Management

J. Birkle, R. HerzogStreitgespräch: Kooperationen b

Ist es für mich als Apotheker von Vorteil, einer Kooperation beizutreten, oder begebe ich mich in Abhängigkeiten, die sich eher nachteilig auf meine Apotheke auswirken? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht leicht, da dieses Thema sehr komplex ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Befürworter auf die Chancen hinweisen, die mit einer Machtkonzentration verbunden sind, während die Gegner eher die Risiken im Visier haben und beispielsweise eine zu große Einschränkung der unternehmerischen Freiheit befürchten. Im Rahmen unserer Serie haben wir für eine Pro- und Contradiskussion zwei Meinungen eingeholt, die uns für das jeweilige Lager typisch erscheinen. Als Befürworter nennt Joachim Birkle, Betriebswirtschaftler und Geschäftsführer der Kooperation Sympateam, die Gründe, die gerade zum jetzigen Zeitpunkt für Kooperationen sprechen. Dagegen warnt der renommierte Fachjournalist und Apotheker Dr. Reinhard Herzog vor einem unüberlegten Beitritt und rät zur Gelassenheit.

Die Veränderungen der Rahmenbedingungen werden von Apothekern vermutlich deshalb als so schwer einschätzbar empfunden, weil sie spüren, dass das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenkassen (GMG) zwar kaum Veränderungen im pharmazeutischen Bereich mit sich bringt, aber signifikante Auswirkungen auf das Rollenverständnis des Apothekers hat – die Prioritäten werden in der Zeit des Umbruchs neu zu gewichten sein: Die unternehmerischen Aufgaben treten in den Vordergrund.

Eine zentrale Aufgabe eines Unternehmers besteht in der Entwicklung von Unternehmensstrategien. Dies bedeutet auch, sich heute Gedanken über die weitere Zukunft zu machen. D. h. ähnlich wie beim Schachspiel ist nicht der kommende Zug nur "in sich" von Bedeutung, sondern es kommt auf die Möglichkeiten an, die mir dieser Spielzug für die darauf folgenden Züge bietet.

Die Veränderungen, die sich im Zusammenhang mit dem GMG ergeben, wie beispielsweise Preisspannenverordnung OTC, teilweise Aufhebung des Mehrbesitzverbotes etc. zwingen zum Handeln: Dabei ist es schon der Umfang der Aufgaben, die zwangsläufig zu der Frage führen, ob das optimale Ergebnis tatsächlich in jedem Fall durch den Apotheker vor Ort erreicht werden kann.

Erschwerend kommt hinzu, dass Marketing und betriebswirtschaftliche Fragestellungen die Kernkompetenzen des einzelnen Apothekers bisher nicht unbedingt berührten. Nehmen wir das Beispiel OTC-Preiskalkulation: Die Thematik des Kalkulierens war bisher kaum gegeben (zwischen ein und fünf Prozent Freiwahlumsatz).

Welche Auswirkungen hatten hier Fehlkalkulationen, nicht vorhandene Organisationsabläufe, die Analyse des Wettbewerber-Umfeldes (Supermarkt, Drogerie etc.)? Wenn wir ehrlich sind, bereiteten hier selbst die größten unternehmerischen Fehler kaum Schmerzen – die Preisspannenverordnung von über 95 Prozent des Umsatzes sicherte den Rohertrag.

Je nach Apothekentypus wird in Zukunft zwischen 15 und 50 Prozent Umsatz im Bereich Freiwahl inklusive OTC selbst kalkuliert werden müssen. Dies bedeutet: Künftige Fehler auf diesem Gebiet werden sich massiv auswirken. Schon alleine dieser eine Punkt aus einer ganzen Palette von Stichworten macht deutlich, dass es eine fast zwangsläufige Konsequenz ist, in einer solch bedeutenden Situation einen Fachmann zu Rate zu ziehen.

Bedenkt man, dass es daneben noch weitere "Baustellen", wie veränderten Wettbewerb durch die teilweise Auflösung des Mehrbesitzverbotes und durch Verhandlungen mit Krankenkassen und Lieferanten gibt, wird nachvollziehbar, dass das bessere Ergebnis durch eine gut aufgestellte Kooperation, die auf die entsprechenden Fachleute zurückgreifen kann, geleistet wird.

Apotheker, die sich einer Kooperation anschließen, handeln zeitgemäß: Auch in anderen Branchen bilden sich wie selbstverständlich unternehmerische Strukturen unter den Stichworten "Outsourcing" und "Delegieren von Verantwortung" heraus. Der Grund, dass diese Stichworte nicht umsonst Konjunktur haben, ist schlicht die Möglichkeit, damit eine Leistungs- und Kompetenzsteigerung herbeizuführen.

Um zum strategischen Denken zurückzukommen: Neben den oben beschriebenen offensichtlichen Auswirkungen des GMG, sind auch diejenigen Folgewirkungen zu beachten, die sich daraus zu einem späteren Zeitpunkt ergeben können. Wie beispielsweise im Buch von Dr. Uwe Dettling, "Der Arzneimittelvertrieb in der Gesundheitsreform 2003", beschrieben.

