Arzneimittel und Therapie

Schmerzforschung: NO – Hoffnung auf innovative Analgetika

Stickstoffmonoxid (NO) spielt nicht nur bei der Regulation des Gefäßtonus eine entscheidende Rolle, sondern offensichtlich auch als Mediator im nozizeptiven System und hier insbesondere bei der Entstehung von Kopfschmerzen. Das weckt Hoffnungen, durch NO-abhängige Mechanismen innovative Analgetika entwickeln zu können.

In der Schmerzforschung bemühen die Wissenschaftler sich derzeit intensiv um ein sehr kleines Molekül, und zwar das Stickoxid, also um NO. Dieses sehr kurzlebige Molekül reguliert die Gefäßweite und damit maßgeblich den Blutdruck. Schon lange ist bekannt, dass NO auch Kopfschmerzen vermitteln kann, wie eindrucksvoll der bekannte Nitrat-Kopfschmerz demonstriert.

In jüngster Zeit mehren sich darüber hinaus Hinweise darauf, dass NO sowohl im peripheren Gewebe als auch im Zentralnervensystem an nozizeptiven Vorgängen beteiligt ist. Vor allem die Entstehung von Kopfschmerzen wird offenbar durch NO getriggert, und das gilt für die Migräne ebenso wie für den Clusterkopfschmerz.

Das kleine Molekül scheint insbesondere im Bereich der intrakraniellen Blutgefäße und den sie innervierenden Nervenfasern des Trigeminus eine Art Schlüsselmolekül bei der Schmerzauslösung zu sein. So führen Moleküle, die NO freisetzen, wie beispielsweise Nitrate und/oder Nitroglycerin bei vielen gesunden Menschen zu leichten Kopfschmerzen.

Bei Patienten mit Migräne – nicht aber bei Gesunden – kann durch solche NO-Donatoren mit einer Latenzzeit von einigen Stunden gezielt eine akute Migräne-Attacke ausgelöst werden. Ähnliches gilt für Patienten mit Spannungskopfschmerz und auch für solche mit Clusterkopfschmerzen. Bei Patienten mit Migräne finden sich zudem vermehrte NO-Abbauprodukte wie Nitrit und Nitrat, was auf eine verstärkte endogene NO-Produktion hindeutet.

Seine Wirkung vermittelt NO durch eine Aktivierung des Botenstoffs cGMP, der wiederum spezifische Enzyme in der Zelle reguliert wie zum Beispiel diverse Proteinkinasen oder auch Cyclooxigenasen.

NO-Hemmstoff als Analgetikum?

Vor dem Hintergrund solcher Befund lag es nahe, in der Schmerzforschung nach NO-abhängigen Mechanismen zu suchen, um eventuell über deren Beeinflussung einen neuen Zugang zur Entwicklung von Analgetika zu eröffnen. Ziel der Forscher ist vor allem die NO-Synthetase, also jenes Enzym, das für eine NO-Produktion im Körper verantwortlich zeichnet.

In einer ersten Studie wurde bereits mit Hemmstoffen der NO-Synthetase gearbeitet und das durchaus mit einem partiellen Erfolg, wie beim Deutschen Schmerzkongress in Münster dargelegt wurde. Denn der Kopfschmerz wurde deutlich gemindert, allerdings um den Preis erheblicher Nebenwirkungen.

Das ist leicht zu erklären, denn bei NO handelt es sich um einen ubiquitären Messenger, der vielfältige Funktionen im Organismus hat. Diesen Messenger zu unterdrücken, muss zwangsläufig erhebliche Nebenwirkungen nach sich ziehen.

Es wird deshalb derzeit nach spezifischen Inhibitoren für verschiedene NO-Synthetasen gesucht. Bekannt sind drei verschiedene Formen des Enzyms, und zwar

  • die induzierbare NO-Synthetase (iNOS), die vor allem bei Entzündungsprozessen gebildet wird,
  • die endotheliale NO-Synthetase (eNOS), die im Wesentlichen auf Endothelialzellen lokalisiert ist, und
  • die neuronale NO-Synthetase (nNOS), die sich vorwiegend im Nervensystem befindet.

ErheblicheNebenwirkungen

Die verschiedenen Synthetasen bieten möglicherweise einen Ansatzpunkt für die Entwicklung neuartiger Analgetika, zum Beispiel in Form von Wirkstoffen, die spezifisch NO unterdrücken, beispielweise nur über die neuronale NO-Synthetase. Ob dieser Weg tatsächlich erfolgreich sein wird, ist derzeit noch völlig offen.

Denn das neuronale NO scheint maßgeblich auch an kognitiven Prozessen beteiligt zu sein und Funktionen beim Lernen und beim Gedächtnis zu haben. Auch spezifische Eingriffe in dieses hochkomplexe System könnten deshalb mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sein.

Die Erforschung NO-abhängiger Mechanismen ist jedoch noch aus einem anderen Grund hochinteressant. Denn NO scheint nicht nur die Schmerzentstehung, sondern auch die Schmerzchronifizierung zu triggern, und ein besseres Verständnis der grundlegenden Zusammenhänge könnte hilfreich sein bei der Suche nach Wirkstoffen, mit denen sich der Teufelskreis bei der Schmerzchronifizierung durchbrechen lässt.

Quelle

Prof. Dr. Karl B. Messlinger, Erlangen; Prof. Dr. Andreas Straube, München: Symposium "NO-abhängige Mechanismen in der Pathophysiologie von Kopfschmerzen", Münster, 10. Oktober 2003, im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses 2003.

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