Kommentar

Neue Wege zur Zukunftssicherung: Apotheken-Kooperationen - Pro und Kontra

Frankfurt (bra) Sinn oder Unsinn, Chancen oder Gefahren - was bringen Apotheken-Kooperationen? In einer Veranstaltung des Forum-Institutes für Management, die am 8. Februar in Frankfurt stattfand, versuchten Ökonomen, Vertreter der Industrie, des Großhandels, von Kooperationen und der Apothekerschaft dieser Frage auf den Grund zu gehen. Je nach Perspektive fielen die Antworten erwartungsgemäß unterschiedlich aus. Gegenwärtig haben sich, ohne Berücksichtigung der mehr als 11.000 Mitglieder der genossenschaftlichen Großhandlungen, rund 3500 Apotheker einer der (je nach Zählweise) rund 15 bis 20 bislang bestehenden Apotheker-Kooperationen angeschlossen.

Kooperationen im Handel lassen sich je nach Leistungsspektrum und Bindungsintensität verschiedenen Typen zuordnen, so Prof. Dr. Burkhard Strobel vom Fachbereich Handelsmanagement der Fachhochschule Worms. Ketten und Franchise-Systeme kommen für Apotheken wegen der Besonderheit des Arzneimittelmarktes (und auf Grund der rechtlichen Bestimmungen für diesen Bereich) nicht in Frage - jedenfalls derzeit nicht und auch nicht in nächster Zukunft, "vielleicht sogar nie", meinte Strobel. Straff organisierte Franchisekonzepte - mit einheitlicher Vorgabe aller wesentlichen Elemente der Apothekenführung - könnten allerdings, wenn sie denn zulässig wären, nach Strobels Einschätzung eine von zwei Kooperationsformen sein, die eine gute Überlebenschancen haben. Gleichermaßen positiv schätzt Strobel für die Zukunft Kooperationen ein, die unter Verwahrung der Eigenständigkeit der Apotheke für die Kooperationspartner effiziente Leistungen im Bereich Einkauf, Marketing und Management erbringen. Dass auch der klassische Einkaufsverbund erfolgreich sein kann, zeigt sich nach Strobel in vielen Handelsbereichen. In manchen Branche seien 90 bis 95% aller Unternehmen so organisiert. Die Einkaufsverbände, die früher von den Herstellern bekämpft wurden, würden heute auch von der Industrie als sinnvolle Gegenmacht gegen die großen Handelskonzerne angesehen. Strobel: "Der Mittelstand hat durchaus noch Chancen", es müssten sich, um erfolgreich zu sein, keinesfalls alle die "gleichen Pudelmützen" aufsetzen. In anderen Handelsbereichen seien die Unternehmen freilich viel mehr bereit, sich sehr eng an ihre jeweiligen Einkaufsgenossenschaften zu binden. Der Apotheker, so Strobel, "verlangt von seiner Genossenschaft alle Leistungen, verpflichtet sich aber nicht zu irgendeiner Bindung", z. B. was die Vergabe seiner Umsätze angeht: "Wirtschaftlich ist das nicht zu verstehen" - so Strobel. Eigentlich könnten sich die etablierten genossenschaftlichen Pharmagroßhandlungen an die Spitze der neuen Kooperationsbewegungen setzen. Er habe nie verstanden, dass sie dies bisher nicht versucht hätten.

Die Industrie ist skeptisch

Der pharmazeutische Hersteller, so Strobel, müsse die gegenwärtige Atomisierung der Apothekenlandschaft eigentlich als komfortabel empfinden. Eine "Clusterung" der Apothekenlandschaft durch Kooperationen sei für Hersteller mit starker Marktposition eher problematisch. Jörg Wieczorek, Vertriebsleiter bei Novartis Consumer Health, bestätigte diese Einschätzung indirekt. Novartis hat sich zum hat sich zum 1. Januar 2000 aus der Zusammenarbeit mit der, nach Mitgliederzahlen, stärksten bestehenden Apotheker-Kooperation, der MVDA (rund 2000 Mitglieder), verabschiedet. Bei der Zusammenarbeit mit Apotheker-Kooperationen hat sich, so Wieczorek, gezeigt, dass nur 25% der Kunden wirklich eine Umsatzsteigerung erreichen, 45% der Kunden erreichten dies nicht. 30% der Kunden aus Apotheker-Kooperationen blieben inaktiv oder verweigerten sich sogar. Vor diesem Hintergrund mache es für die Industrie wenig Sinn, allen Mitgliedern einer Apotheker-Kooperation mit Sonderkonditionen entgegen zu kommen. Attraktiver als die Zusammenarbeit mit Apotheker-Kooperationen, denen es nur auf verbesserte Einkaufskonditionen ankomme, sei die Zusammenarbeit mit kleinen Gruppen oder mit einzelnen Apotheken, mit denen sich erfolgreich gemeinsamen Marketingaktivitäten entwickeln ließen. Bei der Industrie habe sich die Einsicht durchgesetzt, dass die traditionellen "Push-Strategien" (der Versuch, Ware in die Apotheken hinein zu verkaufen) modernen "Pull-Strategien" (Abverkaufsunterstützung, Abverkaufsberatung) Platz machen sollten. "Nicht Maße sondern Klasse" - das sei die Devise. Erfolgversprechend sei die Kombination von starken Marken und aktiven Kunden.

