BVA-Info

Seminar: Beratung des onkologischen Patienten

Ein rundum gelungenes Intensivseminar zur Verbesserung ihrer onkologischen Beratungskompetenz erlebten ca. 70 TeilnehmerInnen Mitte Mai in Andernach. Das Auditorium kam aus dem gesamten Bundesgebiet (u.a. Karlsruhe, Jena, Bremen) bestand sowohl aus Apothekenleitern als auch Angestellten, fast die Hälfte arbeitet in zytostatikaherstellenden Apotheken.

Prof. Dr. Gerd Nagel, Klinik für Tumorbiologie (KTB) in Freiburg, und sein eingespieltes Team stellten ihre Beratungsphilosophie, gegründet auf mehrjährige Erfahrungen, vor und beleuchteten verschiedene Facetten der Beratung onkologischer Patienten. Unterstützt und ermöglicht wurde die Veranstaltung durch die Firmen Gry Pharma, Medac, Mundipharma, Weleda und dem Verein zur Förderung der Krebsmedizin e.V., "Kirstins Weg". Gerd Diehl, der Vater, der an Krebs verstorbenen Gründerin Kirstin, stellte das Anliegen des Vereins vor: sowohl die Forschung zu unterstützen als auch die Beteiligung des Patienten an seinem Behandlungskonzept zu fördern.

Kompetente Patienten mit Krebs

Das Hauptreferat hielt Professor Nagel. Immer mehr Patienten setzen sich aktiv mit dem Schicksal ihrer Erkrankung auseinander: Sie verfolgen die aktuelle Entwicklung der Krebsmedizin, nutzen alle zur Verfügung stehenden Medien, holen sich eine zweite Meinung ein (second opinion) und reifen zum kompetenten Patienten. Sie erwarten deshalb auch eine kompetente Beratung und werden oft enttäuscht. Für den Arzt steht die Krankheit im Vordergrund, weniger der Mensch in der Krankheit, deshalb hat er andere Bilder. Wer jedoch den Patienten dort abholt, wo er ist, ihn mit seinen Fragen und Bedürfnissen ernst nimmt und ihm Zeit widmet, kann den Patienten in seinem Denken und seiner Erlebniswelt verstehen. Den Benefit erlebt der Patient. Eine qualitativ hochwertige Beratung stabilisiert den Patienten und erhöht seine Handlungskompetenz.

Viele Patienten setzen mittlerweile große Hoffnung in das Einholen einer zweiten Meinung. Prof. Nagel stellte anhand eines Forschungsprojektes an der KTB den Werdegang des erfolgreichen Patienten dar. Das second-opinion-team besteht aus einem Arzt, einem Arzt für unkonventionelle Medizin in der Krebstherapie (UMK), einem Psychologen, Physiotherapeuten und medizinischen Spezialisten. Diese erstellen aufgrund von Einzelgesprächen und Einzelgutachten ein Gesamtgutachten für den Patienten. Er soll nicht durch noch mehr Information verunsichert werden, sondern kann sich besser orientieren, ist in seiner Selbsthilfe erfolgreicher und seine Prognose eventuell besser.

Krebstherapie konventionell und komplementär

In der Krebstherapie haben sich die Standardtherapien (Chirurgie, Chemotherapie, Strahlentherapie) bewährt. Aber auch Außenseitermethoden haben ihren Platz, wie etwa der Einsatz von Naturheilmitteln, um die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Darüber referierte Dr. Marc Azemar. In jedem Fall muss der Patient ernst genommen werden. Einzelne Verfahren wie z.B. TCM oder Ayurveda dürfen nicht kritiklos aus dem jeweiligen kulturellen, gesellschaftlichen Hintergrund herausgenommen werden. Entscheidend ist auch, aus welchem Kulturkreis der Patient selber kommt.

Krebs und Ernährung

Vom Guten mehr - vom Schlechten weniger, so lautete die Botschaft der Ernährungsberatung, die Dipl. oec. troph. Steffen Theobald vortrug.

