BVA-Info

Seminar: Die Beratung des onkologischen Patienten

"Kompetente Patienten brauchen kompetente Berater". Unter diesem Leitmotiv veranstaltet der Bundesverband der Angestellten in Apotheken (BVA) in Zusammenarbeit mit der Klinik für Tumorbiologie (KTB) seit einigen Jahren Seminare zur Stärkung der Beratungskompetenz von Apothekern und Ärzten. Zur jüngsten Veranstaltung am 20./21. Oktober 2001 in Freiburg fanden sich 84 interessierte Apotheker und Ärzte aus ganz Deutschland in der Klinik für Tumorbiologie ein, um sich durch Vorträge und in Workshops fit zu machen für eine professionelle Beratung von Patienten mit Krebs.

Die Vorträge am ersten Seminartag dienten dem Überblick über praxisrelevante Themen, die Patienten mit Krebs in der Apotheke ansprechen.

Der Patient: Was kann ich selbst tun?

Verunsichert durch das Überangebot an Informationen verschiedenster Herkunft, suchen viele Patienten Orientierung im Dschungel der Ratschläge, was sie selbst zur Verbesserung ihrer Situation nach dem Auftreten einer Krebserkrankung beitragen können.

Prof. Dr. med. Gerd Nagel erläuterte die Notwendigkeit einer intensiven Beratung anhand einer Umfrage, die die Deutsche Apotheker Zeitung in Zusammenarbeit mit der KTB in Apotheken durchführte (s. DAZ 33, S. 39). Für viele Patienten ist die Therapie eben nicht nach erfolgter Operation und/oder Chemo-/Strahlentherapie abgeschlossen. Ihr größter Wunsch ist, selbst etwas beizutragen zu ihrer Heilung - und das als Ergänzung zur Schulmedizin, nicht als Ersatz.

In der naturwissenschaftlichen Denkwelt bleiben Fragen nach unkonventionellen Mitteln in der Krebstherapie ebenso unbeantwortet wie viele Fragen zur körpereigenen Abwehr, zur Ernährung, zu psychosozialen Problemen, zur Hilfe zur Selbsthilfe und zu anderen Themen.

Genau an diesem Punkt sind der Apotheker und sein Team, aber auch Ärzte gefragt, über den Horizont der Schulmedizin hinaus Antworten zu geben. Wichtig ist für viele Patienten nämlich die Inanspruchnahme einer Second Opinion, d.h. einer zweiten Meinung, zu allen relevanten Themen im Zusammenhang mit ihrer Krebserkrankung.

Der Patient in der Apotheke

Wie eine onkologische Beratung in der Apothekenpraxis aussehen kann, erläuterte Fachapotheker Michael Höckel. Wichtigste Voraussetzung dafür seien ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Apotheker und Patienten, aber auch zum behandelnden Arzt.

Organisatorisch ist, so Höckel, das Anlegen einer EDV-unterstützten Patientenkarte zu empfehlen, die alle wichtigen Daten zur Person, ärztlichen, medikamentösen und supportiven Therapie erfasst. Durch diese Übersicht lassen sich therapiebedingte Probleme, Neben- und Wechselwirkungen von Zytostatika und anderen Pharmaka mit dem Patienten besprechen und Lösungen effektiv erarbeiten.

Ziele der Beratung sind die Verbesserung der Lebensqualität, die Motivation zur Compliance, das Erkennen therapiebedingter Probleme und nicht zuletzt die Möglichkeit für den Patienten, im Apothekenteam einen ergänzenden sozialen Ansprechpartner zu haben.

Jenseits der Schulmedizin

Außer nach den wissenschaftlich abgesicherten Therapieformen (chirurgische Operation, Chemo-, Strahlen- und klassische medikamentöse Therapie) fragen Patienten mit Krebs häufig nach alternativen und adjuvanten Therapieformen. Diese umfassen, so erläuterte Dr. med. Marc Azemar, das Spektrum der experimentellen Therapien, einige Naturheilverfahren (Hydro-, Thermo-, Phytotherapie, Bewegungs-, Ernährungstherapie u.a.), aber auch Außenseiter- und Scharlatanmethoden.

In diesem komplexen Bereich herrscht ein großer Informationsbedarf von Seiten der Apotheker, Ärzte und Patienten. Azemar lieferte Hintergrundinformationen über Beschaffenheit, Zusammensetzung, Wirkungsweise und Indikation häufig nachgefragter unkonventioneller Mittel in der Krebstherapie (UMK) wie Mistel, Thymus, Radikalfänger usw., die eine Beurteilung ihres medizinischen Einsatzes ermöglichen.