Vielfältige Kooperationsformen

Es gehe bei den Apotheker-Kooperationen keinesfalls nur um eine Verbesserung der Einkaufskonditionen - so Thomas Wrobel, Geschäftsführer der Parmapharm. Die Parmapharm (derzeit rund 500 Mitgliedsapotheken aus ganz Deutschland, Zusammenarbeit mit 62 Partnern aus der Industrie) greife nicht in das Konditionengefüge der Mitgliedsapotheken ein. Die Bestellung und das Aushandeln der Konditionen bleibe in der Hand der Einzelapotheke. Die Parmapharm schalte sich erst in die Rechnungswege ein. Die Zentralregulierung gegen eine der Delcredere-Gebühr sei allerdings nicht das Herzstück der Parmapharm. Der oberste Grundsatz der Parmapharm sei, durch Kooperation dauerhaft die Selbstständigkeit der Mitgliedsapotheken zu sichern - egal unter welchen Marktgegebenheiten. In die Kernkompetenz der Apotheke wolle man nicht eingreifen. Die Kernkompetenzen blieben immer Aufgabe des Apothekeninhabers. Nur bei der Marktbearbeitung wolle man sich einmischen - so bei der Abverkaufsförderung, bei der Werbung, bei der Fortbildung, beim Category-Management. Die Mitgliedsapotheken von Parmapharm seien verpflichtet, sich an den vereinbarten Werbeaktionen zu beteiligen - zumindest müssten sie die Werbemittel beziehen und bezahlen. Eine Pflicht, sie einzusetzen, gebe es allerdings nicht.

Keine echte Marktlücke

Bei genauer Analyse gebe es für die neuen Kooperationsformen keinen echten Bedarf, ökonomisch machten sie keinen Sinn - so Dr. Jürgen Brink, der Vorstandsvorsitzende der Sanacorp. Grundsätzlich bewerte er den Ansatz der neuen Apothekerkooperationen - das Ziel, die wirtschaftliche Position des einzelnen Apotheken zu verbessern - positiv. Man könne darin eine neue Verpackung der alten genossenschaftlichen Grundidee sehen. Die Nähe zum klassischen Förderauftrag des Genossenschaftsgesetzes sei unverkennbar. Sofern die Apotheker-Kooperationen allerdings ihr Hauptziel im Direkteinkauf bei der Industrie sähen, ergäben sich bei genauem Hinsehen auch erhebliche Gefahren. Sofern dem Großhandel dadurch größere Sortimentsteile wegbrächen, müsse man damit rechnen, dass die übrig bleibenden Sortimentsteile nur zu sehr viel höheren Kosten zu distribuieren wären. Die heutige Vollversorgung durch den pharmazeutischen Großhandel werde dann nicht mehr möglich sein. Reduziert auf die Rolle des Lückenbüßers könne der Großhandel die Vollversorgung nicht mehr zu den heutigen Kosten leisten. In letzter Konsequenz kämen auch die neuen Apotheker-Kooperationen nicht umhin, eigene Lager aufzubauen und Warenströme zu händeln. Das aber könnten sie nicht, jedenfalls nicht so gut und kostengünstig wie der Großhandel. Die Distribution über die neuen Apotheker-Kooperationen werde deshalb keinen großen Stellenwert bekommen. Man werde es sehr schnell mit einer kritischen Größenordnung zu tun haben, von wo ab zusätzliche Einkaufsvorteile durch höhere Handlungskosten aufgezehrt würden. Diese Konzepte funktionierten allenfalls initial, solange die beteiligten Apotheker noch ehrenamtlich arbeiteten.

Bedenkliche Kooperationsformen

ABDA-Sprecher Dr. Johannes Pieck erläuterte differenziert die Position der Beruforganisation gegenüber den neuen Kooperationsformen im Apothekenmarkt. Er räumte ein, dass man frühere negative Einschätzungen zum Teil revidiert habe (Pieck vor wenigen Jahren auf dem Apothekertag: "Lieber Parmaschinken als Parmapharm"). Es gelte zu unterscheiden zwischen Kooperationsformen, die durchaus mit dem bewährten und weiterhin befürworteten Apothekensystem vereinbar seien, und solchen Kooperationen, die - gewollt oder ungewollt - geeignet seien, dieses System zu destabilisieren. Solange es keine rechtlichen und ordnungspolitischen Bedenken gebe, können man auch von Seiten der Berufsorganisationen mit den neuen Kooperationsformen leben. Die Berufsorganisationen könnten nur Rahmenbedingungen zu sichern versuchen. Die wirtschaftliche Existenz können man damit niemandem garantieren. Grundsätzlich sei deshalb gegen Kooperationen, die einen Beitrag zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Mitgliedsapotheken leisten können, nichts einzuwenden. Wenn allerdings z.B. die Umgehung oder systematische Aushöhlung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) quasi zum Lebensprinzip einer Kooperation gehöre, werde es gefährlich - so Pieck in offensichtlicher Anspielung auf die MVDA. Auf Ablehnung müssten auch Kooperationsformen treffen, die den Befürwortern einer Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes in die Hände arbeiteten. Ein "extremes Gefährdungspotenzial" für das Apothekensystem sei auch in Kooperationen zu sehen, die es darauf anlegten, Exklusivverträge mit Krankenkassen an Land zu ziehen. Ärger verursachen, so Pieck, auch Kooperationen, die - egal ob juristisch zulässig oder nicht - ihren Mitglieder Gebiets- oder Konkurrenzschutz böten. Ähnliches gelte auch für Kooperationen, die den Eindruck suggerierten, ihre Mitglieder seien etwas Besonderes ("TOP-Apotheken"), auch wenn dies erfahrungsgemäß nicht immer sonderlich erfolgreich sei: "Die ≠Guten-Tag-Apotheken' haben längst gute Nacht gesagt".

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.