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Apothekerkammer Thüringen: Start der Aktion "Perspektive Apotheke"

"Auch nach der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers und des Gesetzentwurfes zur Gesundheitsreform versuchen die Apothekerinnen und Apotheker in Thüringen den Blick nach vorn zu richten". Mit diesen Worten eröffnete der Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Thüringen, Danny Neidel, am 27. August 2003 die Pressekonferenz zum Start der Informations- und Umfrageaktion "Perspektive Apotheke".

Auf den 21 Stationen des Perspektive-Mobils werden die Bürger Thüringens über die Auswirkungen und Folgen der geplanten Änderungen im Gesundheitswesen im Bereich der Arzneimittelversorgung informiert.

Gleichzeitig soll den Patienten die Möglichkeit gegeben werden, über eine Umfrage ihre Meinung zur Zufriedenheit mit ihrer Apotheke und zu ihren Vorstellungen und Erwartungen zur künftigen Arzneimittelversorgung zu äußern.

Dr. Lutz Gebert, Vizepräsident der Landesapothekerkammer, wies in seinem Statement darauf hin, dass "...wenn im Eckpunktepapier zur Gesundheitsreform von strengen Rahmenbedingungen für die Zulassung des Versandhandels, von Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit zu lesen ist und dies ernst gemeint ist, die Politik nicht am Home-Service-Konzept der Apothekerschaft vorbeikommt".

Für den Patienten ergäben sich gegenüber dem Versandhandel Vorteile durch eine erheblich schnellere und fachkundige Versorgung. Durch den pharmazeutisch qualifizierten Boten sei gewährleistet, dass Fragen zu den Arzneimitteln beantwortet und das Risiko von Wechselwirkungen minimiert werden könnten.

Im Gegensatz zu einem ausländischen Versandhandel, bei dem Fragen via E-Mail ins "Nirgendwo" gesendet oder Medikamente an der Haustür anonym abgegeben werden, steht dieses Modell für Verbraucherschutz. "Wir setzen auf Sicherheit statt Notlösung in der Arzneimittelversorgung", so der Vizepräsident.

Gerade durch die unterschiedlichen Standards, die in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten existierten, seien die von der Politik angekündigten fairen Bedingungen für den Wettbewerb zwischen Versandapotheken und öffentlichen Apotheken nicht gewährleistet. "Insbesondere muss sichergestellt werden, dass für öffentliche Apotheken bestehende rechtliche Pflichten gegenüber der Bevölkerung auch für Versandapotheken gelten", appellierte Gebert an den Gesetzgeber.

So ist einer deutschen Apotheke per Gesetz ein Vollsortiment vorgeschrieben. "Dies hat im Sinne des Verbraucherschutzes seinen guten Grund", erklärte Gebert den Medienvertretern. Die Verpflichtung zum Vollsortiment bedeute nämlich auch, dass der Apotheker keine Differenzierungen nach der Ertragsstärke einzelner Arzneimittel treffen und sich im Sinne einer Rosinenpickerei womöglich nur auf hochpreisige Arzneimittel/Verordnungen konzentrieren darf.

Individualrezeptur – nicht per Mausklick

Als zweiter Sprecher informierte Geschäftsführer Danny Neidel in seinem Beitrag die anwesenden Journalisten über die Studie der Landesapothekerkammer zur Häufigkeit der Herstellung von individuellen Arzneimitteln in den öffentlichen Apotheken.

Gerade in der Kinderheilkunde und der Dermatologie, aber nicht zuletzt auch in der ambulanten Krebstherapie sind auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Arzneimittel unverzichtbar. "Hier beweist sich pharmazeutisches Können als selbstverständliche und bezahlbare Dienstleistung, die nun ein Gesundheitsreformopfer werden kann", sagte Apotheker Danny Neidel.

