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EU-Kommission: Zulassung und Vermarktung von Arzneimitteln soll liberalisiert we

ROM (diz). Die EU-Kommission plant signifikante Änderungen des Europäischen Arzneimittelrechts. So sollen die Verfahren zur Zulassung und die Vermarktung von Arzneimitteln liberalisiert, bürokratische Hemmnisse abgebaut werden, Fristen verkürzt und die Transparenz in weiten Bereichen erhöht werden. Dies wurde auf der 37. Jahresversammlung des Europäischen Fachverbandes der Arzneimittelhersteller (AESGP), die vom 6. bis 9. Juni 2001 in Rom stattfand, bekannt. Der Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Mitglied des AESGP, erläuterte auf einer Pressekonferenz in Rom Details dieses ersten Diskussionsvorschlags der EU-Kommission.

Mit Vorlage des Diskussionsvorschlags zur Überarbeitung des Europäischen Arzneimittelrechts kam die Kommission ihrer Verpflichtung nach, im Jahr 2001 einen Erfahrungsbericht zum europäischen Zulassungssystem für Arzneimittel abzugeben und Vorschläge zur Weiterentwicklung dieses Systems zu unterbreiten.

Einzelheiten aus diesem Erfahrungsbericht stellte Dr. Paul Weissenberg, Binnenmarktsdirektor der Europäischen Kommission, in seiner Rede auf der AESGP-Jahresversammlung vor. Weitere Einzelheiten erläuterten Vertreter des BAH, dem das bisher noch nicht offiziell publizierte Papier bereits vorliegt, auf einer Pressekonferenz.

Zentrales Zulassungsverfahren nicht nur für gentechnologische Präparate

Wie aus dem Papier hervorgeht, soll das zentrale europäische Zulassungsverfahren über die derzeitigen Arzneimittel hinaus (biotechnologische und hochtechnologische Produkte sowie innovative Arzneimittel) für weitere Arzneimittelbereiche geöffnet werden. Neben den gentechnologischen Präparaten sollen auch alle Arzneimittel mit neuen Stoffen, die vorher noch nicht in der EU zugelassen waren, das zentrale Zulassungsverfahren wahrnehmen können. Darüber hinaus sollen auch Arzneimittel diesen Weg gehen können, wenn das Produkt eine signifikante Innovation darstellt.

Die Europäische Arzneimittelzulassungsbehörde EMEA (European Agency for the Evaluation of Medicinal Products), die sich künftig European Medicines Agency nennt, soll die Zulassung nicht mehr nur für fünf Jahre, sondern auf unbegrenzte Zeit erteilen. Wird von der Zulassung allerdings nicht innerhalb von zwei Jahren Gebrauch gemacht, erlischt sie, ebenfalls dann, wenn eine Unterbrechung der Vermarktung von länger als zwei Jahren eintritt.

Die Europäische Arzneimittelagentur

Eine Änderung soll auch die Organisationsstruktur der Europäischen Arzneimittelagentur erhalten. Zukünftig soll sie bestehen aus

  • dem Committee for Human Medicinal Products (seither CPMP)
  • dem Committee for Veterinary Medicinal Products (CVMP)
  • dem Committee on Orphan Medicinal Products
  • dem Committee on Herbal Medicinal Products
  • einem Sekretariat
  • dem Executive Director
  • dem Management Board
  • einem Advisory Board.

Die Committees können Arbeits- und Expertengruppen gründen und einberufen. Eine ständige Arbeitsgruppe soll für die wissenschaftliche Beratung von Firmen eingerichtet werden. In den Committees für Human- und Veterinärarzneimittel soll künftig nur noch ein Mitglied pro Land beteiligt sein.

Wie aus dem Bericht der EU-Kommission hervorgeht, sollen auch die Fristen verkürzt werden. Die Zeit für eine Zulassungsbehörde für die Erteilung einer Zulassung wird von 210 auf 150 Tage verkürzt. Außerdem soll mehr Transparenz geschaffen werden. Es sollen Regeln erlassen werden, die sicherstellen, dass jede interessierte Person Zugang hat beispielsweise zum Assessment Report und zu allen Dokumentationen über ein Arzneimittel, die nicht vertraulicher Natur sind.

Auch beim dezentralen europäischen Zulassungsverfahren, das auf dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung nationaler Zulassungsentscheidungen beruht, soll eine erteilte Zulassung nicht nur fünf Jahre gelten, sondern unbegrenzt gültig sein. Beim dezentralen Verfahren haben die Arzneimittelhersteller bekanntlich die Möglichkeit, basierend auf einer in einem Mitgliedstaat erteilten nationalen Zulassung (dem Reference Member State, RMS), die Anerkennung dieser nationalen Erstzulassung in einem bzw. in bis zu 14 weiteren Mitgliedstaaten (den sog. Concerned Member States, CMS) sowie in Island und Norwegen zu beantragen. Die CMS haben grundsätzlich innerhalb von 90 Tagen die Erstzulassung anzuerkennen und für ihr Hoheitsgebiet jeweils die weitere nationale Zulassung zu erteilen. Bisher kann die Anerkennung allerdings versagt werden, wenn die CMS der Auffassung sind, dass Gefahren für die öffentliche Gesundheit vorliegen, wenn das Präparat in ihrem Hoheitsgebiet zugelassen würde.

