Arzneimittel und Therapie

Typ-2-Diabetes: Strategien gegen den "metabolischen Supergau"

Das Problem ist bekannt: Die Zahl der Typ-2-Diabetiker steigt stetig. Da hilft nur Dreierlei: noch mehr zu nicht-medikamentösen Maßnahmen motivieren, therapeutisch Mögliches konsequenter zu verfolgen und neue Therapiestrategien zu entwickeln.

"Wir stehen vor dem Beginn einer Katastrophe." "Wir haben es mit einer klinischen und möglicherweise auch einer gesundheitspolitischen Katastrophe zu tun." "Es droht der metabolische Super-Gau." So oder ähnlich lauten die dramatischen Kommentare, wenn Wissenschaftler die aktuelle Situation bei Typ-2-Diabetes beleuchten.

Obwohl die Hauptursachen der bereits als Epidemie bezeichneten Stoffwechselkrankheit – falsche Ernährung und mangelnde Bewegung – hinreichend bekannt, wenig spektakulär und, so müsste man meinen, auch ausreichend kommuniziert werden, steigt die Zahl der Zuckerkranken stetig.

Eine aktuelle Studie des Deutschen Diabetes-Forschungsinstituts spricht von 17 Prozent Diabetikern in der Altersgruppe zwischen 55 und 74 Jahren. Sie sind in hohem Maße gefährdet, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln bzw. an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu versterben. 40 Prozent der Diabetiker werden letztlich Opfer einer koronaren Herzkrankheit, 25 Prozent erleiden andere Gefäßerkrankungen.

Erfolg nur bei konsequenter Therapie

Dabei ist längst anerkannt, dass "Lifestyle-Interventionen" tatsächlich äußerst effektiv sind, bei konsequenter Durchführung nicht selten effektiver als Medikamente. Doch trotz Aufklärung und Motivation – die wenigsten Patienten sind langfristig zu vernünftigerer Ernährung und regelmäßigen Spaziergängen oder gar mehr Sport zu bewegen. Dann bleibt nur die medikamentöse Intervention. Und die muss umfassend sein. Allein mit der Senkung der Blutzuckerwerte – HbA1c, Nüchternglucose, postprandialer Blutzucker – ist es nicht getan.

Im Visier müssen auch die kardiovaskulären Risikofaktoren wie Hypertonie, Dyslipidämie, Adipositas und Hyperinsulinämie stehen. Wenn das Gesamtpaket stimmt, dann allerdings sind die Chancen auf Erfolg gut. Dies zeigte die STENO-II-Studie an 160 Diabetikern mit Mikroalbuminurie. Sie wurden entweder konventionell oder streng nach Leitlinien behandelt und über knapp acht Jahre beobachtet. Mit dem striktem Therapieregime, bei dem auch Bluthochdruck und Dyslipidämie konsequent behandelt wurden, konnten die kardiovaskulären Ereignisse um etwa die Hälfte gesenkt werden (50% versus 24%).

Auch das Risiko für eine Mikroangiopathie – Nephropathie, Retinopathie oder Neuropathie – konnte halbiert werden. Der Blick auf die Messparameter zeigt unschwer die Gründe. Wurden die Therapieempfehlungen konsequent verfolgt, waren die Risikofaktoren deutlich besser unter Kontrolle (HbA1c: 9% versus 7,8%; Blutdruck: 145/78 mmHg versus 132/72 mmHg; Cholesterin: 220 mg/dl versus 151 mg/ml: LDL: 130 versus 80 mg/dl).

Defizite durchleuchten

Doch die Leitlinien werden in der täglichen Praxis immer noch nicht hinreichend durchgesetzt. Wie groß die Defizite sind, soll nun eine große Registeruntersuchung zeigen. Zurzeit werden etwa 50 000 Diabetiker im Rahmen des DUTY-Registers untersucht. Bei Einschluss der Patienten zeigte sich bereits, dass durchaus Potenzial zur Verbesserung des kardiovaskulären Risikos besteht. Ob sich ein Mehr an Information und Dokumentation in einer Verbesserung des Risikoprofils und des Therapieerfolgs niederschlägt, wird sich zeigen.

Quelle

Prof. Dr. Stephan Martin, Düsseldorf; Prof. Dr. med. W. Krone, Köln; MD Donald M. Black, Princeton, USA: 31. MSD Diskussion "Diabetes mellitus – Standortbestimmung und Zukunft", Wiesbaden, 27. April 2003, veranstaltet von der MSD Sharp & Dohme GmbH, Haar.

Zitat Wir müssen begreifen, dass der Diabetes mellitus Typ 2 wie auch Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen kein rein medizinisches, sondern ein gesellschaftliches Thema sind, da sie primär durch die Änderung des Lebensstils beeinflussbar sind. Prof. Dr. Stephan Martin

PPARα/γ-Agonisten: Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen Die Insulinresistenz spielt eine Schlüsselrolle in der Pathogenese des Typ-2-Diabetes. Eine Verbesserung der Insulinsensitivität packt daher sozusagen das Problem an der Wurzel. Mit großem Erfolg wurden Glitazone vor einigen Jahren in die Therapie eingeführt, zunächst nur als Kombinationspartner, inzwischen auch für die Monotherapie.

Sie wirken als Agonisten am nukleären "Peroxisomen Proliferator-aktivierten Rezeptor gamma", kurz PPARγ, einer Subfamilie nukleärer Hormonrezeptoren. Der Angriff führt zu vermehrter Transkription insulinsensitiver Gene, zur Verringerung der Insulinresistenz und damit zur Reduktion der Hyperglykämie.

PPARγ ist allerdings nicht der einzige PPAR, der im Rahmen des Diabetes interessiert. Der Blick der Forscher richtet sich derzeit vermehrt auf PPARα, der in die Steuerung des Fettstoffwechsels involviert ist. Wird der Rezeptor aktiviert, verbessert sich über vermehrte Transkription von Genen des Lipidstoffwechsels die Dyslipidämie, die sich bei der Mehrzahl der Diabetiker findet.

Um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, sprich die Insulinresistenz und die Dyslipidämie günstig zu beeinflussen, werden derzeit PPARα/γ-Agonisten, so genannte Glitazare, intensiv untersucht.

Ebenfalls in den Fokus auch der Diabetologen gerückt ist das Zytokin TNF-α, das an der Vermittlung der Insulinresistenz wesentlich beteiligt sein soll. Untersucht wird in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der Inflammation im Rahmen des metabolischen Syndroms und damit ein möglicher antiinflammatorischer Ansatz in der Diabetestherapie.

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