Arzneimittel und Therapie

Risiken der Hormonsubstitution neu bewerten (Kommentar)

Die einen haben ja schon immer gewusst, dass die viele Chemie dem weiblichen Körper schadet, die anderen werden nun ihrem genialen Jungbrunnen nachtrauern, der anscheinend nun doch einige Pferdefüße hat.

In der aktuellen Ausgabe des Journal of the American Medical Association wird über die Ergebnisse einer großen Studie der Women's Health Initiative (WHI) berichtet, in der die Hormonsubstitution in der Menopause zur Primärprävention der koronaren Herzkrankheit und des Herzinfarktes untersucht wurde.

Diese Studie wurde jetzt vorzeitig nach 5,2 Jahren (geplant waren 8,5 Jahre) gestoppt, weil die Brustkrebsrate durch die Hormonsubstitution erhöht wurde, ohne dass sich die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringerte. Es kam im Gegenteil pro 10000 Frauen zu sieben Herzinfarkten mehr als unter der Plazeboeinnahme. Dickdarmkrebs kam bei den Frauen unter der Hormoneinnahme allerdings etwas seltener vor. Die Gesamtsterblichkeit war in beiden Gruppen gleich.

Schon seit einigen Jahren zeichnet sich ab, dass die postmenopausale Hormonsubstitution auch ihre Tücken hat. 1998 wurde mit der "Heart and Estrogene/Progestin Replacement Study" (HERS) die erste randomisierte Langzeit-Interventionsstudie zur Hormonsubstitution nach den Wechseljahren publiziert.

Mit täglich 0,625 mg konjugierten Östrogenen plus 2,5 mg Medroxyprogesteronacetat ließen sich koronare Ereignisse bei 2763 Frauen mit manifester koronarer Herzerkrankung nicht besser verhindern als mit Plazebo. Im ersten Anwendungsjahr nahmen Komplikationen sogar zu. Im vierten und fünften Jahr deutete sich eine geringfügige Abnahme unter Verum an.

Möglicherweise zeigt sich der günstige Effekt der Hormone erst nach längerer Einnahme, so vermutete man damals. Diese Annahme konnte jedoch in einer längeren Nachbeobachtung nicht bestätigt werden, deren Ergebnisse jetzt bekannt wurden: Das Herzinfarktrisiko veränderte sich in dieser Studie durch die Hormoneinnahme nicht, dafür erhöhte sich aber das Risiko von Thromboembolien und Gallenblasenerkrankungen. Krebserkrankungen einschließlich Brustkrebs nahmen nicht signifikant zu.

Jetzt müssen Nutzen und Risiko der Hormonsubstitution neu bewertet werden. Während starke Wechseljahresbeschwerden nach wie vor ein guter Grund sind, über eine kürzere Dauer Hormone einzunehmen, ist es die Langzeiteinnahme zur Vorbeugung vor Herzinfarkten nun definitiv nicht mehr. Anders kann die Bilanz aussehen, wenn eine Frau stark osteoporosegefährdet ist. Hat sie kein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Thromboembolien und Brustkrebs, kann sich für sie eine Hormoneinnahme durchaus lohnen. Andererseits gibt es für diese Indikation auch alternative Therapieformen.

Panik und übereiltes Handeln ist trotz der neuen Erkenntnisse nicht angezeigt, denn die absoluten Risiken sind nach den Daten der WHI-Studie eher gering: Pro Jahr erkranken von 10000 gesunden Frauen, welche die Hormone einnehmen, im Vergleich zu Plazebo acht Frauen zusätzlich an Brustkrebs, sieben zusätzlich an der koronaren Herzkrankheit, acht zusätzlich an einem Schlaganfall und 18 zusätzlich an einer Thromboembolie. Insgesamt ist eine von 100 Frauen durch die Hormonsubstitution bedroht. So bleibt auch jetzt noch genügend Zeit, jede Hormonsubstitution individuell zu beurteilen und gegebenenfalls abzuändern. Zur allgemeinen Gesundheitsvorsorge und zur Vorbeugung vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen können die Hormone jedenfalls nicht mehr empfohlen werden.

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