Arzneiporträt

M. Adler et al.Homöopathie und Selbstmedikation &nd

Homöopathische Arzneimittel, die auf eine mehr als 150-jährige Tradition zurückblicken können, liegen im Trend der Zeit [1]. Wird auch heute noch immer der überwiegende Teil ärztlich verordnet, so fällt gerade in jüngster Zeit ihre zunehmende Bedeutung im Rahmen der Selbstmedikation auf. Im Fokus stehen hier vor allem die in ihrer Handhabung praktischen homöopathischen Komplexmittel. Für die öffentliche Apotheke bedeutet die zunehmende Beliebtheit der Homöopathie eine gute Möglichkeit, sich durch fundierte Beratung einmal mehr zu profilieren. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Möglichkeiten und Grenzen der Homöopathie, insbesondere im Hinblick auf die Selbstmedikation mit Komplexmitteln.

Komplex-Homöopathatika sind Gemische homöopathischer Einzelmittel. Grundlegendes Prinzip ihres krankheitspräventiven oder therapeutischen Einsatzes ist häufig eine organotrope bzw. indikationsbezogene Auswahl; dabei muss es sich nicht unbedingt um schulmedizinische "Organe" oder "Indikationen" handeln, es gibt z. B. humoralpathologisch gedeutete Organsysteme oder anthroposophisch begründete Indikationen.

Die organotrope Auswahl der Arzneimittel widerspricht allerdings fast allen Grundprinzipien der "klassischen" Auslegung der von Samuel Hahnemann begründeten Homöopathie (1755 – 1843) [2, 3].

Die vier Grundprinzipien der Hahnemann'schen Homöopathie [4] Arzneimittelprüfung am Gesunden

Die Basis der Homöopathie ist die homöopathische Materia medica – ein gigantisches, nunmehr 200 Jahre empirischer Forschungen umfassendes Werk, das die zusammengefassten toxikologisch-pharmakologischen Untersuchungen von Tausenden mineralischer, pflanzlicher und tierischer Substanzen natürlichen Ursprungs sowie zahllosen anthropogenen Verbindungen oder humanen Stoffwechselprodukten enthält.

Diese Stoffe wurden an gesunden Probanden in unterschiedlichen Dosierungen und über unterschiedliche Zeiträume getestet. Die sich dabei ergebenden geistig-seelisch-körperlichen Veränderungen der Prüfpersonen wurden im Einzelnen aufgelistet, mit toxikologischen Erkenntnissen verknüpft, schließlich gruppiert und als sog. Arzneimittelbilder abstrahiert [z. B. 5, 6]. Für die heute erhältlichen homöopathischen Komplexmittel liegen Prüfungen am Gesunden zumeist nicht vor, sondern nur für die enthaltenen Einzelmittel [7].

Ähnlichkeits- oder Simileprinzip

Die Verordnung homöopathischer Mittel erfolgt nach dem Ähnlichkeitsprinzip (similia similibus curentur), das eines der beiden großen Paradigmen klassischer Medizinkonzepte darstellt. Nach dieser Theorie kann ein therapeutischer Reiz mit ähnlicher oder gleicher Qualität wie die Krankheitssymptomatik heilungsfördernd wirken (Simileprinzip) [8].

Eine Mastitis (Brustdrüsenentzündung) geht mit Entzündungszeichen wie Rötung, Schwellung oder Erwärmung des Gewebes einher. Wärmende Umschläge würden somit dem Simileprinzip entsprechen, da sie auch bei der Gesunden z. B. zu einer Rötung oder Erwärmung führen. Kühlende Umschläge hingegen entsprechen – nach homöopathischer Auffassung – dem Prinzip contraria contrariis der "Allopathie" (wie Hahnemann die Schulmedizin seiner Zeit auch bezeichnete).

