Pharmazeutisches Recht

Hessen: Drogenkonsumräume

Verordnung über die Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen Vom 10. September 2001 (GVBl. S. 387 vom 24. September 2001)

Aufgrund des § 10 a Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes in der Fassung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1180), wird verordnet:

§ 1: Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis

Das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium kann auf Antrag eine Erlaubnis zum Betrieb eines Drogenkonsumraums nach § 10 a Abs. 1 Satz 1 des Betäubungsmittelgesetzes erteilen. Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn die in § 2 dieser Verordnung aufgeführten Betriebszwecke verfolgt und die Mindeststandards nach den §§ 3 bis 12 dieser Verordnung erfüllt werden.

§ 2: Betriebszweck

(1) Drogenkonsumräume müssen der Gesundheits-, Überlebens- und Ausstiegshilfe für Drogenabhängige dienen und in das Gesamtkonzept des regionalen Drogenhilfesystems eingebunden sein. Der weiterführende und ausstiegsorientierte Charakter von Drogenkonsumräumen muss in der Konzeption und der Außendarstellung erkennbar sein.

(2) Der Betrieb von Drogenkonsumräumen muss dazu beitragen, 1. die durch Drogenkonsum bedingten Gesundheitsgefahren zu senken, 2. die Behandlungsbereitschaft der Nutzerinnen und Nutzer zu wecken und dadurch den Einstieg in den Ausstieg aus der Sucht einzuleiten, 3. die Inanspruchnahme weiterführender Hilfen einschließlich der ärztlichen Versorgung zu fördern, 4. die Belastungen der Öffentlichkeit durch konsumbezogene Verhaltensweisen zu reduzieren.

§ 3: Ausstattung

(1) Der Drogenkonsumraum muss von anderen Beratungseinrichtungen räumlich getrennt, ausreichend beleuchtet und stets vollständig einsehbar sein. Nur hier darf ein Konsum stattfinden. Die Räumlichkeiten müssen die für den Drogengebrauch wechselnder Personen notwendigen hygienischen Voraussetzungen erfüllen. Insbesondere müssen Wände, Böden und Einrichtungsgegenstände abwaschbar und desinfizierbar sein. Ausreichende sanitäre Anlagen müssen vorhanden sein.

(2) Sterile Einmalspritzen und Kanülen, Tupfer, Ascorbinsäure und Injektionszubehör sind in ausreichendem Umfang vorzuhalten. Die sachgerechte Entsorgung gebrauchter Spritzbestecke ist sicherzustellen.

§ 4: Notfallversorgung

(1) Eine sofort einsatzfähige medizinische Notfallversorgung muss gewährleistet sein. Hierfür ist eine ständige Sichtkontrolle der Verabreichungsvorgänge durch in der Notfallversorgung geschultes Personal erforderlich, um im Bedarfsfalle sofortige Wiederbelebungsmaßnahmen oder eine akute Wundversorgung zu ermöglichen.

(2) Es muss sichergestellt sein, dass der Zugang zum Drogenkonsumraum für externe Rettungsdienste schnell und problemlos zu erreichen ist.

(3) Die Einzelheiten der Notfallversorgung sind in einem medizinischen Notfallplan festzuhalten, der ständig zu aktualisieren ist und dem Personal zur Verfügung stehen muss. Der Notfallplan beinhaltet auch die Unfallschutzprävention und Maßnahmen bei Verletzungen des Personals. Der Notfallplan ist der Überwachungsbehörde auf Verlangen vorzulegen.

§ 5: Medizinische Beratung und Hilfe

(1) Den Nutzerinnen und Nutzern des Drogenkonsumraums ist in allen verabreichungsrelevanten Fragen medizinische Beratung und Hilfe zu gewähren. Hierzu zählen auch Infektions- und Gesundheitsrisiken bei bestimmten Betäubungsmitteln, soweit deren Zusammensetzung bekannt ist, und bei bestimmten Konsumformen. Auf zusätzliche Risiken durch unbekannte Beimischungen ist gesondert hinzuweisen.

(2) Medizinische Beratung und Hilfe dürfen nur durch nachweislich geschultes Personal erfolgen.

§ 6: Vermittlung von weiterführenden und ausstiegsorientierten Angeboten

(1) Das Personal hat über eine suchtspezifische Erstberatung hinaus über weitergehende und ausstiegsorientierte Beratungs- und Behandlungsangebote zu informieren und diese bei Bedarf zu vermitteln.

(2) Personen, die einen Entgiftungswunsch äußern, sind die notwendigen Hilfestellungen bei der Kontaktaufnahme zu geeigneten Einrichtungen zu gewähren.

§ 7: Verhinderung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz

(1) Es ist eine Hausordnung zu erlassen und sichtbar auszuhängen. Die Nutzerinnen und Nutzer sind darin darauf hinzuweisen, dass Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, abgesehen vom Besitz von Betäubungsmitteln zum Eigenverbrauch in geringer Menge nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Betäubungsmittelgesetzes, innerhalb des Drogenkonsumraums nicht geduldet werden.

(2) Die Einhaltung der Hausordnung ist durch das Personal zu überwachen.

(3) Bei erheblichen Verstößen gegen die Hausordnung sind die betreffenden Personen von der weiteren Nutzung auszuschließen. Über die Dauer des Ausschlusses entscheidet die Leitung der Einrichtung.

§ 8: Verhinderung von Straftaten im Umfeld der Einrichtung

Die Träger von Drogenkonsumräumen haben mit den zuständigen Gesundheits-, Ordnungs- und Strafverfolgungsbehörden Grundzüge ihrer Zusammenarbeit verbindlich festzulegen. Einrichtungsbedingte Auswirkungen auf das unmittelbare räumliche Umfeld sind zu dokumentieren. Die Träger haben – insbesondere mit den zuständigen Polizeidienststellen – regelmäßig Kontakt zu halten mit dem Ziel, frühzeitig Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im unmittelbaren Umfeld des Drogenkonsumraums zu verhindern.

