Arzneimittel und Therapie

Gelenkerkrankungen: Teufelskralle zur Therapie der Osteoarthritis

Die Osteoarthritis zählt zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland. Ihr liegt eine degenerative Veränderung des Gelenkknorpels zugrunde, die Schmerzen verursacht und die Beweglichkeit einschränkt. In der Therapie dieses chronischen Leidens gewinnen rationale Phytopharmaka an Bedeutung, so auch Extrakte aus der Wurzel der südafrikanischen Teufelskralle (Harpagophytum procumbens).

Terminologisches

Degenerative Gelenkveränderungen, die nicht auf orthopädischen Fehlern oder einer Überbeanspruchung des Bewegungsapparates beruhen, sondern durch fehlgesteuerte enzymatische Prozesse im Gelenk hervorgerufen werden, fasst man nach internationaler Übereinkunft unter dem Begriff "Osteoarthritis" zusammen, weil der degenerative Prozess generell von inflammatorischen Prozessen begleitet wird. In Deutschland hält sich dagegen noch der Begriff "Arthrose", wobei die Osteoarthritis als "erworbene Arthrose" definiert wird und sowohl von anderen erworbenen Arthrosen (z.B. durch Traumen) als auch von den durch mechanische Abnutzung gekennzeichneten "primären Arthrosen" unterschieden wird. Eine Osteoarthritis stellt in den meisten Fällen das Spätstadium einer rheumatoiden Arthritis dar.

Häufigkeit und Kosten der Osteoarthritis

In Deutschland lassen sich Jahr für Jahr fünf Millionen Patienten wegen Osteoarthritis behandeln. Die Gelenkerkrankung verursacht jährlich den Verlust von 55 Millionen Arbeitstagen und belastet die Volkswirtschaft mit 9 Mrd. DM. 45% aller Rehabilitationsmaßnahmen und 30% aller Frühberentungen sind Folgeerscheinungen der Osteoarthritis. Bei mehr als der Hälfte der Fälle sind nur die Knie betroffen (Gonarthrose), bei einem Viertel nur die Hüftgelenke (Coxarthrose) und bei knapp einem Zehntel mehrere unterschiedliche Gelenke (Polyarthrose).

Das Risiko für die Erkrankung nimmt mit dem Alter zu. So lässt sich praktisch bei jedem über 60-Jährigen eine Arthritis diagnostizieren, wenn sie auch oft nicht die typischen Beschwerden verursacht.

Ungleichgewicht der Zytokine

Auf molekularer Ebene ist das Wesen der degenerativen Veränderungen des Gelenkknorpels in einem Ungleichgewicht der katabolen (abbauenden) und anabolen (aufbauenden) Zytokine zu sehen.

Der Gelenkknorpel besteht einerseits aus Chondrozyten (Knorpelzellen), andererseits aus einer extrazellulären Matrix, in die die Chondrozyten eingebettet sind. Diese Knorpelmatrix setzt sich hauptsächlich aus einem Gemisch von Proteinen, die unter dem Begriff "Collagen" zusammengefasst werden, aus Proteoglykanen und Wasser zusammen.

Bei der Osteoarthritis werden übermäßig viel katabole Zytokine wie Interleukin 1beta (IL-1beta) und Tumornekrosefaktor alpha (TNF-alfa) produziert; diese stimulieren in den Chondrozyten die Expression bestimmter Enzyme, der Matrixmetalloproteinasen, die das Collagen abbauen. Da bei Osteoarthritis zugleich die Produktion anaboler Zytokine, z.B. einiger Wachstumsfaktoren, vermindert ist, geht im Endergebnis kontinuierlich Knorpelmasse verloren.

TNF-alfa stimuliert in den Chondrozyten überdies die Expression der Cyclooxygenase vom Typ 2 (COX-2) und der Lipoxygenase (LOX), die als Entzündungsmediator fungieren. Daher gehen bei der Osteoarthritis degenerative und inflammatorische Prozesse Hand in Hand.

Matrixmetalloproteinasen als Target

Metalloproteinasen bauen Proteine ab und benötigen zu ihrer Funktionsfähigkeit die Anwesenheit von Zinkionen. Die Matrixmetalloproteinasen (MMP) kommen in der extrazellulären Matrix des Gelenkknorpels vor. Bei den Enzymen lassen sich inaktive und aktive Formen unterscheiden. Für die Ätiologie der Osteoarthritis sind insbesondere die MMP-1 (auch: Collagenase-3), die MMP-2 (Gelatinase A) und die MMP-9 (Gelatinase B) von Bedeutung. Die MMP-2 hat eine relative Molekülmasse von 72000.

Das Wirkprinzip des Wurzelextraktes der Teufelskralle bei Osteoarthritis besteht darin, dass er die Umwandlung inaktiver MMP in aktive MMP hemmt und darüber hinaus die aktiven MMP blockiert. Dies wurde in In-vitro-Studien belegt. Mit diesem Wirkprinzip dürfte die Teufelskralle in Zukunft auch noch für andere Indikationen interessant werden, denn MMP spielen auch bei anderen Erkrankungen ein Rolle, so bei atheromatösen Plaques in Herzgefäßen (Überexpression von MMP-2) und bei bestimmten Tumoren.