Auf dem Königsweg der Homöopathie werden jedoch nicht die Beschwerden der typischen Krankheitssyndrome analysiert, sondern "die auffallendern, sonderlichen, ungewöhnlichen und eigenheitlichen (charakteristischen) Zeichen und Symptome des Krankheitsfalles" (§ 153 Organon [4]).

Im Sinne einer ganzheitlichen Medizin erscheint dies nicht ungerechtfertigt, denn die von Homöopathen erfasste Symptomatologie umfasst Zehntausende, wenn nicht gar Hunderttausende von "Zeichen und Symptomen" [z. B. 9, 10], wohingegen der Reduktionismus klinischer Nosologie höchstens 1500 klassifizierte Krankheitssyndrome zulässt (wobei in der Alltagspraxis jedoch nur wenige eine Rolle spielen und individualisierte Symptomkombinationen – außer in der Psychiatrie – irrelevant sind).

Entscheidend bei der homöopathischen Anamnese ist also, das Beschwerdebild des Patienten jenseits der schulmedizinischen Symptomatologie so typisch und eigenheitlich wie möglich zu erkennen. Dann wird der Versuch gemacht, eine Übereinstimmung solcher individuellen Beschwerdebilder mit den erwähnten Arzneimittelbildern herzustellen.

Bei möglichst hoher Übereinstimmung (die z. B. bei der sog. Repertorisation mithilfe von umfänglichen Symptomenverzeichnissen festgestellt werden kann) ist das sog. Simile gefunden, das nun einen Heilungsprozess einleiten kann [11].

Bei der Komplex-Homöopathie werden die Arzneien jedoch nicht nach derartig hochindividuellen Determinanten eingesetzt, sondern nur nach typischen, zumeist somatischen Beschwerden, wie z. B. migräneartigen Kopfschmerzen oder einem wässrigen Fließschnupfen. Die homöopathische Kunst der Similesuche unterbleibt somit zugunsten einer eher indikationsbezogenen, "rationalen" Arzneimittelfindung (die in Deutschland ab den 1920er-Jahren auch bei Ärzten weite Verbreitung fand [z. B. 12]).

Potenzierung

Hahnemann etablierte die vormals alchemistische Arzneistoffaufbereitung der rhythmischen Verdünnung als wesentliches Element der Homöopathie (auch Dynamisierung oder Potenzierung genannt; § 269 ff. Organon [4]). Welcher Art die, wie Hahnemann sagte, "geistartigen Arzneikräfte" denn nun eigentlich sind, ist bis heute ungeklärt. Besonders natürlich nicht bei solchen Verdünnungen, die keinerlei Wirkstoffmoleküle mehr enthalten (oberhalb der D23).

Doch der Anwendung der nach HAB dynamisch aufgeschlossenen Arzneistoffe tut dies keinen Abbruch: Potenzierte Homöopathika sind und bleiben Basis von Homöopathie und Komplex-Homöopathie. Einziger gradueller Unterschied zwischen beiden ist die Neigung der Komplex-Homöopathie, eher unpotenzierte Urtinkturen und Niedrigpotenzen einzusetzen, während in der klassischen Homöopathie vor allem mittlere und hohe Potenzen verwendet werden.

Die Verwendung von Urtinkturen und Niedrigpotenzen macht Komplexmittel natürlich auch für solche Schulmediziner goutierbar, die mit gängigen pharmakologischen Rezeptormodellen den gering verdünnten Arzneistoffen noch eine arzneiliche Wirkung zubilligen können [13].

Verordnung von Einzelmitteln

Eine weitere Grundregel der klassischen Homöopathie ist die bereits von Hahnemann geforderte (§ 273 ff. Organon [4]) ausschließliche Verwendung von Einzelmitteln, also von Mitteln, für die im o. g. Sinne eine Arzneimittelprüfung vorliegt und die durch Potenzierung einzeln aufbereitet sind. Belege für die Richtigkeit dieser Einzelmittelforderung wurden jedoch nie vorgelegt, obwohl der Nachweis problemlos zu erbringen wäre (Vergleich eines Komplexmittelgemisches mit seinem als Gesamtheit geprüften, dynamisierten Pendant).

