Arzneimittel und Therapie

COX-2-Hemmer: Wenig gastrointestinale Komplikationen unter Celecoxib

Im Zusammenhang mit COX-2-Hemmern gibt es noch offene Fragen: Sind sie ebenso wirksam wie klassische NSAR, aber verträglicher? Wie steht es mit schweren gastrointestinalen, aber auch mit kardiovaskulären Nebenwirkungen? Mit den gastrointestinalen Komplikationen beschäftigten sich erneut eine kanadische Beobachtungsstudie und eine Metaanalyse randomisierter Celecoxib-Studien.

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) gehören zu den meistverwendeten Arzneimitteln überhaupt. In den entwickelten Ländern nehmen etwa 20 bis 30% der älteren Bevölkerung NSAR ein. Bei mechanischen oder entzündlichen Gelenkerkrankungen verringern NSAR die Schmerzen und bessern die Funktionsfähigkeit. Als Nebenwirkung können jedoch schwere gastrointestinale Komplikationen auftreten. Allein in Großbritannien versterben jährlich über 2000 Menschen an den gastrointestinalen Nebenwirkungen von NSAR.

Nichtsteroidale Antirheumatika hemmen die Cyclooxygenase (COX) 1 und 2. Da die COX-1-Hemmung für die gastrointestinale Toxizität verantwortlich ist, erhoffte man sich von der Entwicklung selektiver COX-2-Hemmer eine bessere gastrointestinale Verträglichkeit bei gleicher Wirksamkeit.

Als selektive COX-2-Hemmer stehen heute Celecoxib (Celebrex®) und Rofecoxib (Vioxx®) zur Verfügung. Celecoxib wurde in der CLASS-Studie, Rofecoxib in der VIGOR-Studie mit klassischen NSAR auf Wirksamkeit und Sicherheit verglichen. Beide Studien zeigten eine gegenüber NSAR verringerte gastrointestinale Toxizität. VIGOR ergab allerdings eine Erhöhung schwerer kardiovaskulärer Nebenwirkungen.

Beobachtungsstudie in Kanada

In einer kanadischen Kohortenstudie wurde die Häufigkeit von Blutungen im oberen Gastrointestinaltrakt bei über 65-Jährigen untersucht, die mit der Einnahme eines klassischen NSAR oder eines COX-2-Hemmers begonnen hatten. Die Studie basierte auf den Daten von mehr als 1,3 Millionen Senioren in der kanadischen Provinz Ontario.

Retrospektiv wurden Personen erfasst, die zwischen April 2000 und März 2001 entweder mit

  • einem klassischen NSAR (n = 5391),
  • Diclofenac plus Misoprostol (n = 5087),
  • Rofecoxib (n = 14583) oder
  • Celecoxib (n = 18908)

behandelt worden waren. Sie hatten im Jahr zuvor keinen dieser Arzneistoffe erhalten.

Ihnen wurde eine zufällig ausgewählte Kontrollgruppe von 100 000 Senioren gegenübergestellt, die im Studienzeitraum nicht mit den genannten Arzneistoffen behandelt worden waren. Zielkriterium war das relative Risiko, wegen einer Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt ins Krankenhaus zu kommen. Als mögliche Störfaktoren wurden Krankenhausaufnahmen, diagnostische Maßnahmen am Magen-Darm-Trakt, Arzneimitteleinnahme, Alter, Geschlecht, Langzeitpflege und niedriges Einkommen berücksichtigt. Die durchschnittliche Beobachtungszeit lag unter 6 Monaten.

COX-2-Hemmer senken gastrointestinales Blutungsrisiko

Im Vergleich zur Kontrollgruppe betrug das Risiko für eine Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt bei

  • Patienten, die NSAR einnahmen, 4,0
  • Patienten, die Diclofenac plus Misoprostol einnahmen, 3,0
  • Patienten, die Rofecoxib einnahmen, 1,9
  • Patienten, die Celecoxib einnahmen, 1,0.

Am wenigsten Blutungen unter Celecoxib

Im Vergleich zu Celecoxib-Anwendern hatten Patienten mit NSAR, Diclofenac plus Misoprostol oder Rofecoxib ein höheres Risiko für eine Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt (relatives Risiko 4,4, 3,2, bzw. 1,9). Im Vergleich zu Patienten mit Rofecoxib hatten Patienten mit NSAR ein höheres Blutungsrisiko im oberen Gastrointestinaltrakt (relatives Risiko 1,9).

Dieser Beobachtungsstudie zufolge ist das kurzfristige Blutungsrisiko im Magen-Darm-Trakt unter COX-2-Hemmern signifikant niedriger als unter klassischen NSAR. Überraschenderweise war das Blutungsrisiko unter Celecoxib signifikant niedriger als unter Rofecoxib und entsprach dem der Kontrollgruppe.