Auch für Nicht-Juristen wird hier leicht nachvollziehbar aufgezeigt, wie durch die teilweise Auflösung des Mehrbesitzverbotes dem Verbot des Fremdbesitzes die Basis entzogen wird. Es stellt sich also nur noch die Frage, wann "Karlsruhe" wessen Klage stattgibt und damit Apotheken-Ketten entstehen werden.

Damit steht die Frage im Raum, wie Sie als Apotheker den kurzen zeitlichen Vorsprung nutzen sollten und eine Struktur geschaffen werden kann, die – im Gegensatz zum Einzel-Wettbewerber – im Konkurrenzkampf zum Filialisten bestehen kann! Es bleibt daher nur zu prüfen, welche Kooperation in der Lage sein wird, alle Vorteile eines Filialisten dem Kooperationsmitglied zugänglich zu machen und dabei den Einzel-Unternehmer zu erhalten.

Vielleicht wird es einfacher nachvollziehbar, wohin der Weg führen soll, wenn wir uns am Beispiel Edeka orientieren. Hier hat ein "starkes Dach" in einem hart umkämpften Markt mit minimalsten Handelsspannen den Einzel-Unternehmer absolut wettbewerbsfähig im Kampf mit den stärksten Filialsystemen (z. B. Kaufland, Wal Mart, Metro usw.) gemacht.

Kooperationen – das Megathema schlechthin! Wenn es "GMG-Gewinner" gibt, dann sind es die Anbieter diverser Modelle, deren konkrete Ausgestaltung oft noch recht unscharf daherkommt. Recht klar sind hingegen bereits die Preisvorstellungen: Ein monatlicher Obolus von z.T. etlichen hundert Euro und bisweilen zusätzlich eine feste, einmalige Aufnahmegebühr.

Die Eintrittsgelder sind damit happig – das will erst einmal durch zusätzliche Vorteile hereingeholt sein! Und bei manchen Anbietern ist es damit nicht getan: Beispielsweise lässt ein Qualitätsmanagementsystem als zusätzliche Eingangshürde aufhorchen. Damit sollen Verhandlungen mit den Krankenkassen erleichtert werden – dagegen lässt sich prinzipiell nichts einwenden. Doch kann man sich auch die Rute in Sachen vorauseilendem Gehorsam selbst auf den Hintern binden!

Die naheliegendste und unschädlichste Zielsetzung sind sicher die Einkaufsverbunde. Gemeinsamkeit macht stark – auch bei der Beschaffung. Doch stellen sich kritische Fragen. Um auf signifikant bessere Konditionen zu kommen – wir reden nicht von ein oder zwei Prozentpunkten gegenüber dem heutigen Direktbezug, dafür lohnt der Aufwand nicht – müssen Sie in die Masse gehen.

Das geht nur, zumindest im frei bestimmbaren OTC-Bereich, durch Konzentration auf relativ wenige Marken. Damit fallen andere Produkte, pharmazeutisch vielleicht sinnvoller, unter den Tisch. Schließlich wird mit Herstellern verhandelt, und was liegt näher, als ein Komplettprogramm abzunehmen?

Der Konflikt Monetik gegen Ethik wird in jedem Falle schärfer. Kleinere Hersteller, vor allem der alternativen Richtungen, drohen unter die Räder zu kommen: Verordnungsausschluss durch Gesundheitsreform plus Einkaufsverbünde, das dürfte manch einem Betrieb den Garaus machen. Individualität bleibt auf der Strecke. Dass im Übrigen die Großhandlungen in diese Kooperationsmodelle drängen, hat einen nachvollziehbaren Grund – möchte man doch dem leidigen Direktbezug das Wasser abgraben.

Verhandlungskooperationen mit Kostenträgern sind eine weitere Zielrichtung. Damit werden einheitliche Vertragsbedingungen aufgegeben und Institutionen wie die Landesapothekerverbände und deren Verhandlungsmacht systematisch unterspült. Der Gesetzgeber hat dies beabsichtigt – doch muss man sofort in die Falle laufen, indem ein Verdrängungswettbewerb im Apothekenwesen losgetreten wird und die Kostenträger, kaum dass die Tinte unter dem Gesetzeswerk trocken ist, in der bequemen Lage sind, unter diversen Angeboten auszuwählen und diese gegeneinander ausspielen zu können?

Dachmarken sind die letzte, große Stoßrichtung. Einheitlicher Auftritt, hoher Wiedererkennungswert, standardisiertes Marketing, Nutzung gemeinsamer Ressourcen – das klingt nach mehr Effizienz, Bequemlichkeit und Sicherheit für die jeweilige Apotheke. Schließlich stehen ausgefuchste Profis mit ihrem Know-how dahinter (selbst wenn man das, schaut man auf so manche Kreation, kaum glauben mag. Aber selbst Schnellschüsse können ja noch ihren Weg finden ...). Also alles in Butter?