Auch für die angeblichen Störwirkungen oder Wirkungsverluste, die sich durch unerwünschte Interaktionen mehrerer gleichzeitig eingenommener Homöopathika ergeben sollen, liegen allenfalls subjektive Erfahrungswerte vor.

Die Hahnemann'sche Forderung nach Pharmako-Monotherapie muss im historischen Kontext beurteilt und relativiert werden, denn vor 200 Jahren war sie angesichts der damals üblichen Polypragmasie sehr sinnvoll [14].

Hahnemann: "Doppelmittel sind homöopathisch und echt rationell"

Immer wieder ist zu hören, dass Komplex-Homöopathie lediglich eine Schrotschuss-Therapie sei. Dabei wird gerne übersehen, dass es dem Hasen (also der Krankheit) egal ist, ob er mit einem gezielten Schuss (homöopathisches Einzelmittel) niedergestreckt wird oder durch eines aus einer Menge von Schrotkörnern (Komplexmittel).

Ähnlich muss es vor über 170 Jahren einer der berühmtesten Schüler Hahnemanns, Julius Aegidi, gesehen haben, der nach erfolgreicher Erprobung des Doppelmitteleinsatzes in einigen hundert Fällen Hahnemann 1833 hiervon berichtete [zitiert nach 15] und ein Jahr später seine Erfahrungen auch publizierte [16].

Hahnemann kündigte darauf an, die Doppelmittelverwendung als Erweiterung der bisherigen homöopathischen Paradigmen in der 5. Auflage seines Organons der Heilkunst ("Bibel der Homöopathie") zu publizieren. Wohl der von Angst begründete enorme Druck seiner Schüler sowie fehlende eigene empirische Erfahrungen mit Doppelmitteln führten Hahnemann jedoch zu einem plötzlichen Rückzug der Publikation [17, 18].

So konnte der ergänzte Paragraph 274 (Ausschnitt, siehe Kasten) erst nach seinem Tod in der von seinem Schüler Arthur Lutze herausgegebenen 6. Auflage des Organons publiziert werden [19].

Einzelmittel: Ein an der Erfahrung gescheitertes Paradigma

Alle Versuche im 19. Jahrhundert, den sich in der Praxis vieler Homöopathen ausbreitenden Einsatz von Komplexmitteln durch Unterdrückung empirischer Untersuchungsergebnisse (so gab es z. B. 1857 einen "Widerruf" von Aegidi gegen seine eigene "gräuliche Ketzerei" [20]) oder mittels Publikationsverboten mancher Fachzeitschriften einzuschränken, schlugen jedoch fehl [21].

Bereits im 19. Jahrhundert trugen zu den wachsenden Erfolgen der Homöopathie weniger die dogmatisch an der sog. klassischen Homöopathie festhaltenden Ärzte und Heilpraktiker bei, sondern die Komplexmittel einsetzenden Praktiker, wie der erwähnte Arthur Lutze und viele andere. Heute – rund 170 Jahre später – sind diese Erfolge auch (zumindest ansatzweise) zu erklären.

Simileprinzip und Einzelmittelforderung stellten Homöopathen von Anfang an vor Schwierigkeiten, die auch mit einer ständig wachsenden Materia medica nicht zu bewältigen waren und sind: nämlich bei jedem Patienten möglichst das Simile (oder am besten sogar das Simillimum) zu finden.

So kritisierte schon der renommierte britische Homöopath James Compton Burnett im 19. Jahrhundert: "Dieses Jagen nach einem Mittel für jede Krankheit ist schlichte Ignoranz grundlegender Prinzipien und verhindert den wirklichen Fortschritt" [22].