Metaanalyse der Celecoxib-Studien

Eine systematische Übersicht (Synonym: Metaanalyse) randomisierter, kontrollierter Studien beschäftigte sich mit der Wirksamkeit, Verträglichkeit und gastrointestinalen Sicherheit von Celecoxib in der Behandlung der chronischen Polyarthritis und Arthrose. Erfasst wurden Studien ausreichender Qualität, in denen Celecoxib mindestens 12 Wochen lang verabreicht und mit einem nichtsteroidalen Antirheumatikum oder Plazebo verglichen wurde, wobei über Wirksamkeit, Verträglichkeit und/oder Sicherheit berichtet wurde. Celecoxib musste in zugelassener therapeutischer Dosis, das NSAR in Standarddosis eingesetzt worden sein. Als Sicherheitsdaten wurden auch Ergebnisse ausgewertet, bei denen Celecoxib in supratherapeutischer Dosis angewendet worden war.

Wirksamkeitskriterien waren der WOMAC (= Western Ontario MacMaster University-Index) sowie der ACR-20 (American College of Cardiology) Responder-Index und Gelenk-Scores für die chronische Polyarthritis. Die Verträglichkeit wurde anhand der Therapieabbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen nach 12 Wochen beurteilt. Die gastrointestinale Sicherheit wurde anhand folgender Kriterien erfasst:

  • Häufigkeit von Ulcera, die bei einer routinemäßigen Endoskopie nach 12 und 24 Wochen entdeckt wurden
  • Häufigkeit symptomatischer Ulcera, Perforationen, Blutungen und Obstruktionen innerhalb von 24 Wochen

Nach entsprechenden Studien wurde einerseits in Datenbanken (Medline, Embase und Cochrane) gesucht, andererseits wurden die Hersteller gebeten, alle veröffentlichten und unveröffentlichten Celecoxib-Studien zur Verügung zu stellen. Die Hersteller mussten schriftlich bestätigen, dass sie kein Studienmaterial vorenthielten.

Ebenso wirksam wie nichtsteroidale Antirheumatika

Neun Studien mit 15 187 Patienten erfüllten die Anforderungen. In je drei Studien wurde die Wirksamkeit von Celecoxib bei chronischer Polyarthritis bzw. Arthrose untersucht. Bei beiden Erkrankungen zeigte sich Celecoxib in allen Kriterien wirksamer als Plazebo und mit NSAR vergleichbar. Als nichtsteroidale Antirheumatika waren Naproxen (zweimal täglich 500 mg) bzw. Diclofenac (zweimal täglich 75 mg) eingesetzt worden.

Nach 12 Wochen unterschied sich die Therapieabbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen nicht zwischen Celecoxib und NSAR. Die Therapieabbruchrate aufgrund gastrointestinaler Nebenwirkungen war jedoch unter Celecoxib um 46% (signifikant) verringert.

Weniger Ulcera und Ulcuskomplikationen

Bei Celecoxib-Anwendern wurden gastrointestinale Ulcera um 71% (signifikant) seltener endoskopisch entdeckt als bei NSAR-Anwendern. Bei Patienten ohne Acetylsalicylsäure-Einnahme war der Unterschied größer als bei Patienten, die niedrig dosiert Acetylsalicylsäure einnahmen (73% gegenüber 51%).

In der CLASS-Studie wurden auch symptomatische Blutungen, Perforationen und Obstruktionen im Gastrointestinaltrakt erfasst. Hiervon waren 11 Celecoxib-Anwender und 20 NSAR-Anwender betroffen. Zusammen waren Ulcuskomplikationen und symptomatische Ulcera unter Celecoxib um 39% (signifikant) seltener als unter NSAR. Die Metaanalyse ergab also für Celecoxib eine mit klassischen nichtsteroidalen Antirheumatika vergleichbare Wirksamkeit bei besserer gastrointestinaler Verträglichkeit und Sicherheit.

"Osteoarthritis" und "rheumatoid arthritis" – was ist das?

Im angelsächsischen Raum spricht man von "osteoarthritis" und "rheumatoid arthritis". "Osteoarthritis" muss mit Arthrose übersetzt werden, bezeichnet also eine degenerative Gelenkerkrankung. "Rheumatoid arthritis" ist die chronische Polyarthritis, eine Entzündung mehrerer Gelenke.

CLASS und VIGOR

CLASS (Celecoxib longterm arthritis safety study) Teilnehmer waren fast 8000 Patienten mit Arthrose (73%) oder chronischer Polyarthritis (27%). Zweimal täglich 400 mg Celecoxib wurden mit dreimal täglich 800 mg Ibuprofen bzw. zweimal täglich 75 mg Diclofenac verglichen. VIGOR (Vioxx® gastrointestinal outcomes research) Teilnehmer waren über 8000 Patienten mit chronischer Polyarthritis. Einmal täglich 50 mg Rofecoxib wurden mit zweimal täglich 500 mg Naproxen verglichen.

Metaanalyse

Als Metaanalyse bezeichnet man die in der Regel retrospektive, systematische quantitative Zusammenfassung vorhandener Studien, um aussagekräftigere Informationen zu gewinnen.

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