§ 9: Nutzerkreis, Konsumstoffe und Konsumarten

(1) Nutzerinnen und Nutzer des Drogenkonsumraums dürfen grundsätzlich nur volljährige Personen mit Betäubungsmittelabhängigkeit und Konsumerfahrung sein. Minderjährigen kann die Nutzung gestattet werden, wenn die Zustimmung der Erziehungsberechtigten vorliegt oder die Leitung der Einrichtung dies nach sorgfältiger Prüfung im Einzelfall für begründet hält. Das zuständige Jugendamt ist in diesem Falle einzubeziehen.

(2) Von der Benutzung des Konsumraumes sind auszuschließen: 1. offenkundige Erstkonsumenten, 2. erkennbar alkoholisierte oder durch andere Suchtmittel vergiftete Personen, 3. Opiatabhängige, die sich erkennbar in einer substitutionsgestützten Behandlung befinden, 4. Personen, denen erkennbar die Einsichtsfähigkeit in die durch die Verabreichung erfolgende Gesundheitsschädigung fehlt.

(3) Die zum sofortigen Konsum mitgeführten Betäubungsmittel sind vor der Verabreichung einer Sichtkontrolle zu unterziehen. Eine Substanzanalyse durch das Personal ist nicht zulässig.

(4) Der Konsum von Betäubungsmitteln im Drogenkonsumraum kann u. a. Opiate, Kokain, Amphetamin oder deren Derivate betreffen und intravenös, inhalativ, nasal oder oral erfolgen.

§ 10: Dokumentation und Evaluation

Es ist eine fortlaufende Dokumentation über den Betrieb der Einrichtung unter Beachtung datenschutzrechtlicher Bestimmungen zu führen. Hierzu sind Tagesprotokolle zu fertigen, die über Umfang und Ablauf der Nutzerkontakte, Zahl und Tätigkeit des Personals sowie besondere Vorkommnisse Auskunft geben. Diese Protokolle sind zu Monatsberichten zusammenzufassen und im Hinblick auf die Zweckbestimmung auszuwerten. Auf Verlangen sind die Monatsberichte der Überwachungsbehörde vorzulegen.

§ 11: Anwesenheitspflicht

Während der Öffnungszeiten ist die ständige Anwesenheit von Personal in ausreichender Zahl zu gewährleisten. Alle zum Personal gehörenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen für die Erfüllung der in den §§ 3 bis 9 dieser Verordnung genannten Anforderungen fachlich ausgebildet und zuverlässig sein.

§ 12: Verantwortlichkeit

(1) Die Leitung eines Drogenkonsumraumes muss fachlich ausgebildet und zuverlässig sein. Sie ist verantwortlich für die Einhaltung der in dieser Verordnung festgelegten Anforderungen, der Auflagen der Erlaubnisbehörde sowie der Anordnungen der Überwachungsbehörde (Verantwortlicher im Sinne des § 10 a Abs. 2 Nr. 10 des Betäubungsmittelgesetzes).

(2) Der Träger der Einrichtung hat für die Einhaltung der in Abs. 1 aufgeführten Anforderungen, Auflagen und Anordnungen ebenfalls Sorge zu tragen. Er hat weiterhin dafür Sorge zu tragen, dass die Leitung und das Personal keine aktive Hilfe beim unmittelbaren Verbrauch der Betäubungsmittel leisten.

§ 13: Erlaubnisverfahren

(1) Der Antrag ist über den zuständigen Oberbürgermeister oder Landrat und das Regierungspräsidium an das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium zu richten. (2) Der Antrag muss enthalten: 1. Namen und Anschrift des Trägers der Einrichtung. 2. Namen und Anschrift der im Sinne des § 12 verantwortlichen Einrichtungsleitung und deren Vertretung. 3. Nachweise über die erforderliche Sachkenntnis der Einrichtungsleitung und deren Vertretung sowie Erklärungen darüber, ob und aufgrund welcher Umstände sie die ihnen obliegenden Verpflichtungen ständig erfüllen können. 4. Führungszeugnisse nach dem Bundeszentralregistergesetz von Einrichtungsleitung und Personal sowie eine Versicherung des Trägers über die persönliche Zuverlässigkeit der Einrichtungsleitung und des Personals. 5. Beschreibung der Lage des Drogenkonsumraums nach Ort (gegebenenfalls Flurbezeichnung), Straße, Hausnummer, Gebäude und Gebäudeteil sowie der Bauweise des Gebäudes. 6. Darstellung der räumlichen und baulichen Ausstattung. 7. Darstellung des Beratungskonzepts, einschließlich eines Nachweises der Erfüllung der Voraussetzung des § 2. 8. Benennung der in der Einrichtung zum Konsum zugelassenen Betäubungsmittel und Konsumarten. 9. Plan für die medizinische Notfallversorgung nach § 4. 10. Hausordnung nach § 7 Abs. 1. 11. Entwurf einer Vereinbarung über die Zusammenarbeit mit den zuständigen Gesundheits-, Ordnungs- und Strafverfolgungsbehörden nach § 8.

§ 14. Überwachung

Die Drogenkonsumräume unterliegen der Überwachung durch das Gesundheitsamt (Überwachungsbehörde).

§ 15: In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten

Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Sie tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2006 außer Kraft.

Wiesbaden, den 10. September 2001, Hessische Landesregierung, Der Ministerpräsident Koch Die Sozialministerin Lautenschläger

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