Aus Kammern und Verbänden

Erfolgsgeschichte: 25 Jahre Homöopathie-Fortbildung

Der Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, Dr. Günther Hanke, begrüßte 450 Fortbildungswillige zur Jubiläumsveranstaltung in der Alten Reithalle in Stuttgart und freute sich außerordentlich über das große Interesse. Für die Apothekerkammer sei es ein richtiger Schritt gewesen, die Homöopathie 1984 in das Fortbildungsprogramm aufzunehmen.

War das Thema Homöopathie nicht immer unumstritten im akademischen Berufsstand, so fand es seine Bestätigung spätestens durch die Verleihung des alternativen Nobelpreises 1996 an Georgos Vithoulkas für seinen außergewöhnlichen Beitrag, homöopathisches Wissen wiederzubeleben und Homöopathen auf höchstem Niveau auszubilden. Gelten weltweit Indien, die USA und Südamerika als Zentren der Homöopathie, so ist in Europa Deutschland das Zentrum und hier ganz besonders der süddeutsche Raum, in dem sich viele Hersteller homöopathischer Arzneimittel mit kleinen Firmen angesiedelt haben. Und dass die Homöopathie mit ihrem Bestreben, Körper, Seele und Geist als eine Ganzheit zu betrachten, auch heute noch aktuell ist, zeigt das große Interesse an den von der Apothekerkammer angebotenen Fortbildungsveranstaltungen.

Geschichte einer unkonventionellen Heilmethode

Prof. Dr. Robert Jütte, Institut für Geschichte der Medizin der Robert-Bosch-Stiftung, Stuttgart, zeichnete den Lebensweg Samuel Hahnemanns als Begründer der Homöopathie nach. Er begann sein Medizinstudium in Leipzig und beendete es 1779 erfolgreich in Erlangen, wo er auch promoviert wurde. 1781 absolvierte er zusätzlich eine praktische pharmazeutische Ausbildung. Durch seine umfangreichen Literaturstudien wusste Hahnemann über die Medizin, die Pharmakologie und Chemie bestens Bescheid und zeichnete sich bei seinen Übersetzungen durch kritische Anmerkungen und Kommentare aus. In der Materia medica, dem Werk des schottischen Pharmakologen William Cullen, stieß Hahnemann auf die These, dass Chinarinde Malaria heilen könne. Hahnemann probierte die Droge selber an sich aus. Er beschrieb diesen Selbstversuch detailliert für die Nachwelt, bei dem er durch die Chinarinde an sich die gleichen Symptome verspürte, wie er sie von der Malaria kannte. Genauso probierte Hahnemann 20 Jahre lang mehr als 100 verschiedene Drogen und Arzneimittel zuerst an sich selbst, später auch systematisch an seiner Frau, an seinen Kindern und an Freunden aus, ehe er die geprüften Arzneien bei der Behandlung seiner Patienten erfolgreich einsetzte. Hahnemann hatte in kürzester Zeit mit der Tochter eines Apothekers elf Kinder gezeugt, die – abgesehen von einer Totgeburt – alle das Erwachsenenalter erreichten. Dies sei, so Jütte, zur damaligen Zeit äußerst außergewöhnlich, fast schon eine Sensation, und spricht dafür, dass seine homöopathischen Versuche an den Kindern sehr erfolgreich waren. Das Heilprinzip der Homöopathie veröffentlichte Hahnemann erstmals im Jahre 1796 und verlangte dabei von seinen Schülern: "Macht‘s nach, aber macht‘s genau nach." Die klassische Homöopathie legt auch heute noch Wert auf die präzise Befolgung von Hahnemanns Vorschriften. Er postulierte die drei Grundprinzipien der Homöopathie: Ähnliches soll mit Ähnlichem behandelt werden. Die Arzneimittelprüfung sollte methodisch am Gesunden erfolgen und die jeweilige Dosis der ausgewählten Arznei sollte den individuellen Bedürfnissen der Patienten angepasst sein. Das methodische Vorgehen mit individueller Anamnese und ausführlicher schriftlicher Dokumentation ist ein Grund dafür, dass die Homöopathie seit 200 Jahren Bestand hat und sich auch heute noch weiterentwickelt. So prüfte Hahnemann zu seiner Zeit 111 homöopathische Arzneimittel, heute gibt es weit über 2000.

