Arzneimittelinfo und Beratung

Carvedilol

1. Handelspräparate (Auswahl)

Dilatrend Querto

2. Einordnung

Nicht selektiver Beta-Rezeptorantagonist mit vasodilatierenden Eigenschaften.

3. Indikationen

Essenzielle Hypertonie, chronisch stabile Angina pectoris, chronische Herzinsuffizienz - zusätzlich zu Diuretika, Digitalisglykosiden, ACE-Hemmern oder/und anderen Vasodilatatoren.

4. Pharmakologie

4.1 Wirkungsmechanismus Carvedilol ist in therapeutischen Dosen ein nicht selektiver Beta-Rezeptorantagonist mit vasodilatierenden Eigenschaften. Der periphere Gefäßwiderstand wird hauptsächlich durch die Blockade postsynaptischer α1-Adrenozeptoren herabgesetzt. Blutdruck, Herzfrequenz, Erregungsleitung am AV-Knoten sowie die Plasma-Renin- und Aldosteron-Konzentration werden durch Carvedilol vermindert. Plasmakonzentrationen von Noradrenalin werden unter Carvedilol erhöht.

Carvedilol hat in vitro antioxidative Eigenschaften und kann die Wirkung freier Sauerstoffradikale hemmen. Aufgrund der α1-antagonistischen Wirkung kommt es unter Carvedilol zu einer arteriellen und weniger auch venösen Vasodilatation. Bei Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz verbessert Carvedilol die linksventrikuläre Ejektionsfraktion und verringert die Herzgröße.

4.2 Pharmakokinetik

  • Resorption: Carvedilol wird nach oraler Gabe rasch aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert und wird während der ersten Leberpassage zu etwa 60 bis 75% biotransformiert.
  • Zeit bis zum Erreichen der maximalen Plasmakonzentration: Maximale Konzentrationen werden nach etwa einer Stunde erreicht.
  • Proteinbindung: Carvedilol besitzt eine etwa 98%ige Plasmaproteinbindung.
  • Metabolismus: Carvedilol wird in allen untersuchten Tierspezies und auch beim Menschen fast vollständig zu polaren und meist wasserlöslichen Metaboliten abgebaut, die hauptsächlich biliär ausgeschieden werden. Durch Demethylierung und Hydroxylierung am Phenolring entstehen drei aktive Metabolite mit beta-blockierender Wirkung.
  • Ausscheidung: Carvedilol wird in Form verschiedener Metabolite über die Niere ausgeschieden.
  • Eliminationshalbwertszeit: Die Eliminationshalbwertszeit von Carvedilol liegt bei Erwachsenen zwischen sechs und zehn Stunden, die Plasmaclearance bei 590 ml/min.

5. Vorsichtsmaßnahmen

5.1 Lebensalter Bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindern liegen bislang keine Erfahrungen zur Therapie mit Carvedilol vor.

5.2 Schwangerschaft und Stillzeit Erfahrungen beim Menschen mit der Anwendung von Carvedilol in der Schwangerschaft und Stillzeit liegen ebenfalls nicht vor. Daher darf Carvedilol in der Schwangerschaft und Stillzeit nicht eingenommen werden.

5.3 Leber- und Nierenfunktion Bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion erhöht sich die systemische Verfügbarkeit aufgrund eines verringerten First-pass-Effekts etwa um das Vierfache, und die Plasmaspiegel sind etwa fünffach höher als bei Lebergesunden. Bei Patienten mit Hypertonie und mäßiger bis schwerer Niereninsuffizienz wurde eine Erhöhung der AUC-Werte im Vergleich zu Nierengesunden gefunden. Das Ausmaß einer Nierenfunktionseinschränkung hatte in der Regel jedoch nur wenig Einfluss auf die Pharmakokinetik von Carvedilol. Die Carvedilol-Plasmaspiegel sind bei älteren Patienten etwa um 50% höher als bei jungen Patienten.

5.4 Kontraindikationen Carvedilol darf nicht angewendet werden bei bekannter Überempfindlichkeit gegenüber Carvedilol oder sonstigen Bestandteilen des Arzneimittels; bei kardiogenem Schock; bei Patienten, die bei dekompensierter Herzinsuffizienz nicht etwa vier Wochen vor Beginn der Therapie klinisch stabil sind; akuter Lungenembolie; Prinzmetal-Angina; Hypotonie (systolischer Blutdruck < 90 mmHg); Bradykardie (Patienten, die wegen Herzinsuffizienz mit Carvedilol behandelt werden, sollten eine Ruhefrequenz M65/min haben); AV-Block II. oder III. Grades; Sinusknotensyndrom; sinuatrialer Block (Ausnahme Schrittmachertherapie); Cor pulmonale; Asthma bronchiale oder sonstige Erkrankungen mit bronchospastischer Komponente; unbehandeltes Phäochromozytom; klinisch relevante Leberfunktionsstörung; metabolische Azidose; gleichzeitige Therapie mit MAO-B-Hemmern; gleichzeitige i.v.-Therapie mit Verapamil, Diltiazem oder anderen Antiarrhythmika.

