Arzneimittel und Therapie

Postmenopause: Schützt Raloxifen vor Herzinfarkt und Schlaganfall?

Östrogenmangel ist eine Hauptursache für Osteoporose bei Frauen nach den Wechseljahren. Mit selektiven Östrogenrezeptor-Modulatoren wird versucht, in den gestörten Knochenstoffwechsel einzugreifen. Raloxifen senkt das relative Risiko einer Wirbelfraktur, und die Knochendichte erhöht sich signifikant. Darüber hinaus hat Raloxifen auch einen günstigen Einfluss auf das Lipidprofil und damit auf das kardiovaskuläre Risiko. Bisher fehlten aber klinische Daten, ob Raloxifen tatsächlich vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen bewahrt.

Postmenopausale Frauen mit Osteoporose bekamen in der MORE-Studie vier Jahre lang Raloxifen in der Tagesdosis 60 oder 120 mg oder ein Plazebo. In der Untergruppe der Frauen mit hohem kardiovaskulärem Risiko oder manifester kardiovaskulärer Erkrankung war das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse gegenüber Plazebo signifikant verringert.

Randomisierte klinische Studien haben für die postmenopausale Hormontherapie bei Frauen mit koronarer Herzkrankheit keinen Nutzen im Hinblick auf das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse gezeigt. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass das Risiko akuter Koronarereignisse in den ersten Monaten einer Hormonsubstitution höher ist als unter Plazebo.

Ob der selektive Östrogenrezeptor-Modulator Raloxifen (Evista®) das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse bei postmenopausalen Frauen beeinflusst, wird in der RUTH-Studie (= Raloxifen Use for The Heart) an über 10 000 Frauen mit koronarer Herzkrankheit oder mehreren KHK-Risikofaktoren untersucht. Die Ergebnisse sind jedoch erst in mehreren Jahren zu erwarten. Deshalb wurde die MORE-Studie (Multiple Outcomes of Raloxifen Evaluation), an der über 7000 postmenopausale Frauen mit Osteoporose teilgenommen hatten, nachträglich auf den Einfluss von Raloxifen auf die kardiovaskuläre Ereignisrate analysiert.

Nur Teilnehmerinnen mit Osteoporose

Die randomisierte, plazebokontrollierte Doppelblindstudie fand an 180 Zentren in 25 Ländern statt. Die Teilnehmerinnen waren seit mindestens zwei Jahren in der Postmenopause. Alle hatten eine Osteoporose; sie hatten entweder bereits eine Wirbelfraktur erlitten oder eine pathologische Knochendichte (T-Wert ≤ 2,5). Die Frauen nahmen randomisiert vier Jahre lang täglich 60 oder 120 mg Raloxifen oder ein Plazebo ein. Alle bekamen zusätzlich pro Tag 500 mg Calciumionen und 400 bis 600 I. E. Vitamin D.

Sie wurden zu Beginn, nach drei und nach sechs Monaten und dann halbjährlich untersucht. Primäres Zielkriterium waren Knochendichte und Wirbelfrakturen. In der MORE-Studie wurden aber auch kardiovaskuläre Ereignisse als Sicherheitsendpunkte registriert. Dies waren Herzinfarkt, instabile Angina pectoris und Koronarischämie als Koronarereignisse sowie Schlaganfall und transiente ischämische Attacke (TIA) als zerebrovaskuläre Ereignisse. Alle kardiovaskulären Ereignisse wurden von einem Kardiologen beurteilt, der die jeweilige Therapie nicht kannte.

Nachträgliche Analyse

In einer nachträglichen Analyse wurde der Effekt von Raloxifen auf das kardiovaskuläre Risiko bestimmt. Hierzu wurde nach einem und nach vier Jahren Behandlung die Zahl der Frauen mit einem kardiovaskulären Ereignis in den drei Gruppen verglichen. Zusätzlich wurde die Untergruppe der Frauen bewertet, die zu Beginn bereits eine manifeste kardiovaskuläre Erkrankung (Schlaganfall, Herzinfarkt, bereits durchgeführte koronare Bypassoperation oder PTCA) oder ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse aufwiesen.

