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Jahrestagung des BVKA: Das System verteidigen

BAD HOMBURG (du). Das derzeitige Arzneimittelversorgungssystem wird zunehmend von Gesellschaft und Politik in Frage gestellt. Apotheker müssen mit Nachdruck klar machen, dass neue Versorgungssysteme, die frei von Versandhandels-, Fremd- und Mehrbesitzverbot sind, die individuelle Versorgung und Betreuung des Patienten gefährden. Das System wird allerdings auch durch Aktivitäten aus den eigenen Reihen der Apotheker in Frage gestellt, so beispielsweise durch den Schulterschluss des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) mit den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Gefordert wird eine Gesetzesänderung, die den Krankenhausapotheken auch die Versorgung und Betreuung ambulanter Krankenhauspatienten gestattet. Hierüber wurde im Rahmen des gesundheitspolitischen Teils der Jahrestagung des Bundesverbandes der krankenhausversorgenden Apotheker (BVKA) am 10. Mai in Bad Homburg ausführlich referiert und diskutiert.

Nach Ansicht von Walter Schneider, Dillingen, 1. Vorsitzender des Bundesverbandes krankenhausversorgender Apotheker, steckt in dem Antrag der DKG, der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen und der ADKA nach wie vor der meiste Zündstoff in der derzeitigen großpolitischen Landschaft. In seinem Bericht des Vorstands zur 14. Mitgliederversammlung des BVKA äußerte er die Befürchtung, dass es noch nicht allen 22000 Offizinapothekerinnen und -apothekern klar sei, dass durch diese Bestrebungen die Existenz tausender öffentlicher Apotheken in Gefahr gebracht werde. Solange dieses Papier nicht zurückgezogen werde, bliebe die Gefahr für die Offizinapotheken bestehen. Schneider forderte die ABDA auf, die Krankenhausapotheker unter ihrem neugewählten Vorstand eindeutig und unmissverständlich in ihre Schranken zu weisen. Die Einbeziehung der Krankenhausapotheken und auch der krankenhausversorgenden Apotheken in die Netze der ambulanten Versorgung würde die Preisbildung im Krankenhaus, aber auch in der Offizinapotheke verändern.

Herstellende Firmen, so Schneider, werden nicht zulassen, dass mit den in der Krankenhausversorgung geltenden Preisen auch ambulante Patienten versorgt werden. Die gemeinsame Preisspannenverordnung, Grundlage der wirtschaftlichen Existenz der Offizinapotheker, sei in Gefahr. Zudem habe die global operierende pharmazeutische Industrie Probleme mit dem deutschen Sondermodell, so dem dualen Vertriebsweg und der dualen Preisbildung sowie mit der Sonderkennzeichnung von Krankenhausware. Hier wird über Änderungen nachgedacht. Der BVKA bemüht sich zu verhindern, dass Denkmodelle zum Tragen kommen, die die Kompetenz der Apotheker und deren Einsatz unter rein wirtschaftlichen Zwängen ad absurdum führen.

Grauer Markt: Kennzeichnung und Überwachung deutlich verbessert!

Im vergangenen November wurde im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung einstimmig der Beschluss zu einer Satzungsänderung gefasst, nach der sich die Mitglieder in Form einer Ehrenerklärung verpflichten, die zu Sonderkonditionen für die Klinikversorgung erhaltene Ware nur bestimmungsgemäß weiterzuleiten. Bei Verstoß droht Strafe.

Es war, so Schneider, im Rahmen der Diskussionen um den Grauen Markt unbedingt notwendig, ein politisches Zeichen zu setzen. Auch der Forderung nach besserer Kennzeichnung und interner Überwachung durch die Pharmazeutische Industrie wurde nachgekommen. Gerade Ware, bei der die Preisschere weit auseinanderklaffe, sei gekennzeichnet und würde sehr genau überwacht.

Apothekengesetznovelle könnte für klare Verhältnisse sorgen!