Klassische Homöopathie und Selbstmedikation

Oft werden homöopathische Mittel empfohlen, weil "man damit ja nichts falsch machen kann". Dies, so Dr. med. Markus Wiesenauer, sei ein großer Irrtum, denn man kann auch mit der Homöopathie "etwas falsch machen", wenn man sie falsch anwendet.

Schon sehr früh erkannte Hahnemann, dass die Gabe der Urtinktur unterschiedliche Arzneimittelreaktionen auslöste. Hahnemann führte die Potenzierung, die starke Verdünnung bei gleichzeitiger Dynamisierung ein. Dabei, so Wiesenauer, komme es gar nicht undbedingt auf die Höhe der Potenz an, entscheidend sei das Arzneimittel. Allerdings sollte ein Apotheker keine Hochpotenzen abgeben. Wichtiger ist die Auswahl der Einzelmittel unter Berücksichtigung der Causa und der Leitsymptome. Hier gelte es genau darauf zu achten, was man sieht, hört und riecht. Ein Apotheker, der sich mit Homöopathie beschäftigt, fragt seine Patienten anders, hört ihnen anders zu, und das hilft auf jeden Fall in der Patientenberatung. Wichtiger Bestandteil der klassischen Homöopathie sind auch die Konstitutionsmittel. Wobei Konstitution hier nicht nur das Aussehen eines Menschen beschreibt, sondern die Summe körperlicher und psychischer Eigenschaften des Menschen darstellt. Ein Konstitutionsmittel bezieht sich direkt auf die Person, das Erscheinungsbild, den Charakter, die Eigenarten und die typischen Erkrankungen, an denen ein Patient leidet. Als Beispiel nannte Wiesenauer das zahnende Kind: Ist es unleidig, quengelig und nervt seine Eltern nur, dann sei es ein Fall für Chamomilla D12. Ist das Kind von seinem Wesen her eher weinerlich, anschmiegsam, hilfsbedürftig, dann braucht es auch während des Zahnens Zuwendung, menschliche Wärme und ist eher ein Fall für Pulsatilla D12. Mithilfe der Konstitutionsmittel ist es in der Homöopathie möglich, die Kräfte im Patienten hervorzuholen, die er benötigt, Krankheiten oder Anfälligkeiten zu überwinden. Viele Eltern berichten Wiesenauer in der täglichen Praxis, wenn sie über einen längeren Zeitraum Homöopathika einsetzen, dass die Kinder "einfach stabiler werden".