Während der Mittel-Wechsel in den Augen von Hahnemann (§ 171 Organon [4]) und vielen Homöopathen erlaubt ist (v. a. wenn sie "ausgewirkt" haben [23]), wird die gleichzeitige – und durchaus sinnvoll erscheinende – Gabe mehrerer Mittel in solchen Fällen offenbar als Zugeständnis an die Begrenztheit der Methode oder die eigene therapeutische Unzulänglichkeit aufgefasst. Hierzu bemerkt Sahler: "Es ist anzunehmen, dass viele Homöopathen Komplexmittel anwenden, ohne sich dazu zu bekennen. Die Anwendung solcher Präparate scheint aber einen solchen Vorteil mit sich zu bringen, dass es sich lohnt, sie gleichwohl einzusetzen" [18].

Von vielen Homöopathen mit sehr großer Praxis (hierzu zählte auch Hahnemann [24]) ist zudem bekannt, dass der hohe tägliche Patienten-Durchsatz die Verwendung von Doppel- oder Komplexmitteln erforderte, um bei dem eklatanten Zeitmangel (= Situation in der heutigen Kassenarztpraxis) überhaupt zu vertretbaren therapeutischen Erfolgen gelangen zu können.

Heute bringen zahlreiche Homöopathen noch das zusätzliche Argument vor, die Wirksamkeit der "unitarischen" Einzelmittelhomöopathie habe sich – selbst bei optimalem therapeutischem Vorgehen – immer weiter verschlechtert. Sei es durch neue Umweltbelastungen, Veränderungen von Ernährung und Lebensstil, verlängerte Lebenserwartung oder ein verändertes Krankheitsspektrum. Für eine vollständige Heilung seien Komplexmittel deshalb oft die einzige therapeutische Möglichkeit ("complexa complexis curantur" [60]) [25, 26].

Vieles spricht für Komplex-Homöopathie

Unschädlichkeit Die gleiche Angst vor unerwünschten Nebenwirkungen, unerkannten Interaktionen oder unbekannten Wirkmechanismen wie sie "allopathische" Pharmakologen und Ärzte bei der Propagierung der Monotherapie vor rund 25 Jahren umtrieb, ist ein Impuls vieler Homöopathien (gewesen), mit einem gewissen – aber angesichts der Erfolge der Komplex-Homöopathie jedoch merkwürdig anmutenden – Dogmatismus die als "rein" angesehene Lehre Hahnemanns zu propagieren bzw. gegen eine befürchtete homöopathische Polypragmasie zu verteidigen. Belege für Schadwirkungen durch Komplexmittel sind jedoch – mit wenigen Ausnahmen [27] – niemals vorgelegt worden.

Obwohl ein im individuellen Fall unwirksames homöopathisches Komplexmittelelement theoretisch durchaus zu Arzneisymptomen führen könnte, konstatieren viele Homöopathen immer wieder die Unschädlichkeit dieser Medikamente [z. B. 28]. Einer der Gründe könnte sein, dass Homöopathika überhaupt nur dann physiologisch wirken, wenn sie das korrekte Substrat – im Sinne moderner Rezeptortheorien – vorfinden, und ansonsten völlig unwirksam bleiben [29, 30].

Studien

Der Nachweis der klinischen Wirksamkeit der klassischen Homöopathie war und ist problematisch, wie vielfach dargelegt worden ist [31 – 33], denn das Konzept der randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten, klinischen Studie ist nicht oder nur eingeschränkt auf die Realität der klassisch-homöopathischen Interventionen nach Hahnemann anwendbar [34 – 36]. Dagegen können solche Studien mit fixen homöopathischen Komplexmitteln, die für klar definierte medizinische, auf definierte Organe oder Funktionskreise bezogene Indikationen konzipiert sind, eher durchgeführt werden.

Einstieg in die Homöopathie

Auf der Suche nach wirksamen Therapieprinzipien, die nebenwirkungsärmer als viele Optionen der "allopathischen" Medizin sind, werden viele Ärzte bei der Niedrigpotenz-Komplex-Homöopathie fündig. Komplexmittel können die übrige Behandlung sinnvoll ergänzen (das ist der Wortsinn von "Komplementärmedizin"). Darüber hinaus dient die Komplex-Homöopathie zahlreichen Ärzten auch immer wieder als Einstieg in die klassische Einzelmittel-Homöopathie [37].

