Arzneimittel und Therapie

NO: Ein wichtiger biologischer Botenstoff

Das kleine Molekül NO hat große physiologische und pathophysiologische Bedeutung. Es wird von drei Isoformen der NO-Synthase gebildet und ist als Botenstoff an Gefäß-, Nerven- und Immunprozessen beteiligt.

Stickstoffmonoxid (NO) entsteht bei der Reaktion der Aminosäure Arginin mit Sauerstoff. Katalysiert wird diese Reaktion vom Enzym NO-Synthase. Bis heute sind drei Isoformen bekannt:
• die konstitutive, das heißt immer präsente, endotheliale NO-Synthase
• die konstitutive neuronale NO-Synthase
• die induzierbare, das heißt erst nach Stimulation durch Erreger, Erregerbestandteile oder Zytokine gebildete NO-Synthase

Die induzierbare und die konstitutiven Isoformen unterscheiden sich in der Art der Aktivierung: Die konstitutiven NO-Synthasen sind calciumabhängig; sie werden nur aktiv, wenn Calciumionen in die Zelle strömen, sich an Calmodulin binden und wenn dieser Komplex sich an das Enzym anlagert. Die induzierbare NO-Synthase ist unabhängig von der intrazellulären Calciumionenkonzentration, weil Calmodulin bereits fest an das Enzym gebunden ist. Einmal induziert, produziert die induzierbare NO-Synthase sehr viel länger (Stunden bis Tage statt Sekunden bis Minuten) und mehr (Nano- bis Mikromol statt Piko- bis Nanomol) NO als die konstitutiven NO-Synthasen.

NO ist ein sehr kurzlebiges Molekül mit einer biologischen Halbwertszeit von drei bis fünf Sekunden. Aufgrund seiner Lipophilie diffundiert es rasch durch Zellmembranen. Beide Eigenschaften machen es zu einem idealen Botenstoff zwischen Zellen. Die Kurzlebigkeit beruht auf dem Hang des Moleküls, wegen seines ungepaarten Elektrons mit Metallionen oder Sauerstoffmolekülen zu reagieren. Trotz dieser schnellen Inaktivierung scheint NO auch eine hormonähnliche Wirkung fern des Entstehungsortes ausüben zu können. Beispielsweise wird es in Form von S-Nitrosohämoglobin im Blutkreislauf transportiert und nimmt so an der Regulierung des Blutdrucks und an der Sauerstoffabgabe in der Peripherie teil. NO ist als biologischer Botenstoff an vielen physiologischen und pathophysiologischen Vorgängen beteiligt.

Die kontinuierliche NO-Synthese durch Endothelzellen trägt zur Basaltonus-Regulierung des Blutdruckes bei. Dabei wird die endotheliale, membranständige NO-Synthase aktiviert durch Substanzen wie Acetylcholin, Bradykinin, Histamin, ADP, Substanz P oder 5-Hydroxytryptamin, aber auch durch Endothelzelldehnung oder Sauerstoffmangel. Das entstandene NO diffundiert in benachbarte glatte Muskelzellen, in denen es die Guanylcyclase aktiviert. Das hierbei gebildete zyklische Guanosinmonophosphat (cGMP) führt zur Muskelrelaxierung und Gefäßerweiterung.

Außerdem wirkt NO an der Endotheloberfläche antithrombotisch, indem es die Plättchenadhäsion, -aktivierung und -aggregation (ebenso auch die Neutrophilenaggregation) hemmt. Ferner wird dem NO eine hemmende Wirkung auf das Gewebewachstum der glatten Gefäßmuskulatur zugeschrieben. In Nervenzellen des zentralen und des peripher-autonomen Nervensystems wird NO von der neuronalen NO-Synthase gebildet. Sie ist nicht membranständig, sondern befindet sich frei im Zytosol. Im ZNS führt die Stimulation des N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezeptors durch Glutaminsäure zum postsynaptischen Calciumioneneinstrom, der über die Bindung an Calmodulin die NO-Synthase aktiviert. Das entstandene NO diffundiert zu benachbarten Zielzellen mit hohen Guanylcyclase-Konzentrationen und führt dort zu einem Anstieg des cGMP. Im ZNS scheint NO die Bildung der Neurotransmitter Glutaminsäure und Noradrenalin zu beeinflussen. Es ist außerdem für das Langzeitgedächtnis und für die Regulierung der lokalen Hirndurchblutung bedeutsam. Bei der zerebralen Ischämie hat NO sowohl schützende als auch toxische Wirkungen. Im peripheren Nervensystem ist NO ein Neurotransmitter der sog. nichtadrenergen, nichtcholinergen Nervenfasern. Durch Erregung dieser Nervenfasern führt NO zur Entspannung der glatten Darmmuskulatur und steuert die gastrointestinalen Schließmuskel. Am Corpus cavernosum vermittelt es die Peniserektion. So wird ein NO-Mangel als Ursache für bestimmte Formen der männlichen Impotenz diskutiert. Die induzierbare NO-Synthase Die induzierbare NO-Synthase kann nicht nur von klassischen Entzündungszellen, wie Granulozyten, Lymphozyten und Makrophagen, gebildet werden, sondern je nach Art und Ausdehnung der Immunantwort von nahezu allen Zellen. Das gebildete NO diffundiert zu benachbarten Zellen. Hier übt es in geringer Konzentration spezifische, regulierende Wirkungen und in hoher Konzentration unspezifische, toxische Wirkungen aus. Die Induktion der NO-Synthase wird oft durch die gleichzeitige Anwesenheit verschiedener Zytokine und Lipopolysaccharide verstärkt. Die Induktion kann als unspezifische Immunreaktion im Rahmen von Infektionen angesehen werden; NO kann Viren, Bakterien, Pilze und intrazelluläre Parasiten eliminieren. NO beeinflußt auch die durch Lymphozyten vermittelte spezifische Immunantwort, beispielsweise bei der Graft-versus-host- und der Host-versus-graft-Reaktion nach Transplantation. Am besten untersucht wurde die Bedeutung der induzierbaren NO-Synthase bei Sepsis. Sowohl die durch NO vermittelte Gefäßerweiterung als auch die Hemmung der Thrombozyten- und Leukozytenadhäsion können als physiologische Schutzreaktionen verstanden werden. Die anhaltende exzessive NO-Produktion führt jedoch zum Kreislaufversagen und schließlich zum Organversagen. Stickstoffmonoxid, das von der induzierbaren NO-Synthase gebildet wird, ist auch an Reparationsvorgängen beteiligt. Es konnte in chirurgischen Wunden und Verbrennungsverletzungen nachgewiesen werden und scheint an der Collagensynthese teilzunehmen. Folgende Medikamente greifen mehr oder weniger gezielt in den NO-Haushalt ein:
• Die seit langem empirisch verwendeten NO-freisetzenden Vasodilatatoren (z. B. Glyceroltrinitrat, Nitroprussid-Natrium)
• Die Hemmstoffe der NO-Synthasen. Dies sind kohlenstoffsubstituierte Arginin- und Citrullinanaloga sowie Thioharnstoffe, die bei der Behandlung septischer Krankheitsbilder eingesetzt wurden und wegen der undifferenzierten Hemmung aller NO-Synthasen zu widersprüchlichen Ergebnissen führten. In Zukunft wird es vor allem um die Entwicklung isoformspezifischer oder gar zelltypspezifischer NO-Synthase-Hemmstoffe gehen.

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