"Das Spannungsverhältnis ambulante und stationäre Arzneimittelversorgung: Probleme, Gefahren, Perspektiven" war Thema der Referates von Dr. Johannes Pieck, Sprecher der Geschäftsführung der ABDA. In seinen Ausführungen beschränkte er sich nicht auf das Spannungsverhältnis von krankenhausversorgenden Apothekern und Krankenhausapothekern. Sein Anliegen war eine grundsätzliche Betrachtung. Am 26. Februar 1999 hatte der Bundesrat beschlossen, einen Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Apothekengesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Kern des Entwurfes ist die Neuregelung der Versorgung von Krankenhausambulanzen und Pflegeheimen. Bislang ruht dieser Entwurf immer noch. Zwar sei die Initiative zur Apothekengesetznovelle nicht von der ABDA gewollt und in Gang gesetzt worden, doch sei sie notwendig, um Schlimmeres zu verhindern. Der Entwurf enthalte nicht nur Lästigkeiten. So hätte die vorgesehene Neuordnung der Zytostatikaversorgung zu geordneten Verhältnissen geführt. Danach sollten Zytostatikarezepte direkt an die herstellende Apotheke geleitet werden und die Zubereitung aus Sicherheitsgründen nicht dem Patienten ausgehändigt, sondern dem behandelnden Arzt zugeleitet werden. Nach Auffassung Piecks ist es jedoch möglich, sich jetzt schon so zu verhalten, wie es der Entwurf vorsieht, wenn dies der Gewährleistung der Sicherheit dient.

Zytostatikaversorgung: Krankenhausapotheken dürfen nicht die Rolle von Caremark übernehmen!

Die flächendeckende Versorgung mit Zytostatikazubereitungen sieht Pieck jetzt schon gewährleistet. Sie könnte jedoch noch durch das Engagement weiterer öffentlicher Apotheken verbessert werden. Ziel der ABDA sei es, zu verhindern, dass Firmen wie Caremark die Funktionen des Apothekers übernehmen. Es sei besser, wenn wenige Apotheker diese Leistungen flächendeckend erbringen würden, als dass der gesamte Berufsstand als ineffektiv vorgeführt würde. Eine Lösung sei es allerdings auch nicht, wenn Krankenhausapotheken die Rolle von Caremark übernehmen würden. Er wies dabei auf einen gerichtlich zu klärenden Fall hin, bei dem Zytostatikazubereitungen aus einer Krankenhausapotheke an öffentliche Apotheken geliefert werden. Nach Auffassung der ABDA handelt es sich dabei um einen klaren Verstoß gegen §14 Apothekengesetz.

Auch im Bereich der Versorgung von Pflegeheimen könnte durch die im zuvor erwähnten Entwurf vorgesehenen Änderungen für klare Verhältnisse gesorgt werden. Er sieht vor, dass Rezepte aus Alten- und Pflegeheimen nur aufgrund eines Versorgungsvertrages mit einer nahegelegenen öffentlichen Apotheke beliefert werden dürften. Von seiten der Krankenhausapotheker gebe es Bestrebungen, so Pieck, den öffentlichen Apotheken die Zuständigkeit für die Pflegeheime zu entziehen. Allerdings sei es den Offizinapothekern unbenommen, schon im Vorfeld die Versorgung von Alten- und Pflegeheimen auf dem in dem Entwurf geforderten Niveau durchzuführen.

Überall Buschfeuer!

Als "brandgefährlich" stufte Pieck die Versorgung per Versand von Justizanstalten ein. Setze sich das Argument durch, Justizvollzugsanstalten seien keine Endverbraucher, dann ließe sich dies auch auf Ärzte, Alten- und Pflegeheime anwenden. In diesem Zusammenhang wies Pieck auch auf Bestrebungen aus den Reihen der Betriebskrankenkassen hin, in Holland Rezeptbelieferungen zu organisieren. Es werde versucht, hier geltendes Recht durch Europarecht aus den Angeln zu heben. Es existiere die Rechtsauffassung, nach der ein Arzt ausländische Arzneimittel verordnen könne. Solche Rezepte könnten in Europa eingelöst werden. Das Arzneimittelversandverbot und Botenverbot gelte nur für Apotheker, jedoch nicht, wenn der Versand im Auftrag des Patienten erfolge.