Zurzeit haben rund 4500 Ärzte die Zusatzbezeichnung Homöopathie erworben [38], insbesondere Allgemeinmediziner, Kinderärzte und HNO-Ärzte; die Homöopathiekurse aller Ausbildungseinrichtungen sind konstant gefüllt.

Kosten-Nutzen-Relation

Bei vielen Indikationen erscheinen homöopathische Komplexmittel oftmals als kostengünstigere Variante gegenüber den Mitteln der naturwissenschaftlich orientierten Medizin. Nicht zuletzt gilt dies auch im Bereich der Selbstmedikation, in dem noch deutliche Zuwachsraten bei homöopathischen Komplexmitteln zu erwarten sind [18].

Kundenzufriedenheit

Komplementärmedizinische Methoden wie die Komplex-Homöopathie haben bei den Patienten eine hohe Akzeptanz [38]. Viele Studien und Umfragen kommen immer wieder zum gleichen Schluss: Ein Großteil der Bevölkerung wünscht als "natürlich" bezeichnete Behandlungsmethoden, vor allem wegen ihrer angenommenen "Sanftheit" bzw. fehlenden "Aggressivität" und der erhofften "Nebenwirkungsarmut" [39]. Verordner und Apotheker, die ihre Patienten und Kunden entsprechend diesem Wunsch behandeln und beraten, können diese besser an sich binden.

Wirksamkeit

Seit über 150 Jahren befinden sich homöopathische Komplexmittel im täglichen Einsatz [40]. Dies kann nur zweierlei bedeuten:

  • Entweder die Präparate waren/sind unwirksam; dann muss ihre Nebenwirkungsarmut ein so überaus attraktiver Vorteil gegenüber der jeweils herrschenden "allopathischen" Medizin (gewesen) sein, dass diese allein die Beliebtheit der Präparate erklärt.
  • Oder die Präparate haben die gewünschten therapeutischen Effekte.

Nach unserer Meinung sind Wirksamkeit, Nebenwirkungsarmut und transparente Anwendung bei einer Vielzahl von Alltagsindikationen die entscheidenden Kriterien für den Nutzen homöopathischer Komplexmittel. Das gilt auch in Problemfällen, wo Vertreter der klassischen Homöopathie nicht weit kommen (s. o.).

Klinisch nachgewiesene Wirksamkeit bei Standardindikationen

Auch wenn im Vergleich zu "allopathischen" Pharmaka nur geringe finanzielle Ressourcen für Forschung und Entwicklung von Homöopathika zur Verfügung stehen, werden immer wieder Studien durchgeführt, die die Wirksamkeit der Komplex-Homöopathie bei unterschiedlichsten Indikationen untersuchen. Die folgende Übersicht beschränkt sich auf klinische Studien und Anwendungsbeobachtungen und geht nicht auf pharmakologische In-vitro-Studien ein.

Bronchitis, Asthma bronchiale

Die Wirkung eines homöopathischen Komplexmittels, das bei 137 Patienten mit Bronchitis (allein) und Bronchialasthma (adjuvant) geprüft wurde, schätzten die Behandler bei sehr hoher Verträglichkeit zu 84% als gut oder sehr gut ein [41].

Die Autoren einer weiteren Studie konstatierten eine hohe Wirksamkeit bei den meisten der 142 mit einem Komplex-Homöopathikum behandelten Patienten mit Bronchitis-Symptomatik. Die Wirksamkeit war umso besser, je akuter die Symptomatik resp. je kürzer die Bronchitisdauer war [42].