Wie aus dem vorgelegten Diskussionspapier der Europäischen Kommission jetzt hervorgeht, soll der Widerspruch in Zukunft nur zulässig sein aufgrund "schwerwiegender Risiken für die öffentliche Gesundheit", wobei eine detaillierte Begründung der Ablehnungsgründe erforderlich ist. Dieser Passus soll insbesondere vor dem Hintergrund eingeführt werden, dass Länder wie beispielsweise Frankreich Zulassungen in vielen Fällen ablehnten, wobei die Ablehnung in erster Linie der Abschottung des eigenen heimischen Marktes diente.

Heilmittelwerberecht soll liberalisiert werden

In dem von der EU-Kommission vorgelegten Papier zur Weiterentwicklung des Zulassungssystems wird auch die Liberalisierung des Heilmittelwerberechts diskutiert. So soll der in der EG-Werberichtlinie enthaltene Katalog von Krankheiten hinsichtlich derer für die entsprechenden Arzneimittel trotz Rezeptfreiheit keine Publikumswerbung betrieben werden darf, ersatzlos gestrichen werden.

Allerdings können die Mitgliedstaaten erlauben, dass Firmen auf entsprechende Anforderung von Patienten, Patientengruppen oder Ärzten Informationen über ihre Arzneimittel versenden dürfen, sofern es sich um Arzneimittel für folgende Krankheiten handelt:

  • HIV-Infektionen
  • Asthma und chronische Atemwegserkrankungen
  • Diabetes.

Bei dieser ersten Aufzählung von Krankheiten dürfte es sich nach Einschätzung des BAH zunächst um eine Art "Versuchsballon" handeln, der vermutlich einer Erweiterung bedürfe, zumal es nicht plausibel sei, dass große Volkskrankheiten wie beispielsweise Stoffwechselkrankheiten nicht in dieser Aufzählung vertreten seien. Diese erweiterten Informationsmöglichkeiten bedürften noch der Diskussion, die Umsetzung dieser Möglichkeiten solle zudem Gegenstand einer selbstregulierenden Maßnahme der Arzneimittelindustrie ("Code of Conduct") auf nationaler Ebene sein. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten die Aktivitäten einer so genannten Co-Promotion im Sinne eines Mitvertriebs, also der gleichzeitigen Vermarktung eines Arzneimittels durch den Zulassungsinhaber sowie zusätzlich durch ein oder mehrere Unternehmen erlauben.

Als weitere geplante Neuregelungen soll die Einhaltung der GMP-Regeln für die Herstellung von Ausgangsstoffen verbindlich vorgeschrieben werden. Außerdem soll im Kapitel Arzneimittelsicherheit vorgeschrieben werden, dass Nebenwirkungen zukünftig generell auf elektronischem Weg gemeldet werden sollen.

Wie der BAH auf seiner Pressekonferenz betonte, handelt es sich bei dem etwa 170 Seiten starken Papier der EU-Kommission um erste Vorschläge zur Überarbeitung des Europäischen Arzneimittelrechts. Diese Vorschläge werden nun von den Mitgliedstaaten, vom europäischen Parlament und von den Fachkreisen, insbesondere von der Industrie geprüft werden. Grundsätzlich, so eine erste Einschätzung des BAH, werden viele dieser geplanten Neuregelungen begrüßt, da sie ein Schritt zu mehr Rechtssicherheit, zu beschleunigteren Verfahren und zu pragmatischeren Handlungsweisen führen werden. Die Öffnung des Zentralen Zulassungsverfahrens, die flexiblere Gestaltung des dezentralen Verfahrens, die Streichung der Krankheitsliste und die erweiterten Informationsmöglichkeiten für Arzneimittel sind nach Einschätzung des BAH das Ergebnis einer konsequenten Verbandsaktivität. So werde der BAH auch gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit darauf drängen, den im Heilmittelwerbegesetz enthaltenen Krankheitskatalog an die Vorgaben der Europäischen Kommission anzupassen bzw. ersatzlos abzuschaffen.

Die EU-Kommission plant signifikante Änderungen des Europäischen Arzneimittelrechts. So sollen die Verfahren zur Zulassung und die Vermarktung von Arzneimitteln liberalisiert, bürokratische Hemmnisse abgebaut werden, Fristen verkürzt und die Transparenz in weiten Bereichen erhöht werden. Dies wurde auf der 37. Jahresversammlung des Europäischen Fachverbandes der Arzneimittelhersteller (AESGP), die vom 6. bis 9. Juni 2001 in Rom stattfand, bekannt. Der Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Mitglied des AESGP, erläuterte auf einer Pressekonferenz in Rom Details dieses ersten Diskussionsvorschlags der EU-Kommission.

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