Arzneimittel und Therapie

Mammakarzinom: Herceptin – monoklonaler Antikörper gegen Krebs

Wenn im Brustkrebsgewebe das HER2-Protein nachgewiesen werden kann, ist das Risiko für einen besonders aggressiven Verlauf der Krankheit hoch. Tumorzellen mit diesem Kennzeichen sprechen gegenüber konventionellen Chemo- und Hormontherapien schlecht an. Etwa 25 bis 30% aller Frauen mit Mammakarzinom sind davon betroffen. Für sie wurde der neue monoklonale Antikörper Trastuzumab (Herceptin) entwickelt, der seit September 1998 in den USA und jetzt auch bei uns auf dem Markt ist.

Bislang wurde das Präparat in über 30 Ländern zugelassen und bei weltweit etwa 30000 Patientinnen eingesetzt. Zurzeit ist es für die Behandlung von metastasierendem Brustkrebs zugelassen. Diskutiert wird, ob der neue Antikörper bereits dann eingesetzt werden sollte, wenn die Überexpression des HER2-Gens im Primärtumor nachgewiesen wird. Eine positive Wirkung auf den Verlauf der Krankheit ist wahrscheinlich, allerdings ist die Datenlage dazu bis jetzt noch nicht sehr gut.

Wachstumsfaktor-Rezeptoren im Überschuss

Ein früh erkannter Brustkrebs kann durch Chirurgie und Bestrahlung häufig geheilt oder wenigstens für längere Zeit zum Stillstand gebracht werden. Anders sieht es bei späten Stadien aus, wenn sich bereits Metastasen gebildet haben. Dann endet die Krankheit meist tödlich. Ein besonders hohes Risiko für einen aggressiven Verlauf der Krankheit haben Frauen, deren Krebszellen das HER2-Protein überexprimieren.

Das HER2-Gen ist ein so genanntes Proto-Onkogen. Unter normalen Bedingungen produzieren die beiden Kopien des HER2-Gens im Zellkern geringe Mengen des HER2-Proteins, das zur Familie der menschlichen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptoren gehört. Dieses Protein hat eine Bedeutung bei der Übertragung von Wachstumssignalen, die für ein kontrolliertes Zellwachstum mit geregelter Teilungsrate sorgen. Es ragt aus der Oberfläche der Zellen wie eine Antenne hervor, welche die wachstumsfördernden Signale überträgt. Entartete Zellen weisen häufig einen bis zu hundertfachen Überschuss dieses Proteins auf, so dass sich auf ihrer Oberfläche ein ganzen "Antennenwald" befindet, von dem aus permanent wachstumsfördernde Signale an den Zellkern abgegeben werden. Die Zelle reagiert mit unkontrolliertem Wachstum und vermehrter Teilung.

Etwa 25 bis 30% aller Frauen mit Brustkrebs haben Tumorzellen, die zu viel HER2-Protein produzieren, was meist auf eine Amplifikation (Vermehrung) des HER2-Gens zurückzuführen ist. An diesen Brustkrebszellen greift der monoklonale Antikörper Trastuzumab an.

Antikörper gegen den Wachstumsfaktor

Trastuzumab (Herceptin) ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der gegen das HER2-Protein (humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor2) gerichtet ist. Der Antikörper blockiert das HER2-Protein, so dass die Zelle keine Wachstumssignale mehr erhält. Außerdem kann der Antikörper-Rezeptor-Komplex auf der Zelloberfläche von körpereigenen zytotoxischen T-Killerzellen erkannt und angegriffen werden, wodurch die Krebszelle zerstört wird.

Im Vergleich zur Chemo- und Hormontherapie erreicht der Antikörper auch ruhende Zellen, die sich nicht teilen. Auf diese Art, so hofft man, soll er Mikrometastasen zerstören, die sich - vom Immunsystem unerkannt - in verschiedene Gewebe oder ins Knochenmark eingeschlichen haben und dort nach einigen Jahren Ruhe wieder zu wachsen beginnen.

Im Gegensatz zu einer Chemotherapie zerstört der Antikörper die normalen und gesunden Zellen nicht. Damit kommt es zu wesentlich weniger Nebenwirkungen als bei herkömmlichen Krebstherapien.

Verlängerung des Lebens in klinischen Studien nachgewiesen

Dass der theoretische Wirkungsansatz auch in der Praxis funktioniert, zeigte sich in mehreren klinischen Studien. Hier konnte Herceptin die Lebensdauer bei HER2-überexprimierenden Patientinnen mit metastasierendem Mammakarzinom deutlich verlängern.

Die behördliche Zulassung basiert auf klinischen Daten zweier Studien, in denen die Wirksamkeit und Sicherheit von Trastuzumab bei metastasierendem Brustkrebs nachgewiesen wurde:

  • In einer groß angelegten, randomisierten Studie bewirkte die zusätzliche Verabreichung von Trastuzumab zur üblichen Chemotherapie eine Verbesserung der Überlebensdauer deutlich HER2-positiver Patientinnen um zirka 40%. Die alleinige Verabreichung von Trastuzumab erwies sich als gut verträglich, und es traten praktisch keine der sonst bei einer Chemotherapie häufigen Nebenwirkungen auf.
  • Die alleinige Gabe von Herceptin erwies sich in einer zweiten internationalen Zulassungsstudie ebenfalls als hoch wirksam: Mehr als die Hälfte der behandelten Patientinnen, die alle bereits intensiv chemotherapeutisch vorbehandelt waren, profitierten von der Hercetin-Monotherapie. Bei ihnen kam es entweder zum Stillstand der Erkrankung oder die Tumorlast verringerte sich.