In eine plazebokontrollierte Doppelblindstudie waren 84 Asthmatiker eingeschlossen, von denen 61 zusätzlich zur Standardmedikation (Corticoide, Xanthin-Derivate, Expektoranzien) über 9 Monate ein homöopathisches Komplexmittel injiziert bekamen (alle 5 bis 7 Tage).

Im Behandlungszeitraum verringerten sich in der Verumgruppe die meisten Bronchialasthma-typischen Laborbefunde (Serum-IgE, -IgG, Eosinophilenzahl in Serum und Haut, Serum-ECP u. a.) signifikant gegenüber der Plazebogruppe. Auch die klinische Kondition verbesserte sich deutlich [43].

Pollen-Heuschnupfen

Bei der Hyposensibilisierungsbehandlung (spezifische Immuntherapie), die übrigens zu den homöopathisch inspirierten Therapien gezählt wird, ist der Langzeiterfolg oft unbefriedigend. In einer Pilotstudie konnte mit einem Komplex-Homöopathikum bei 80% der untersuchten 35 Patienten mit Pollinosis eine erhebliche Symptomenverbesserung ohne Nebenwirkungen erzielt werden [44]. Auch eine Vergleichsstudie (Komplex-Homöopathikum vs. Cromoglicinsäure) bei 146 Heuschnupfenbetroffenen zeigte bei 42-tägiger Behandlung die therapeutische Äquivalenz beider Präparate [45].

Akute Sinusitis

Eine Vergleichsstudie umfasste 63 Patienten mit akuter Sinusitis, von denen 33 konventionell (Antibiotika, Sekretolytika, Sympathomimetika) und 30 komplementärmedizinisch (Phytotherapeutikum, Komplex-Homöopathikum) behandelt wurden. Trotz größerer Gruppenheterogenitäten wurden mit beiden Behandlungsstrategien weitgehend identische Ergebnisse erzielt [46].

Auch eine Anwendungsbeobachtung mit einem Komplexmittel bei 119 Sinusitis-Patienten zeigte eine bereits nach 4,1 Behandlungstagen signifikant zunehmende Sekretolyse und damit einhergehende Schmerzlinderung. Bei im Mittel 14-tägiger Behandlungsdauer wurde nur in einem Fall die Gabe eines Antibiotikums notwendig [47].

In einer randomisierten Doppelblindstudie war die Erfolgsrate unterschiedlicher homöopathischer Komplexpräparate bei 152 Patienten mit Sinusitis jeweils etwa gleich hoch (81% bei akuter, 67% bei chronischer Sinusitis) und entsprach jener von Standard-Antibiotika [48].

Grippaler Infekt

In einer Anwendungsbeobachtung bei Patienten mit grippalem Infekt wurde die Krankheitsdauer derjenigen (n = 200), die zusätzlich zur Standardmedikation (Mukolytikum, Antipyretikum/Analgetikum) ein Komplexmittel erhielten, signifikant um 2,3 Tage verkürzt [49].

Mit einer randomisierten, untersucherblinden Studie sollte bei 170 Bundeswehrsoldaten die Effektivität eines Komplex-Homöopathikums mit ASS verglichen werden. Die Autoren stellten eine vergleichbare Wirksamkeit beider Regime fest, präferierten jedoch das Homöopathikum als Stimulans körperlicher Regulationsvorgänge (wohingegen ASS z. B. das Fieber unterdrückt und hierdurch die Virusvermehrung fördert) [50].

Auch Begleitbeschwerden, z. B. eine Tonsillitis, sind mit Komplex-Homöopathika erfolgreich zu therapieren, wie eine Anwendungsbeobachtung mit 107 Patienten zeigte: Bereits nach 2,5 Tagen stellte sich eine signifikante Beschwerdelinderung ein [51].

Rheumatische Beschwerden, Wirbelsäulensyndrom

Ein Komplexmittel, das 55 Patienten mit rheumatischen Beschwerden adjuvant zur balneologischen Behandlung erhielten, wurde aufgrund der Behandlungsergebnisse als mittelstark wirksames Antirheumatikum charakterisiert [52].

