) bzw. -zufuhr (Düngung). Die schiere Größe heutiger Fluren macht die Böden zudem anfällig für Wind- und Wassererosion.

Der Mensch lebt schon lange nicht mehr in einer Natur-, sondern in einer Kulturlandschaft. Doch die agrarische Revolution seit den 1950er-Jahren beschleunigt die Degradierung, Abtragung und auch Vergiftung der Böden weltweit. Böden rücken deshalb immer stärker in den Blick, wenn es darum geht, die Natur und die Lebensgrundlage des Menschen zu erhalten.

Ziesels Meisterstück

Die Entstehung der Schwarzerdeböden reicht mehr als 10.000 Jahre zurück bis in wärmere Abschnitte der ausklingenden letzten Eiszeit. Das Ausgangsmaterial war Löss: feines, vom Wind abgelagertes mineralisches Material. Es herrschte damals ein ausgeprägt kontinentales Klima mit sehr kalten Wintern und heißen, trockenen Sommern. Unter diesen extremen Witterungswechseln gedieh eine baumarme Steppenvegetation. Gräser wie Federgras (Stipa), Schillergras (Koeleria) und Schwingel (Festuca) bildeten im Frühjahr und Frühsommer sehr viel Biomasse, die im Spätsommer verdorrte und in der kalten Jahreszeit nur teilweise mikrobiell zersetzt und abgebaut (mineralisiert) wurde. Steppenbewohner wie Hamster (Cricetus cricetus) und Ziesel (Citellus-Arten), die in ihren tiefgründigen Gang- und Hohlraumsystemen den extremen Klimaschwankungen auswichen, arbeiteten die übrige Biomasse gemeinsam mit Regenwürmern in den Boden ein.

Diese Wühlerei sorgte über die Jahrhunderte für eine gründliche Anreicherung des Untergrundes mit organischem Material. In der Bodenkunde spricht man von der Bioturbation des Bodens. Die Tiere der Steppe legten damals den Grundstein für die legendäre Fruchtbarkeit der späteren Schwarzerden. Noch heute sind die alten Gangsysteme von Hamster und Ziesel an den Bodenprofilen der Schwarzerde erkennbar. Man nennt sie Krotowinen.

Hohe Feldkapazität

Auffälligstes und wichtigstes Merkmal der Schwarzerde ist der mehr als einen halben Meter dicke dunkle, weil humose Bodenhorizont, der direkt auf dem carbonathaltigen Löss liegt. Der Humusanteil beträgt drei bis sechs Prozent und ist sehr fein verteilt. Er gibt der Schwarzerde die charakteristische Färbung, die für eine raschere Erwärmung im Frühjahr sorgt und damit die Vegetationsperiode verlängert.

Das riesige Porenvolumen von etwa 50 Prozent gewährleistet eine große Speicherfähigkeit des Bodens. Er kann 200 mm Niederschlag (200 l/m²) mühelos aufnehmen. Überschüssiges Wasser versickert nach heftigen Regenfällen über die groben Bodenporen zügig im Untergrund und schafft wieder Raum für nachströmende Bodenluft. Die feinen Poren wirken gegenteilig: In ihnen wird viel Wasser gespeichert, das den Pflanzen auch in längeren Trockenperioden das notwendige Nass zur Verfügung stellt. Daraus resultiert für die Pflanzen eine sehr hohe nutzbare Feldkapazität. Zwar kann ein Torfboden ebenfalls sehr viel Wasser speichern, dieses liegt aber stark gebunden vor, sodass der Boden trotz der großen Wassermenge nur eine niedrige nutzbare Feldkapazität hat.

Mit pH-Werten zwischen 5 und 7 liegen Schwarzerden im günstigsten Bereich. Nährstoffe werden weder ausgewaschen noch festgelegt, sondern stehen den Pflanzen uneingeschränkt zur Verfügung.

Schützenswerte Relikte

Aufgrund der paläöklimatischen Entstehungsbedingungen sind Schwarzerden besonders weit in den nordamerikanischen Prärien, in der Ukraine, Südrussland, Kasachstan und Nordostchina verbreitet. In Deutschland finden wir sie großflächig in der Magdeburger Börde, im Thüringer Becken, in Rheinhessen und in der Hildesheimer Börde. Bereits vor 5000 Jahren waren sie voll entwickelt.