Überlegen Sie einmal, mit welchen teils sehr ausgefallenen Fragen die Kunden an Sie herantreten. All die kleinen und großen Spezialwünsche des Alltags, die man andernorts nicht mehr vorzubringen wagt. Die Apotheke ist nicht nur Gesundheitsdienstleister, sondern auch eine Art früherer Kolonialwarenhändler und Tante-Emma-Laden – im besten, positiven Sinne wohlgemerkt!

Für diese Vielseitigkeit, die im deutschen Einzelhandel einzigartig ist, wird die Apotheke hoch geschätzt und für unverzichtbar gehalten. Wird dieser Nimbus erst einmal Dachmarken geopfert (wobei momentan noch völlig offen ist, wie z. B. eine Center- und eine Landapotheke unter einer Dachmarke firmieren sollen, oder brauchen wir verschiedene "Dachmarken" unter einem großen Dach?), dann treten nach außen hin (scheinbare) Filialkonzepte gegeneinander an – gerade in der Wahrnehmung der Kunden und auch der Ärzte ist dies äußerst problematisch.

Es wird eine schwierige Aufgabe, den Kunden die nach wie vor "individuell" geführte Apotheke (wenn sie das noch ist ...) vor diesem Hintergrund als solche zu vermitteln; die meisten werden Filialen mit einer Konzernzugehörigkeit assoziieren – wer weiß schon um die feinen Unterschiede?

Und glauben Sie, dass derartige, kommerzialisierte Betriebe noch diese Wertschätzung erfahren wie die heutige Apotheke? Der Weg scheint damit vorgezeichnet. Stellen Sie sich einmal die Frage, wie Sie aus einer eingegangenen Dachmarken-Kooperation wieder herauskommen wollen! Aufwendig umlabeln? Gar umziehen? Es ist dann also nur noch ein kleiner Switch, um die Apotheke wirklich an die Kette zu legen ...

Diese kurze Aufstellung reißt, keineswegs vollständig, die Risiken an, die mit einer vorschnellen, ja panikartigen "Flucht" unter das Dach einer Kooperation verbunden sein können. Für Panik besteht hingegen kein Anlass. Die Prognosen für die Auswirkungen der Gesundheitsreform verheißen keinen weiteren, dramatischen Absturz für die Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen.

Damit besteht genügend Raum, in Ruhe zu überlegen. Der Weg der Apotheke gleicht inzwischen mehr einer durchlöcherten Hängebrücke. Fehltritte sind nicht mehr drin. Auf der anderen Seite wartet hingegen ein Markt, der nach wie vor grundsolide ist, gerade für die Individualapotheke.

Gelingt es zudem der Politik, die gesamte Republik aus der momentanen Lethargie wieder auf einen Wachstumspfad zu führen (und dafür gibt es durchaus Anzeichen), werden viele Horrorvorstellungen von heute schon morgen kalter Kaffee sein. Wenn nicht, dann stürzt noch viel mehr – und dann werden auch für die Apotheken grundlegend neue Überlegungen erforderlich.

Ist es für mich als Apotheker von Vorteil, einer Kooperation beizutreten? Begebe ich mich in Abhängigkeiten, die sich eher nachteilig auf meine Apotheke auswirken? Die Befürworter von Kooperationen weisen gerne auf die Chancen hin, die mit einer Machtkonzentration verbunden sind – die Gegner haben die Risiken im Visier und fürchten eine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit. Ein Streitgespräch zwischen Joachim Birkle, Geschäftsführer der Kooperation Sympateam, und dem Fachjournalist und Apotheker Dr. Reinhard Herzog.

DAZ-Schwerpunktthema: Kooperationen Teil 4: Streitgespräch – Kooperationen beitreten oder nicht?

Literaturtipps

Der Arzneimittelvertrieb in der Gesundheitsreform 2003 Eine apotheken- und verfassungsrechtliche Analyse des GMG-Entwurfs Von Dr. Uwe Dettling ISBN 3-7692-3382-4 Deutscher Apotheker Verlag Bequem bestellen unter: www.dav-buchhandlung.de

Die Serie im Überblick Teil 1: Welche Kooperationsformen gibt es und welche könnten zu meiner Apotheke passen? (DAZ 2004, Nr. 4, S. 66) Teil 2: Kooperationschancen und Kooperationsfallen (DAZ 2004, Nr. 5, S. 89) Teil 3: Wie der Gesetzgeber Kooperationen sieht (DAZ 2004, Nr. 6, S. 82) Teil 4: Streitthema Kooperationen: Die Pro- und Contra-Diskussion Teil 5: Wie die Kooperationen vom Deutschen Apothekerverband eingeschätzt werden

Leserservice zur Serie in der AZ Ergänzend zu unserer Serie haben wir für Sie – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – einen Fragekatalog bezüglich des Leistungsspektrums einiger bereits bestehender Apotheken-Kooperationen erarbeitet. 14 Kooperationen haben die Fragen beantwortet. In der Apotheker Zeitung Nr. 8 vom 16. Februar lesen Sie den zweiten Teil dieses Kooperations-Vergleichs.

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