Gießen: Formelle Zusage des Hoheitsträgers Land Hessen

In Sachen Privatisierung der Krankenhausapotheke der Universitätsklinik Gießen berichtete Pieck über ein Schreiben des hessischen Ministerpräsidenten an die IHK Hessen, in dem mitgeteilt wird, dass man mit der Bietergruppe abgeschlossen habe. Bei der Bietergruppe handelt es sich um die vormals angestellten Apotheker der Krankenhausapotheke. Das wirtschaftliche Überleben der privaten krankenhausversorgenden Apotheke hängt allein von der Versorgung des Klinikums Gießen ab. Es sei, so Pieck, die Stunde der Kammer, dafür zu sorgen, dass vom Sozialministerium kein Vertrag genehmigt werde, den die Kammer zuvor nicht gesehen hat und zu dem sie nicht Stellung nehmen konnte. Er rief die hessische Sozialministerin dazu auf, die Zusage nicht zu praktizieren. Die Unterstützung der ABDA sei ihr sicher.

Apotheken befinden sich in freiem Wettbewerb!

Die Regelungen des Apotheken- und Arzneimittelrechts setzen Mindestbedingungen, die vom Einzelnen aufzurüsten sind. Im Spektrum der Leistungsfähigkeit der Apotheken wird es, so Pieck, immer Unterschiede geben. Apotheken befinden sich in freiem Wettbewerb. Wettbewerb bedeute Chancengleichheit, aber nicht Ergebnisgleichheit. Hier wird es Sieger und Verlierer geben.

Das System muss vom Berufsstand gewollt sein!

Von Seiten der Politik und den Krankenkassen wird das Arzneimittelversorgungssystem und die Preisbildung zunehmend in Frage gestellt. In seinem Vortrag "Gesundheitspolitik 2000 - Quo vadis Versorgungsapotheke?" appellierte der Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer eindringlich an seine Kollegen, einen festen Standpunkt einzunehmen und das bestehende System zu verteidigen. Würden die Änderungsanträge der DKG, Krankenkassen und der ADKA Gehör finden, träten Krankenhäuser als steuerpriviligierte und -finanzierte Einrichtungen in den Wettbewerb mit privaten Apotheken. Dies sei ordnungspolitisch ein Sündenfall. Im Krankenhausbereich gelte kein Mehrbesitzverbot und keine Arzneimittelpreisverordnung. Es würde eine Schleuse geöffnet, die die Säulen des Berufstandes zum Stürzen bringen würden. Vorteile werden von Seiten der Politik darin gesehen, dass bei einem Fall des Fremd- und Mehrbesitzverbots der Großhandel überflüssig werden würde, aus zwei Handelsstufen eine gemacht werden könne und Rabatte leichter zu verhandeln wären.

In diesem Szenario sieht Metzger die Arzneimittelversorgung in den Händen von etwa drei großen, auf Einkaufs- und Distributionslogistik spezialisierten Ketten. Entsprechend dem vorherrschenden Zeitgeist meine man, mit Wettbewerb die Probleme lösen zu können. Es sei ein großer Irrtum, dass Wettbewerb im Gesundheitssystem funktioniere, da es keine freie Nachfrageentscheidung durch den Patienten gebe.

Skandal "Integrierte Versorgung"

Als Skandal bezeichnete Metzger das im SGB V §140 geregelte System der integrierten Versorgung. Zum einen sei es ein Skandal, wenn eine Regelversorgung für den Gesetzgeber nachrangig werde und aus dieser nachrangigen Versorgungssituation heraus einzelne Qualitätsinseln finanziert werden sollen. Zum anderen sei es ein Skandal, dass der europäische Konsens, jeder Bürger habe grundsätzlich gleichen Zugang zu medizinischen Leistungen, als offizielle Politik aufgekündigt wird.

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