  • Ernährung und Tumorprävention: Durch gesunde Ernährung sind Krebsneuerkrankungen vermeidbar. Das bedeutet: mehr Obst und Gemüse, mehr ballaststoffreiche, komplexe Kohlenhydrate wie Vollkornprodukte und Kartoffeln essen. Weiterhin wird eine Reduktion der Alkohol- , Fett-, Fleisch- und Kochsalzzufuhr propagiert. Es gilt die Empfehlung, fünf Portionen Obst und Gemüse (= 5 Hände voll) pro Tag zu verzehren.
  • Ernährung und Krebs: Bedingt durch den Tumor selbst sowie die nach der Operation durchgeführte Chemo- oder Radiotherapie leiden viele Patienten an Ernährungsproblemen. Im Vordergrund der Therapie steht der Patient selbst: "Was schmeckt ihm? Was kann er riechen?" So kann man seinen persönlichen Wünschen entsprechend einen Ernährungsplan aufstellen
  • Ernährung nach Krebs: So genannte Krebsdiäten sind abzulehnen, wenn sie hypokalorisch und einseitig sind. Stimmt die Auswahl der Lebensmittel und die Kalorienzahl und entsprechen sie einer vollwertigen Ernährung, dann sind sie unbedenklich.

Die Rolle des Apothekenteams in der Tumorschmerztherapie

Viele Krebspatienten leiden unter tumorbedingten oder -assoziierten Schmerzen, wie Dr. F. H. Krizanits-Weine berichtete. Da die Grunderkrankung oft nicht ausgeheilt werden kann, erlangt der chronische Schmerz einen eigenen Krankheitscharakter. Bei guter Aufklärung ist das Schmerzmittel in der Hand des Patienten ein Werkzeug im Kampf gegen sein Leiden, er kann selber handeln und fühlt sich nicht ausgeliefert. Die wichtige Rolle des Apothekenteams ist es, dem Patienten die Normalität der Therapie zu spiegeln (auch die Einnahme von Opioiden!), auf relevante Nebenwirkungen und Interaktionen aufmerksam zu machen und ihn zu ermuntern, mit dem Arzt zusammen (durch Rückmeldung des Therapieverlaufes) nach einer Optimierung der Therapie zu streben.

Das onkologische Beratungsgespräch

"Die Diagnose des Gegenüber macht auch etwas mit mir", so erklärte Dipl.-Psych. Markus Birmele die schwierige Situation in der Apotheke. Die eigenen Empfindungen des Beraters gehen in das Gespräch mit ein und führen dazu, dass nicht mehr nur Informationen ausgetauscht werden, sondern die Gesprächspartner in Beziehung zueinander treten. Für die Gesprächsführung sind Respekt, positive Wertschätzung und emotionale Wärme, Echtheit und einfühlendes Verständnis nötig. Eine konstruktive Beratung ist nur möglich, wenn der Beratende sich seiner eigenen Empfindungen bewusst ist und um die spezifische Belastung des Patienten und seiner möglichen Strategien der Krankheitsverarbeitung weiß.

Der onkologische Patient in der Apotheke

Michael Höckel, Fachapotheker für Offizin-Pharmazie, legte dar, dass zur pharmazeutischen Betreuung sowohl die Krebsvorsorge, das Anbieten von Orientierungshilfen bei unkonventionellen Therapien als auch die Begleitung der ärztlichen Therapien gehört. Patienten und Angehörige nehmen die kompetente Vermittlung praktischer Informationen gern an; damit wird auch die Zusammenarbeit mit Ärzten und anderem Fachpersonal verbessert.

Fazit

Besonders positiv wurde von den TeilnehmerInnen die Möglichkeit empfunden, bereits während der Vorträge Zwischenfragen stellen zu können. Dies führte zu einer sehr lockeren Atmosphäre und ließ die Distanz zu den Vortragenden angenehm schrumpfen. Zu jedem Vortrag fand eine Arbeitsgruppe zur Vertiefung des Stoffes statt, und dem Wunsch vieler TeilnehmerInnen, mehr als nur eine Arbeitsgruppe besuchen zu können, wird bei einem weiteren Intensivseminar wenn möglich entsprochen werden.

In seinem Abschlusswort forderte Prof. Nagel, das medizinische Weltbild mit dem des Patienten zu verknüpfen. Nicht zu fragen: "Wirkt es denn?", sondern: "Hilft es denn?". Dann ist ihr Einsatz berechtigt. Der Patient hat ein Recht auf selbstbestimmte Therapie. Prof. Nagel appellierte, das Spannungsfeld Apotheker - Ärzteschaft zu überwinden. Dieser Schritt muss seiner Meinung nach von den Apothekern ausgehen, denn Apotheken sind nicht mehr nur Verkaufsstätten, sondern kompetente Beratungsplätze!

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