Ebenfalls unter Kurbedingungen wurden 82 Patienten mit Wirbelsäulensyndrom adjuvant mit homöopathischen Komplexmitteln (als Externa, Interna sowie mittels Injektion) behandelt. Nach im Mittel 33,4-tägiger Behandlungsdauer war bei 31,4% völlige Schmerzfreiheit und bei 62,1% der Patienten eine gute Besserung der Ausgangssymptomatik erreicht [53].

Unerwünschte Kinderlosigkeit

In einer Studie wurden 119 Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch überwiegend mit Komplex-Homöopathika behandelt. Danach brachten 19% von ihnen lebensfähige Kinder zur Welt (baby take home rate). Einzelmittelhomöopathie führte später in vier weiteren Fällen der Komplexmittelgruppe noch zur Empfängnis [54].

Nicht so deutliche Ergebnisse erzielte eine Heidelberger Gruppe bei 67 infertilen Frauen. Die plazebokontrollierte, randomisierte Doppelblindstudie zeigte jedoch, dass das Komplex-Homöopathikum nach 6 Monaten tendenziell zu besseren Ergebnissen bei zahlreichen Parametern (spontane Menstruation, verbesserte Progesteronspiegel in der Lutealphase, Verkürzung des Zyklus, frühere Ovulation) sowie der Erfolgsrate führte (Verum: 18,7%, Plazebo: 6,4%, statistisch nicht signifikant) [55].

Schmerzen beim Abstillen

71 Frauen, die unter Standardbehandlung abstillten (Naproxen, Reduktion der Trinkmenge), wurden plazebokontrolliert, doppelblind mit einer schmerzlindernden, entzündungshemmenden homöopathischen Doppelmedikation versorgt. Die Verumgruppe hatte signifikant weniger Laktationsschmerzen, Brustspannung oder spontanen Milchfluss [56].

Herpes genitalis

Die Behandlung mit einem Komplex-Homöopathikum erreichte bei 41% von 53 Patienten mit rezidivierendem Herpes genitalis (mind. 4-mal pro Jahr) eine Verlängerung der Rezidivfreiheit um 8 bis 50 Monate. Bei weiteren 32% konnte die Rückfallrate deutlich gesenkt werden [57].

Herzerkrankungen

In einer multizentrischen Studie mit 665 Patienten führte die Anwendung eines homöopathischen Komplexmittels (teils adjuvant zur Standardtherapie mit Antihypertensiva resp. verschiedenen Kardiaka, teils in Monotherapie) bei fast 90% der Patienten zu einem als "gut" oder "sehr gut" bewerteten Therapieerfolg. Am besten und schnellsten sprachen funktionelle Herzbeschwerden und Herzstiche auf die Behandlung an [58].

Die Homöopathie erfreut sich bei der Bevölkerung großer Beliebtheit, weniger bei den gesetzlichen Krankenkassen. So ist zu erwarten, dass in Zukunft weniger Homöopathika verordnet werden und der Anteil der Selbstmedikation in diesem Segment zunimmt. Gute Chancen haben hier insbesondere die homöopathischen Komplexmittel, weil sie indikationsbezogen ausgewählt werden können. Apotheker sollten die Chance nutzen, sich auf diesem Gebiet durch eine kompetente Beratung zu profilieren.

Zusammenfassung Der Einsatz von Komplexmitteln ist eine sinnvolle und zudem bei vielen Indikationen wirksame Ergänzung oder Weiterentwicklung der klassischen Einzelmittel-Homöopathie.

Homöopathischen Therapeuten erlaubt sie bei Schwierigkeiten, das genau auf das Beschwerdebild passende Einzelmittel ("Simile") zu finden, dennoch eine wirkungsvolle Behandlung durchzuführen.

Anderen Therapeuten bieten die arzneimittelrechtlich mit einer klar umrissenen Indikation zugelassenen Komplex-Homöopathika eine rationale Anwendung dieser Präparate und zugleich einen guten Einstieg in die Homöopathie.