Kostendeckend lässt sich kaum eine individuelle Rezeptur anfertigen. Deshalb gibt es sie auch nicht per Mausklick. Die Apotheker in Thüringen fordern von den Politikern die Schaffung gleicher Bedingungen und Pflichten für öffentliche Apotheken und Versandapotheken ob aus dem In- oder Ausland. "Nur dann kann die Versorgung unserer Patienten mit ,maßgeschneiderten' Arzneimitteln vor Ort weiterhin gewährleistet werden", so Neidel abschließend.

Fairer Wettbewerb

Dr. Reinhard Giese, Geschäftsführer des Thüringer Apothekerverbandes e.V. (THAV), verdeutlichte gegenüber den Medienvertretern, welche Vorraussetzungen für die "Präsenzapotheken" geschaffen werden müssen, um wirklich von einem fairen Wettbewerb im Bereich der Arzneimittelversorgung sprechen zu können. So ist die rechtliche Grundlage zur Umwandlung der Apotheken in GmbHs zu schaffen, wie dies für andere freie Berufe bereits möglich ist.

Ebenso unabdingbare Voraussetzung muss die Entbindung der Apotheken von der Pflicht sein, die Patientenzuzahlungen für die Krankenkassen einzuziehen. "Die Krankenkassen haben bei der rechtswidrigen Förderung des Versandhandels auf das Einziehen der Zuzahlung verzichtet", erklärte Giese. Die Frage müsse erlaubt sein, inwieweit ein solcher illegaler Bonus für einen Einzelnen vom Solidarsystem zu tragen ist.

Als weitere grundlegende Voraussetzung für einen fairen Wettbewerb nannte Giese die Harmonisierung der Systeme zur Arzneimittelpreisbildung und die Mehrwertsteuerpolitik innerhalb der Europäischen Union.

Versorgungsverschlechterung

Die Pläne der Regierung, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) herauszunehmen, können nach Ansicht von Evelin Pester, stellvertretende Vorsitzende des THAV, für die Krankenkassen zu einem kostspieligen Bumerang werden. Neben dem Ausweichen der Ärzte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel besteht die Gefahr, dass Patienten ihre Medikamente nicht selbst kaufen und dadurch möglicherweise Krankheiten verschleppen.

Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel seien nicht aus der Verschreibungspflicht entlassen, weil sie schlechter wirksam sind als verschreibungspflichtige Arzneimittel, sondern weil sie in der Regel nebenwirkungs- und risikoärmer als diese sind.

"Wer die Verschreibungsfähigkeit an die Verschreibungspflicht koppeln will, muss sich daher fragen lassen, ob dadurch die Versorgung der Bevölkerung mit gut wirksamen, risikoarmen Arzneimitteln verhindert werden soll", so die stellvertretende Vorsitzende zum Abschluss.

Die Fragen der Journalisten zielten im Wesentlichen auf die konkrete Bedrohung für die Thüringer Apotheken. Diese lässt sich nach Meinung des Podiums zur Zeit nur sehr schwer abschätzen, da bisher viele Verluste intern in den Apotheken durch Sozialleistungskürzungen und Stundenreduktion abgefangen wurden, die außen kaum spürbar sind und in keiner Statistik auftauchen.

"Auch fällt es vielen Apothekenleitern schwer, ihre Apotheke, ihr Lebenswerk aufzugeben, auch wenn dies wirtschaftlich gesehen der einzige logische Schritt wäre", so Dr. Siegfried Schellin, Vizepräsident der Landesapothekerkammer. Ob dies auch in Zukunft so sei, bleibt abzuwarten.

Nach der Pressekonferenz demonstrierten die Thüringer Apotheker noch einmal anschaulich, was es heißt, eine Rezeptur herzustellen. Anhand einer live-gefertigten Pflegesalbe, wurden sämtliche Schritte von der Prüfung der Ausgangsstoffe, über die Dokumentation, die Herstellung, die Kennzeichnung bis schließlich zur Abgabe demonstriert. Nicht ohne pharmazeutische Beratung wurde den Journalisten ihre Pflegesalbe als eine gefährdete Arzneiform mit auf den Weg gegeben.

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