7705 Frauen nahmen an der MORE-Studie teil. Sie waren im Mittel 67 Jahre alt und seit durchschnittlich 19 Jahren in der Postmenopause. Weniger als 3% (n = 202) hatten bereits eine manifeste kardiovaskuläre Erkrankung. 10,8% (n = 833) wiesen ein hohes kardiovaskuläres Risiko auf, aber noch keine manifeste kardiovaskuläre Erkrankung. 2557 Frauen bekamen 60 mg Raloxifen zur täglichen Einnahme, 2572 Frauen 120 mg Raloxifen und 2576 ein Plazebo. Etwa gleich viele Frauen brachen die Behandlung vorzeitig ab (670, 647 bzw. 679). Die kardiovaskulären Ereignisse wurden in einer Intention-to-treat-Analyse ausgewertet.

272 Frauen erlitten während der Studie mindestens ein kardiovaskuläres Ereignis: 156 ein koronares (davon 31 tödlich) und 117 ein zerebrovaskuläres (davon 14 tödlich). In der gesamten Kohorte gab es zwischen den drei Behandlungsgruppen keine signifikanten Unterschiede in der Zahl der Ereignisse. Das relative Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis betrug im Vergleich zur Plazebogruppe für Frauen mit 60 mg Raloxifen 0,86 und für Frauen mit 120 mg Raloxifen 0,98. Ähnliche Ergebnisse hatte die getrennte Auswertung koronarer und zerebrovaskulärer Ereignisse.

Signifikante Unterschiede in der Hochrisikogruppe

In der Untergruppe der 1035 Frauen, die bereits zu Beginn ein hohes kardiovaskuläres Risiko oder eine manifeste kardiovaskuläre Erkrankung hatten, traten mit Raloxifen signifikant weniger kardiovaskuläre Ereignisse auf als mit Plazebo. Das relative Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse betrug in der Hochrisikogruppe für beide Raloxifen-Dosierungen 0,60. Das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse war also gegenüber Plazebo um 40% verringert.

Kein erhöhtes Risiko im ersten Jahr

Es gab keinen Hinweis auf eine erhöhte Zahl kardiovaskulärer Ereignisse im ersten Behandlungsjahr mit Raloxifen. In diesem Zeitraum unterschied sich die Zahl kardiovaskulärer Ereignisse weder in der Gesamtkohorte noch bei den Frauen mit erhöhtem Risiko oder manifester Erkrankung zwischen den Behandlungsgruppen. Bevor Raloxifen zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse eingesetzt werden kann, müssen die Ergebnisse erst in einer randomisierten Studie bestätigt werden, in der kardiovaskuläre Ereignisse vorab als Zielkriterium festgelegt sind.

Kastentext: Selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERM)

SERM sind Substanzen, die eine hohe Affinität sowohl zu Östrogen-alpha- als auch -beta-Rezeptoren haben und die in bestimmten Organen Östrogen-agonistisch und auf andere wie Östrogene wirken. Die Fähigkeit gewebespezifische Reaktionen hervorzurufen, hängt wahrscheinliche mit Unterschieden in der Östrogenrezeptorbindungsaffinität und der Östrogenrezeptorverteilung in den Geweben zusammen. SERM können ähnlich den Östrogenen osteo- und kardioprotektiv wirken, und gleichzeitig antiproliferative Wirkungen auf reproduktives Gewebe ausüben – ein günstiger Ansatz für die postmenopausale Hormonsubstitution.

Der derzeit einzig therapeutisch genutzte Wirkstoff ist das nichtsteroidale Raloxifen, das in Deutschland seit 1998 zur Prävention der Osteoporose postmenopausaler Frauen zugelassen ist. Raloxifen stimuliert weder das Endometrium noch die Brustdrüse und vermindert wahrscheinlich das Risiko für Mammakarzinom. Sein relativ schwacher, aber signifikanter Effekt auf die Knochendichte (+ 2 bis 3%/2 Jahre) genügt für die Prophylaxe und vermindert die Inzidenz von Wirbelkörperfrakturen um etwa die Hälfte, vergleichbar mit anderen Therapien.

Literatur

Barrett-Connor, E., et al.: Raloxifene and cardiovascular events in osteoporotic postmenopausal women. J. Am. Med. Asoc. 287, 847 – 857 (2002).

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