Im Bereich der Selbstmedikation sind neben der Wirksamkeit vor allem die in der Regel einfache Handhabung und die damit einhergehende hohe Patienten-Compliance entscheidende Argumente für den Einsatz von homöopathischen Komplexmitteln.

Hahnemann über Doppelmittel "Einzelne zusammengesetzte (complicirte) Krankheitsfälle giebt es, in welchen das Verabreichen eines Doppelmittels ganz homöopathisch und echt rationell ist; wenn nämlich jedes von zwei Arzneimitteln dem Krankheitsfall homöopathisch angemessen erscheint, jedes jedoch von einer anderen Seite; oder wenn der Krankheitsfall auf mehr, als einer der von mir aufgefundenen drei Grundursachen chronischen Leiden beruht." Organon der Heilkunst, § 274 b (Ausschnitt) [19]

Impuls-Homöopathie? – Impulse für die Homöopathie! "Die Homöopathie bildet, glaube ich, eine ebenso wirksame als ungefährliche Methode, und ihre leichteste, um nicht zu sagen ergiebigste Anwendung, ist die … Komplex-Homöopathie. Wenn diese Methode auch nicht die absolute Vollkommenheit erreicht, so entspricht sie doch allen Anforderungen der Praxis und besitzt den Vorteil, dass sie die Homöopathie jedermann zugänglich macht", sagte der Schweizer Homöopath G.-A. Clerc Ende des 19. Jahrhundert [59].

"Jedermann" schließt hier die Laien ein. So sollte auch das vom (ebenfalls aus der Schweiz stammenden) Apotheker Albert Sauter entwickelte System von 36 homöopathischen Arzneien aus ca. 100 verschiedenen Mitteln vor allem "Laien eine leichte und schnelle Mittelwahl ermöglichen" [60].

Die im 19. Jahrhundert häufige Laienanwendung (Selbstmedikation) der Homöopathie ging in den vergangenen Jahrzehnten zugunsten der Therapeuten-gestützten Behandlung stark zurück. Da aber in Zukunft erhebliche Leistungseinschränkungen der GKV im Bereich der Komplementärmedizin zu erwarten sind, wird die klassische Homöopathie in der Arztpraxis – allein schon aus Zeitgründen – immer weniger praktikabel, und der Trend dürfte sich umkehren. Zudem sind auf europäischer Ebene Probleme mit der Zulassung homöopathischer Hochpotenzen absehbar.

Wegen dieser Entwicklungen erscheint es sinnvoll, Laien auf die Möglichkeit der naturheilkundlichen Selbstmedikation hinzuweisen (Hilfe zur Selbsthilfe [61]); Komplexpräparate, die wichtige Alltags-Indikationen abdecken (z. B. Klosterfrau Impuls-Homöopathie), können der Homöopathie insgesamt neue Impulse geben [62].

Der neue Begriff "Impuls-Homöopathie" steht somit vor allem als Synonym für "Homöopathie in der Selbstmedikation". Das unter Schirmherrschaft der Klosterfrau Akademie, Köln, entstandene Sortiment homöopathischer Arzneimittel berücksichtigt besonders die Aspekte von Wirksamkeit und Verträglichkeit sowie die Geeignetheit für die Selbstmedikation.

Ausschlaggebend für die Mittelwahl (teils Komplexmittel, teils Einzelmittel) sind neben positiven, empirischen Therapieerfahrungen die unkomplizierten Indikations- und Einnahmevorschriften, die auch medizinischen Laien eine sichere Handhabung ermöglichen.

Abgedeckt werden in der Selbstmedikation besonders wichtige Indikationsbereiche wie Erkältungskrankheiten, grippale Infekte, Heuschnupfen, rheumatische Schmerzen, nervös bedingte Beschwerden, Schlafstörungen, Magen-Darm-Störungen oder Kreislaufschwäche [63].

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