5.5 Kontrolluntersuchungen Bei langdauernder Anwendung empfehlen sich die Kontrolle von Blutdruck, Herzfrequenz und Herzrhythmus, wenn gleichzeitig eine Therapie mit Calciumantagonisten (besonders bei Verapamil und Diltiazem) oder Antiarrhythmika durchgeführt wird, da verstärkt Blutdruckabfall, Bradykardie und/oder Herzrhythmusstörungen auftreten können.

5.6 Wechselwirkungen Bei gleichzeitiger Anwendung von Carvedilol und Digoxin bzw. Digitoxin kann es zu einer Erhöhung des Digoxin- und des Digitoxin-Serumspiegels kommen. Cimetidin, Hydralazin und Alkohol können die systemische Verfügbarkeit von Carvedilol erhöhen, da sie über eine Enzymblockade dessen hepatische Metabolisierung vermindern. Rifampicin kann über eine Enzyminduktion die systemische Clearance von Carvedilol erhöhen. Cyclooxygenasehemmende Arzneimittel (z.B. Acetylsalicylsäure) können den blutdrucksenkenden Effekt abschwächen. Gleichzeitige Nahrungsaufnahme führt zum verzögerten Erreichen der maximalen Plasmakonzentrationen. Die Bioverfügbarkeit verändert sich dabei aber nicht.

6. Unerwünschte Wirkungen

6.1 Wirkung auf das Zentralnervensystem Gelegentlich kann es zu Schwindelgefühl, Kopfschmerzen und Müdigkeit kommen. Diese Erscheinungen sind gewöhnlich leichterer Art und treten insbesondere zu Beginn der Behandlung auf. Selten können depressive Verstimmungen, Halluzinationen, Verwirrtheit, Schlafstörungen und Alpträume, in Einzelfällen auch Psychosen auftreten.

6.2 Herz-Kreislauf-System Gelegentlich, insbesondere nach Einnahme der ersten Carvedilol- Dosis und bei Dosissteigerung, aber auch bei Lagewechsel vom Liegen zum Stehen (Orthostase) kann es zu Hypotension mit Symptomen wie Schwindel, Schwarzwerden vor den Augen, in seltenen Fällen auch zu Synkopen kommen.

Gelegentlich können Bradykardie sowie periphere Durchblutungsstörungen (Kältegefühl in den Extremitäten) zu einer Verstärkung der Beschwerden bei Patienten mit Claudicatio intermittens bzw. Raynaud-Syndrom sowie Angina pectoris und Ödemen führen. AV-Blockierungen können durch Carvedilol verstärkt werden (siehe auch Kontraindikationen).

Bei Patienten mit Prinzmetal-Angina ist eine Verstärkung der Symptomatik möglich. Bei Patienten mit niedrigem Ausgangsblutdruck (systolisch < 100 mmHg) kann es nach Gabe der ersten Carvediloldosis, aber auch bei Dosissteigerung zu einem verstärkten Blutdruckabfall kommen. Deswegen sollen Patienten nach Gabe der ersten Carvediloldosis und bei Dosissteigerungen für zwei Stunden ärztlich überwacht werden.

Bei Patienten mit Herzinsuffizienz kann es insbesondere bei Therapiebeginn zu einer Verschlechterung der Symptomatik z.B. einer verstärkten Flüssigkeitsretention kommen. Es kann dann notwendig sein, die Dosis zu reduzieren oder aber auch die Therapie vorübergehend zu unterbrechen. Bei herzinsuffizienten Patienten, die zusätzlich niereninsuffizient sind, kann unter der Carvediloltherapie eine Verschlechterung der Nierenfunktion auftreten. Diese Verschlechterung ist meist reversibel. Daher muss während der Einstellungsphase die Nierenfunktion regelmäßig kontrolliert werden. Ebenso können herzinsuffiziente Patienten mit niedrigem Blutdruck (systolisch < 100 mmHg) gehäuft Schwindel, Schwarzwerden vor den Augen, in seltenen Fällen auch Synkopen erleiden.

6.3 Nierenfunktion Bei Patienten mit Herzinsuffizienz sowie bei Patienten mit generalisierten Gefäßerkrankungen und/oder eingeschränkter Nierenfunktion kann es zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion, selten auch zum Nierenversagen kommen.

6.4 Hautreaktionen In seltenen Fällen wurden unter Carvedilol-Therapie Urtikaria, Pruritus, Lichen-planus-ähnliche Reaktionen sowie selten andere allergische Reaktionen beobachtet. Arzneimittel mit beta-blockierenden Eigenschaften können in Einzelfällen eine Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris) auslösen, die Symptome dieser Krankheit verschlechtern oder zu psoriasiformen Exanthemen führen.

6.5 Atemwege Infolge einer Erhöhung des Atemwegswiderstandes kann es bei Patienten mit Neigung zu bronchospastischen Reaktionen zu asthmatischen Anfällen kommen. Gelegentlich wurde Dyspnö, selten eine verstopfte Nase beobachtet.

6.6 Gastrointestinaltrakt Gelegentlich können Nausea, Diarrhö, Bauchschmerzen und Erbrechen, selten Obstipation auftreten.