Homöopathie – Standbein in der Selbstmedikation

Pharmazierat Hans-Dieter Hirt, Fellbach, rief zur engeren Zusammenarbeit zwischen den Heilberufen auf: Durch eine gute Vernetzung sei es mittels Fax oder E-Mail heutzutage dem homöopathisch arbeitenden Apotheker durchaus möglich, dem Arzt seines Patienten Ideen, Informationen oder Anregungen mitzuteilen, ohne den Arbeitsalltag zu stören. Dies fördert den Austausch zwischen den Heilberufen und ermöglicht es, die Homöopathie ergänzend zur Schulmedizin einzusetzen. Heilberufler haben sogar die ethische Pflicht, für jeden individuellen Patienten die optimale Zusammenstellung an Arzneimitteln herauszufinden, so Hirt. Wichtig für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sei es, einen Erfolg, den der Patient verspürt, auch dem Arzt zu kommunizieren. Informationen über die Möglichkeiten der Homöopathie und anderer besonderer Therapierichtungen gehören mittlerweile zum Alltag eines Apothekers, die Patienten erwarten auch auf diesem Gebiet Kompetenz in der Beratung und beim Einordnen anderer alternativer Methoden. Bei homöopathischen Einzelmittel übernimmt der Apotheker zusätzlich die "Funktion der Packungsbeilage": mit den richtigen Hinweisen kann er die Einnahme fördern, und durch die entsprechend angepasste Dosierung können Nebenwirkungen reduziert werden. Hirt betonte, dass Homöopathie überall dort wirkt, wo die körpereigene Regulation noch erhalten ist und grundsätzlich eine Möglichkeit zur Selbstheilung besteht. Die homöopathischen Mittel sollen dabei die Regulationsmechanismen im Körper anstoßen. Als Beispiel nannte Hirt Nux vomica D6 als ein wichtiges Regulationsmittel für den gesamten Magen-Darm-Trakt, das als "homöopathisches MCP" bezeichnet wird. Einer seiner Favoriten ist der Holunder: In der Homöopathie ist Sambucus hauptsächlich ein Mittel gegen Schnupfen und Husten bei Säuglingen und Kleinkindern. Sambucus D3 sei vom Säugling bis zum Greis der beste Schleimlöser! Als ein äußerst bewährtes homöopathisches Mittel nannte Hirt Okoubaka, das in D3 bis D6 die Magen-Darm-Flora fördert und als Add-on zu einer Antibiotikatherapie empfohlen wird: es helfe nicht nur Schwermetalle auszuscheiden, sondern auch Bakterientoxine.

Homöopathie und Forschung – ein Problem?

Aktuelle Aspekte der Forschung im Bereich der Homöopathie führte Dr. rer. nat. Henning Albrecht von der Karl und Veronica Carstens-Stiftung aus. In den Naturwissenschaften werden zum Wirksamkeitsnachweis randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudien verlangt, alle Variablen sollten möglichst ausgeschaltet werden. Zudem gilt es zu prüfen, ob ein chemisch definierter Wirkstoff ursächlich auf eine diagnostisch definierte Indikation wirkt. Die Homöopathie dagegen könne diese Kriterien gar nicht erfüllen. Albrecht bezeichnete sie diesbezüglich als "black box". Im Mittelpunkt steht hier das Simile-Prinzip und die individuelle Anamnese, in deren Verlauf ein individuelles Arzneimittel gefunden werden soll – zusammen mit der Potenzierung sei das eine einzige Sammlung von Unbekannten, und mit den Kriterien, die eine evidenzbasierte Medizin vorgibt, nicht in Einklang zu bringen. Ein Perspektivenwechsel sei hier erforderlich. Aber, so Albrecht, auf dem Gebiet der Homöopathie werde durchaus Forschung betrieben. So wurden in der Grundlagenforschung 1377 Experimente durchgeführt, in der Veterinärmedizin neben einer Vielzahl von gesammelten Kasuistiken auch 55 nicht-randomisierte sowie 123 randomisierte Studien. In der Humanmedizin liegen neben einer Fülle an Kasuistiken und Beobachtungsstudien 143 nicht-randomisierte und 351 randomisierte Studien vor, von denen 192 placebokontrolliert waren, so der Stand der Forschung im Oktober 2009.

Homöopathie in Bildern

Giovanni Kohm, ehemaliger Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, zeigte in seinen Persönlichkeitsportraits seine künstlerische Auseinandersetzung mit einem menschlichen Modell und der Homöopathie. Dabei fließen Gedankengänge Hahnemanns ebenso ein, wie die Charakteristik der Arzneimittelbilder, die aus Prüfung und Selbsterfahrung gewonnen wurden. Oftmals gelingt es ihm, eine Ähnlichkeit zu finden zwischen der Persönlichkeit und dem Arzneimittelbild. ck

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