Teufelskralle

Die Teufelskralle ist eine in der Savanne des südwestlichen Afrika verbreitete Staude, deren oberirdische Teile direkt dem Boden aufliegen. Ihren Namen trägt sie aufgrund der verholzten Früchte, die sich mit ihren Haken hartnäckig an Gegenstände und Lebewesen heften, mit denen sie in Berührung kommen. Von den beiden, einander morphologisch sehr ähnlichen Arten Harpagophytum procumbens und H.zeyheri (Pedaliaceae, Sesamgewächse) gilt nur die erstere Art als Arzneipflanze. Als Droge dienen knollenartig verdickte Abschnitte der Wurzel. Die darin enthaltenen Wirkstoffe sind Bitterstoffe vom Iridoidtyp, darunter Harpagosid, sowie Flavonoide.

Die Teufelskrallenwurzel wurde schon von den in Südwestafrika seit vorgeschichtlichen Zeiten beheimateten San (Buschmänner) arzneilich verwendet. Ein deutscher Farmer wurde von ihnen über die Heilwirkung aufgeklärt und machte dieses traditionelle Wissen 1904 in Europa bekannt. Ende der 30er-Jahre begann Otto Heinrich Volk (1903–2000) mit der pharmazeutischen Erforschung der Teufelskralle. Industriell hergestellte Präparate spielen seit den 80er-Jahren eine Rolle. Die KommissionE des ehemaligen Bundesgesundheitsamts hat 1990 die Teufelskrallenwurzel für die Indikation "adjuvant bei degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparats" positiv monographiert. 1996 folgte eine ESCOP-Monographie.

Auf der Suche nach den Wirkstoffen

Die Wirksamkeit von Harpagophytum-Präparaten bei der oben genannten Indikation ist in 13 klinischen Studien während der letzten 20Jahre bestätigt worden. Durch die Gabe des Phytopharmakons konnte in den meisten Fällen die Einnahme von synthetischen NSAR reduziert oder sogar überflüssig gemacht werden. Da die Präparate ihre optimale Wirkung erst nach etwa dreiwöchiger Einnahme entfalten, eignen sie sich allerdings nicht zur Behandlung akuter Schmerzen.

Derzeit richtet die Forschung ihr Augenmerk auf die genauere Aufklärung des oben skizzierten Wirkmechanismus und auf die Isolierung der im Extrakt enthaltenen Wirkstoffe. Obwohl die Präparate derzeit auf Harpagosid standardisiert werden, ist dieses Iridoidglykosid nicht der einzige, ja wahrscheinlich nicht einmal der entscheidende Wirkstoff. Darauf deuten die Ergebnisse von In-vitro-Untersuchungen hin: Nach Fraktionierung des Extraktes erwiesen sich auch solche Teilfraktionen als potente Hemmer der MMP, die kein Harpagosid enthielten. Andererseits war keine einzige Teilfraktion dem Gesamtextrakt in ihrer Wirkung überlegen; insofern ist es sicher, dass der Extrakt mehrere Wirkstoffe besitzt, die darüber hinaus synergistisch ihre Wirkung addieren oder potenzieren.

Was für die Wirkung des Extraktes auf den degenerativen Prozess gilt, lässt sich auch für seine antiinflammatorische Wirkung nachweisen. In-vitro-Untersuchungen an humanen Monozyten zeigten, dass die Hemmung der COX-2 und der LOX nicht allein dem Harpagosid zuzuschreiben ist und dass die verschiedenen Teilfraktionen dem Gesamtextrakt mehr oder weniger unterlegen sind.

Zukunftsprojekte

Obwohl die Teufelskralle in ihrer Heimat keineswegs zu den seltenen Pflanzen gehört, macht man sich jetzt schon Gedanken, den Bestand auch für die Zukunft zu sichern. So ist es bei der Wildsammlung wichtig, dass nur die Sekundärwurzeln geerntet werden, damit sich die Staude anschließend mithilfe ihrer Primärwurzel regenerieren kann. In Namibia wird die Bevölkerung, die sich gewerbsmäßig mit der Sammlung befasst, entsprechend aufgeklärt. Auch die Lagerung und primäre Verarbeitung der Droge sollen qualitativ verbessert werden; ferner wird daran gedacht, Extrakte in Namibia selbst herzustellen. Welche Bedeutung Namibia diesen Bestrebungen beimisst, ist daraus ersichtlich, dass der Staatspräsident Sam Nujoma an dem Symposium teilgenommen und dort ein Grußwort gesprochen hat. Der feldmäßige Anbau der Teufelskralle befindet sich derzeit noch im Versuchsstadium.

Quelle: Vorträge von Prof. Dr. H. Stracke, Gießen; Priv.-Doz. Dr. G. H. Scholz, Leipzig; Priv.-Doz. Dr. M. Shakibaei, Berlin; G. Mayer, Hamburg. Internationales Symposium "The antirheumatic effects of the devil's claw" am 31. März 2001 in Windhoek, Namibia, unter der Leitung von Prof. Dr. H. Schilcher, München, gesponsort von Fa. Strathmann AG, Hamburg.

Die Osteoarthritis zählt zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland. Ihr liegt eine degenerative Veränderung des Gelenkknorpels zugrunde, die Schmerzen verursacht und die Beweglichkeit einschränkt. In der Therapie dieses chronischen Leidens gewinnen rationale Phytopharmaka an Bedeutung, so auch Extrakte aus der Wurzel der südafrikanischen Teufelskralle (Harpagophytum procumbens).

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