6.7 Blut Selten sind Veränderungen der Serumtransaminasen sowie Thrombozytopenie und Leukopenie beobachtet worden.

6.8 Stoffwechsel Aufgrund der betablockierenden Eigenschaften kann unter der Carvedilol-Therapie ein latenter Diabetes mellitus in Erscheinung treten oder sich manifestieren. Bei Patienten mit Diabetes mellitus können verstärkt Hypoglykämien auftreten infolge Hemmung der Glykogenolyse mit Verstärkung der Wirkung von Insulin und Sulfonylharnstoffderivaten. Auch können die Zeichen einer Hypoglykämie sowie einer Hypothyreose maskiert werden. Ebenso kann der Lipidstoffwechsel gestört sein. Es kann zu einer Erhöhung der LDL- und VLDL-Fraktion kommen und zu einer Erniedrigung der HDL-Fraktion. Gelegentlich kann auch bei Patienten mit Herzinsuffizienz eine Hyperglykämie, eine Zunahme des Körpergewichts und eine Hypercholesterinämie auftreten.

6.9 Weitere unerwünschte Wirkungen Gelegentlich sind Gliederschmerzen, selten Parästhesien, Visusstörungen, Augenreizungen, Mundtrockenheit, Miktionsstörungen und Potenzstörungen beobachtet worden. Insbesondere Kontaktlinsenträger sollten beachten, dass es unter Carvedilol zu vermindertem Tränenfluss kommen kann. Für Schwindel, Sehstörungen, Bradykardie und Verstärkung einer Herzinsuffizienz wurde eine Dosisabhängigkeit beobachtet.

7. Dosierung

Bei Hypertonie und koronarer Herzkrankheit initial 1- bis 2-mal 12,5 mg oral an den ersten beiden Tagen, danach in der Regel ein- bis zweimal 25 mg/d. Einzeldosen von 25 mg und Tagesdosen von 50 mg sollen nicht überschritten werden. Bei chronischer Herzinsuffizienz wird mit einer Dosis von initial zweimal 3,125 mg/d begonnen und dann nicht schneller als alle 14 Tage verdoppelt bis maximal zweimal 25 mg/d.

8. Hinweise zur Einnahme

Einnahme unzerkaut mit reichlich Flüssigkeit zum Essen. Carvedilol wird dadurch langsamer resorbiert, wobei orthostatische Effekte vermindert werden können.

9. Aufbewahrung

Da sich die Tabletten unter Lichteinfluss verfärben können, empfiehlt sich die Aufbewahrung in der verschlossenen Faltschachtel.

10. Überdosierung

  • Symptome der Intoxikation: Bei Überdosierung kann es zu schwerer Hypotonie, Bradykardie, Herzinsuffizienz sowie kardiogenem Schock und Herzstillstand kommen. Zusätzlich können Atembeschwerden, Bronchospasmen, Erbrechen, Bewusstseinsstörungen und auch generalisierte Krampfanfälle auftreten.
  • Therapie von Intoxikationen: Neben den üblichen Standardmaßnahmen wie Magenspülung, Gabe von Kohle und Natriumsulfat soll eine intensivmedizinische Überwachung und Korrektur der vitalen Parameter erfolgen. Bei Bradykardie Atropin 0,5 bis 2 mg i.v., bei therapierefraktärer Bradykardie sollte eine Schrittmachertherapie erfolgen, bei Hypotonie oder Schock Plasmaersatzmittel und ggf. Sympathomimetika. Wenn bei dem Intoxikationsbild die periphere Vasodilatation überwiegt, ist die Gabe von Norfenefrin oder Norepinephrin bei kontinuierlicher Kontrolle der Kreislaufverhältnisse erforderlich. Bei Bronchospasmus sollten Beta-Sympathomimetika oder Theophyllin i.v. gegeben werden. Bei Krampfanfällen empfiehlt sich die langsame Gabe von Diazepam oder Clonazepam.

11. Hinweise für Verkehrsteilnehmer

Für Carvedilol liegen keine Untersuchungen zur Beeinflussung der Fahrtüchtigkeit oder der Fähigkeit, Maschinen zu bedienen, vor. Individuell auftretende unterschiedliche Reaktionen (z.B. Schwindel, Müdigkeit) können die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr, zum Bedienen von Maschinen oder zum Arbeiten ohne sicheren Halt beeinträchtigen. Dies gilt in verstärktem Maße bei Behandlungsbeginn, Dosierungserhöhung und Präparatewechsel sowie im Zusammenwirken mit Alkohol.

Literatur Fachinformation Dilatrend. Stand März 1997. Boehringer Mannheim - SmithKline Beecham Pharma. Mutschler, E.: Arzneimittelwirkungen. 7. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1996. Scholz, H., Schwabe, U.: Taschenbuch der Arzneibehandlung - Angewandte Pharmakologie. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1997. Reynolds, J. E. F.: Martindale. The Extra Pharmacopoeia. 31. Auflage, The Pharmaceutical Press, London 1996. Fülgraff, G., Palm, D.: Pharmakotherapie, Klinische Pharmakologie. 9. Auflage. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1995.

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