Während in Nordafrika, auf Grönland und Island, besonders aber in Ostasien die Lössablagerung und teilweise auch die Schwarzerdebildung noch heute voranschreiten, sind Schwarzerden in Deutschland nur noch als Relikte eines vergangenen Klimas vorhanden. Dass es sie heute überhaupt noch gibt, ist der Inkulturnahme der Böden im Neolithikum zu danken. Die frühen Bauern verhinderten damals das Vordringen des Waldes, als es in Europa feuchter wurde.

Die meisten Schwarzerden entwickelten sich - mit Übergangsformen - zu Parabraunerden, auf wasserundurchlässigen Untergründen auch zu Pseudogley-Böden weiter. Heute gibt es in Deutschland noch etwa 11.000 Quadratkilometer Schwarzerde (Tab. 1). Das entspricht etwa fünf Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Die Schwarzerde ist nicht nur ein hervorragender Ackerboden, sondern auch ein Archiv der Kulturgeschichte. Denn die Ackerbauern des Neolithikums haben in ihr ihre Spuren hinterlassen, die es zu erforschen gilt. Wie alle Böden ist auch die Schwarzerde weltweit von Erosion, Desertifikation, Bodenverdichtung, Versalzung, Schadstoffbelastung und Flächenverbrauch bedroht. Auch aus diesem Grund muss sie geschützt werden. 98% unserer Nahrung wird über den Boden erzeugt. Ein gesunder Boden reinigt das Wasser und sorgt für einen ausgeglichen Spurengashaushalt in der Atmosphäre. Dennoch gehen jährlich 7 Mio. ha landwirtschaftlicher Nutzfläche weltweit verloren (Tab. 2). In Deutschland werden täglich 130 ha Bodenfläche versiegelt.

Dr. Uwe Schulte
Händelstraße 10,
71640 Ludwigsburg
schulte.uwe@t-online.de

Literatur
Scheffer/Schachtschabel: Lehrbuch der Bo- denkunde. Enke, Stuttgart.

Tschernosem

Die Pioniere der Bodenkunde waren Russen. Schwarzerde ist die wörtliche Übersetzung des russischen Wortes Tschernosem (sprich: Tschernosjóm). Im FAO-System (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) steht Tschernosem nur für die mit über 80 cm besonders mächtigen Schwarzerden, z. B. in der Ukraine. Die mitteleuropäischen, oft degradierten Schwarzerden werden dagegen als Phaeozeme bezeichnet. Im US-System gehören die Schwarzerden zu den Mollisolen.

Löss

Löss (wahrscheinlich alemannisch für locker) ist ein aus Trocken- und Kältewüsten angewehtes mehlfeines Sediment, das zu zwei Dritteln aus Quarz, zu etwa einem Drittel aus Kalk und Silicaten besteht. Löss bedeckt etwa zehn Prozent der Landoberfläche der Erde. Aus Löss entstanden je nach den klimatischen Gegebenheiten unterschiedliche Böden. Im Idealfall ist Schwarzerde daraus geworden.

Bodenwertzahl 100

Das monoton wirkende Landschaftsbild der Magdeburger Börde entstand in der Eiszeit, als ein Eispanzer das Land glatt hobelte. Danach wurde eine bis zu 2 m mächtige Lössschicht angeweht, die sich durch die folgende Steppenvegetation in tiefgründige, fruchtbare Schwarzerde umwandelte und heute vorwiegend Zuckerrüben und Weizen trägt. Als 1934 in Deutschland die amtliche Bodenschätzung begann, erhielt eine Schwarzerde in Eickendorf im Landkreis Schönebeck die maximale Bodenwertzahl 100. Sie ist die Bezugsgröße aller Böden Deutschlands.

Etymologisches

Die enge Bindung des Menschen an den Boden ist auch an der Wortverwandtschaft sichtbar. So haben das lateinische homo (Mensch), das althochdeutsche gomo (Mensch/Mann) und das lateinische humus (Erdboden) dieselbe indogermanische Sprachwurzel.

Melanchthon

Schwarzerd ist auch ein Familienname. Ein besonders begabter Träger dieses Namens, der bereits mit 21 Jahren Professor der griechischen Sprache an der Universität Wittenberg wurde, übersetzte seinen Namen ins Griechische: Philipp Melanchthon (1497 - 1560).

Schwarzerde im Netz

Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft www.dbges.de Schöne Bilder www.bodennetzwerk.de Böden im Unterricht http://hypersoil.uni-muenster.de Der Boden lebt www.bodenwelten.de Bodenbewusstsein www.munlv.nrw.de/sites/arbeitsbereiche/ boden/veroeffent.htm

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