Essen gegen Krebs

Die Umstellung der Ernährung nach Krebs ist ein in der DAZ-Umfrage häufig genannter Wunsch von Patienten, da die Zusammenhänge zwischen einem günstigen Ernährungsverhalten und der Prävention von Krebs und anderen so genannten Zivilisationskrankheiten sehr wohl in der Bevölkerung bekannt sind. Dipl.-Ökotrophologe Steffen Theobald erläuterte anhand von epidemiologischen Daten tumorfördernde und -präventive Einflussfaktoren auf das Krebsrisiko.

Vor allem mit einer hohen Obst- und Gemüsezufuhr und einem geringeren Verzehr an Fett, fettreichen Lebensmitteln sowie Fleisch und Wurstwaren könne das Risiko für viele Tumorarten gesenkt werden. Dabei greift eine Vielzahl von in Lebensmitteln enthaltenden Substanzen in das Geschehen ein, weshalb die Supplementierung einzelner Substanzen eine gesunde Ernährung in ihrer tumorprotektiven Wirkung vermutlich nicht ersetzen kann.

Abweichende Ernährungsempfehlungen gelten in der Akutsituation bei Krebs sowie unter Chemo- und Strahlentherapie, wie Theobald anschließend erläuterte.

Schmerztherapie

Dr. med. Franz Krizanits-Weine erläuterte die Notwendigkeit einer effektiven Schmerztherapie für Patienten mit Krebs, da Schmerzen unmittelbar Auswirkungen auf die Lebensfreude, auf körperliche und soziale Aktivitäten haben und letztlich den Patienten in seinem Kampf gegen die Erkrankung zusätzlich schwächen.

Chronische Schmerzen, so Krizanits-Weine, sind eine eigenständige Erkrankung, die im Rahmen eines abgestuften Konzeptes unter individueller Berücksichtigung von Verträglichkeiten, Neben- und Wechselwirkungen behandelt werden muss. Gemäß einem Stufenschema der WHO sollten dabei sowohl Nicht-Opioide als auch Opiode zum Einsatz kommen.

Wichtig zur Vermeidung von unerwünschten Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ist die enge Zusammenarbeit zwischen Schmerztherapeut und anderen Ärzten. Hier kann das Apothekenteam eine wichtige koordinative Rolle einnehmen, da es die Medikation mit den Verschreibungen der verschiedenen Ärzte sowie der Selbstmedikation des Patienten überblicken kann.

Gesprächsführung ist anders

In der Gesprächsführung mit an Krebs Erkrankten sind im Gegensatz zu anderen Patienten einige wesentliche Unterschiede zu beachten, die unmittelbar oder mittelbar mit dem Verhalten des Patienten, aber auch mit Vorstellungen des Beraters über Krebs zusammenhängen. Darauf ging Dipl.-Psychologe Markus Birmele in seinem Eingangsreferat am zweiten Seminartag ein.

Voraussetzung für einen guten Patientenkontakt ist das Verständnis der Sprache der betreffenden Person. So kann beispielsweise hinter der Frage nach UMK sowohl eine konkrete Frage nach Sachinformation als auch die Suche nach einer Hoffnung gebenden Perspektive oder einer Beziehung zum Berater stehen. Eine gute Beziehung zum Patienten (und umgekehrt) beruht auf positiver Wertschätzung, emotionaler Wärme, Echtheit in der Funktion als Zuhörer und einem einfühlenden Verständnis für die Bedürfnisse des Ratsuchenden.

Intensive Workshops

In den anschließenden Workshops hatten die Seminarteilnehmer Gelegenheit, zwei Themen intensiviert zu bearbeiten. In den von den Referenten sowie Dipl.-Psych. Dr. Ulrike Heckl geleiteten Kleingruppen konnten individuelle Fragen geklärt und an Hand von Fallbeispielen und Rollenspielen konkrete Beratungssituationen geübt werden.

Die Abschlussdiskussion zeigte, dass über das Seminar hinaus weiterer Bedarf für eine Vertiefung der Thematik onkologische Beratung besteht. Hierzu ist ein Folgeseminar im Frühjahr 2002 geplant (20. / 21. April 2002 in Freiburg; Information und Vormerkung bei: Barbara Neusetzer, s.u.).

Weiterhin wurde ein Apotheken-Netzwerk für die onkologische Beratung mit dem Ziel, sich einen gegenseitigen Austausch und Hilfestellung anbieten zu können, auf der BVA-Homepage eingerichtet. Die Passwörter sind den Teilnehmern bekannt. Ab sofort kann das Netz genutzt werden.

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