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Die Hormonersatztherapie in und nach den Wechseljahren ist unter Beschuss geraten. Der Grund dafür: In einer großen Studie der Women's Health Initiative (WHI), die Anfang Juli veröffentlicht wurde (wir berichteten in DAZ 29 und 30), wurde die Brustkrebsrate durch die Hormonsubstitution erhöht, ohne dass sich die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringerte. Es kam im Gegenteil pro 10 000 Frauen zu sieben Herzinfarkten mehr als unter der Plazeboeinnahme.

Die WHI-Studie ist ein gutes Beispiel dafür, wie gut Wissenschaft auch entgegen den wirtschaftlichen Interessen der Pharmaindustrie funktionieren kann, denn eigentlich hatte man ein anderes Ergebnis erwartet: In der Studie sollte gezeigt werden, dass Hormonersatzpräparate zur Primärprävention der koronaren Herzkrankheit und des Herzinfarktes geeignet sind. Bei einem positiven Ergebnis wären diese Präparate noch viel breiter eingesetzt worden, als das ohnehin schon der Fall ist – als Herzschutz für jede Frau. Für diese Indikationen waren und sind sie zwar bei uns bis jetzt nicht zugelassen, aber die erhoffte Reduktion des Herz-Kreislauf-Risikos diente Ärzten und Patientinnen in der Vergangenheit bereits oft als zusätzliches Argument für die Hormoneinnahme.

Und warum auch nicht: Bei der Bewertung von Nutzen und Risiko der Hormonsubstitution ging man bisher von einem weit überwiegenden Nutzen aus, Hormonpräparate wurden deshalb relativ unkritisch sehr vielen Frauen empfohlen. So sollte die Sterblichkeit postmenopausaler Frauen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch eine Hormonsubstitution um bis zu 50% gesenkt werden. Selbst die von Karzinomen abhängige Sterberate sollte durch die Hormonsubstitution um etwa 30% verringert werden, so hoffte man.

Diese Argumente sind nun zumindest vorläufig widerlegt. Jetzt müssen Nutzen und Risiko der Hormonsubstitution neu bewertet werden, wie auch in unserem Interview mit dem Gynäkologen Professor Hans Georg Bender auf S. 30 – 31 deutlich wird. Während starke Wechseljahresbeschwerden nach wie vor ein guter Grund sind, über eine kürzere Dauer Hormone einzunehmen, ist es die Langzeiteinnahme über vier bis fünf Jahre zur Vorbeugung vor Herzerkrankungen nun definitiv nicht mehr.

Anders kann die Bilanz aussehen, wenn eine Frau stark osteoporosegefährdet ist. Hat sie kein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Thromboembolien und Brustkrebs, kann sich für sie eine Hormoneinnahme durchaus lohnen. Andererseits gibt es für diese Indikation auch alternative Therapieformen, zum Beispiel die Bisphosphonate und Östrogenrezeptor-Modulatoren wie Raloxifen. Wie sich diese Substanzen bei einer Langzeitgabe auswirken, ist allerdings noch nicht ausreichend untersucht.

Ob nur das Gestagen Medroxyprogesteronacetat, das in der WHI-Studie untersucht wurde, die ungünstigen Wirkungen auslöst oder ob sich auch andere Gestagene ähnlich ungünstig auswirken, ist heute noch unklar. Und natürlich wünschen sich die Hersteller von Hormonpflastern und anders zusammengesetzten Mitteln, dass ihre Präparate von der Kritik verschont bleiben. Bis jetzt fehlen jedoch große Studien mit den in Deutschland verwendeten Hormonpräparaten.

Nun stellt sich die Frage, was man seinen Kundinnen in der Apotheke empfehlen soll. Der erwartete Aufschrei der Empörung bei Patientinnen und Ärzten bleibt momentan offensichtlich aus, und viele Frauenärzte ignorieren die neuen Ergebnisse schlicht und einfach. Panik und übereiltes Handeln ist trotz der neuen Erkenntnisse tatsächlich nicht angezeigt, denn die absoluten Risiken sind nach den Daten der WHI-Studie eher gering: Pro Jahr erkranken von 10 000 gesunden Frauen, welche die Hormone einnehmen, im Vergleich zu Plazebo acht Frauen zusätzlich an Brustkrebs, sieben zusätzlich an der koronaren Herzkrankheit, acht zusätzlich an einem Schlaganfall und 18 zusätzlich an einer Thromboembolie.

Insgesamt ist eine von 100 Frauen durch die Hormonsubstitution bedroht, wobei sich aber die Gesamtsterblichkeit nicht erhöht. So bleibt auch jetzt noch genügend Zeit, jede Hormoneinnahme individuell zu beurteilen und gegebenenfalls abzuändern. Gute Nachrichten gibt es hingegen für Frauen, die hormonale Kontrazeptiva einnehmen: Für diese konnte in einer neuen Studie gezeigt werden, dass ein Anstieg des Brustkrebsrisikos nicht befürchtet werden muss.

Mit Nahrungsergänzungsmitteln für Kraftsportler sollen zwar keine Defizite ersetzt, aber dafür ein Mehrbedarf ausgeglichen und eine Unterversorgung vermieden werden. Dass das nicht immer so einfach ist, wie die Werbung der Hersteller von Energiekonzentraten und Muskelaufbaupräparaten vorgaukelt, können Sie in unserem Beitrag ab Seite 47 nachlesen, in dem wir unter anderem Eiweiß-Konzentrate für Möchtegern-Muskelprotze kritisch unter die Lupe nehmen.

Allerdings ist es hier ähnlich wie mit den Schlankheitsmitteln: Unsere Kunden verlangen diese Präparate und sind von ihrer Wirkung überzeugt. Wir haben dann die Aufgabe, möglichst vernünftig zusammengesetzte Produkte zu empfehlen und von gefährlichen Mixturen abzuraten. So können Vitamin- und Mineralstoffpräparate eine wertvolle Nahrungsergänzung sein. L-Carnitin bringt wahrscheinlich gar nichts, Kreatin kann hingegen mehr schaden als nützen, und wer unbedingt Eiweißpräparate zu sich nehmen möchte, sollte viel trinken, um die Nieren nicht zu schädigen.

Bettina Hellwig

Hormonsubstitution: kein Schutz für das Herz

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