Gut verträglich

Die Therapie mit Trastuzumab kann ambulant durchgeführt werden. Die Behandlung ist gut verträglich. Bei etwa 49% der Frauen kommt es während der ersten Infusion zu leichtem Schüttelfrost und Fieber. Bei gleichzeitiger Behandlung mit Anthracyclinen besteht allerdings ein erhöhtes Risiko für Herzschäden.

Weitere Studien laufen

In Deutschland laufen zahlreiche klinische Studien mit dem Ziel, die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Kombinationstherapie aus Trastuzumab plus Chemotherapie bzw. Hormontherapie weiter zu verbessern. Dazu gehören zwei multizentrische Studien mit Trastuzumab zur Behandlung von Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom mit HER2-Überexpression, die noch keine Vorbehandlung ihrer metastasierten Erkrankung erhalten haben:

  • In einer internationalen Studie wird die Kombination Epirubicin/Cyclophosphamid plus Trastuzumab geprüft.
  • In einer zweiten Studie testet man die Kombination Docetaxel plus Trastuzumab. Hier wird Docetaxel entweder alle drei Wochen oder einmal wöchentlich verabreicht.
  • In einer dritten Studie wird eine Trastuzumab-Monotherapie für Patientinnen mit HER2-überexprimierendem metastasiertem Mammakarzinom angeboten, die mindestens eine Chemotherapie-Vorbehandlung ihrer metastasierten Erkrankung erhalten haben und erneut eine Therapie benötigen.

Weitere Studien zur First-line-Therapie des metastasierten Mammakarzinoms und zu neuen, noch nicht untersuchten Kombinationen befinden sich in Vorbereitung. In diesen Studien soll beispielsweise die Kombination von Trastuzumab mit Navelbine oder dem Aromatase-Inhibitor Anastrozol geprüft werden.

Hoffnungen für den adjuvanten Einsatz

Noch wenig untersucht ist der Einsatz von Trastuzumab in der adjuvanten, der vorbeugenden Situation, also wenn der Tumor operativ entfernt wurde und sich noch keine Metastasen gebildet haben. Heute wird in dieser Situation - je nach individueller Diagnose der Frau - eine Strahlentherapie und/oder eine Behandlung mit Chemo- und Hormontherapeutika durchgeführt. Diese Behandlungen sollen bewirken, dass einzelne Tumorzellen, die sich aus dem Tumor gelöst und beispielsweise im Knochenmark angesiedelt haben, zerstört werden, bevor sie zu den tödlichen Metastasen heranwachsen. Die herkömmliche adjuvante Behandlung kann das Auftreten von Metastasen bei jeder zweiten bis dritten Patientin verhindern.

Trastuzumab könnte hier seine eigentliche Stärke zeigen: Im Gegensatz zur Hormon- und Chemotherapie kann der Antikörper auch ruhende Mikrometastasen erkennen und zerstören. Außerdem ist er wesentlich besser verträglich. Allerdings ist Trastuzumab für diese Indikation (noch) nicht zugelassen. In den USA sind vor einigen Wochen zwei Studien mit Herceptin zur adjuvanten Therapie angelaufen. In Europa werden derzeit mehrere Studienkonzepte diskutiert und vorbereitet. Ab etwa Mitte nächsten Jahres sollen Studien zu dieser Fragestellung in Europa angeboten werden.

Spezifische Tests sind die Grundlage für den Therapieerfolg

Der Antikörper Trastuzumab wurde speziell auf HER2-positive Patientinnen zugeschnitten. Voraussetzung für eine derartige Therapie ist daher immer der Nachweis der HER2-Überexpression. Sind diejenigen Patientinnen identifiziert, deren Tumore eine Überexpression aufweisen, können sie mit großer Wahrscheinlichkeit von der Herceptin-Therapie profitieren.

Zurzeit stehen zwei Nachweismethoden zur Verfügung:

  • Bei der Immunhistochemie werden die HER2-Proteine in Gewebeschnitten mit einem farbmarkierten Antikörper nachgewiesen.
  • Bei der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung wird die Vermehrung (Amplifikation) des HER2-Gens mit Hilfe von Antikörpern gezeigt, die mit einem Fluoreszenzfarbstoff markiert sind.
  • Mit Hilfe von ELISA-Tests (enzyme linked immunosorbent assay) lassen sich im Serum Proteinfragmente nachweisen, die von den HER2-Rezeptorproteinen auf den Tumorzelloberflächen abgespalten wurden. Diese Tests geben jedoch keinen Aufschluss über die HER2-Gen-Amplifikation oder die Protein-Überexpression der Tumorzellen.

Quelle: Prof. Dr. Axel Ullrich, Martinsried; Prof. Dr. med. Fritz Jänicke, Hamburg; Prof. Dr. med. Manfred Kaufmann, Frankfurt; Einführungs-Pressekonferenz "Neue Chancen bei Brustkrebs - Erfahrungen und Erfolge mit Herceptin", Frankfurt, 14. September 2000, veranstaltet von Hoffmann-La Roche, Grenzach-Wyhlen.

Wenn im Brustkrebsgewebe das HER2-Protein nachgewiesen werden kann, ist das Risiko für einen besonders aggressiven Verlauf der Krankheit hoch. Tumorzellen mit diesem Kennzeichen sprechen gegenüber konventionellen Chemo- und Hormontherapien schlecht an. Etwa 25 bis 30% aller Frauen mit Mammakarzinom sind davon betroffen. Für sie wurde der neue monoklonale Antikörper Trastuzumab (Herceptin) entwickelt, der seit September 1998 in den USA und jetzt auch bei uns auf dem Markt ist. 

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