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DAZ-Interview: Krankenhausapotheker unter Druck

MÜNCHEN (diz). Krankenhausapotheker und Offizinapotheker hatten in früheren Jahren kaum Berührung miteinander, geschweige denn Konflikte. Für den einen Teil der Berufsgruppe endete die Versorgung an der Pforte des Krankenhauses, für den anderen begann sie dort. Seit einigen Jahren jedoch haben sich diese Grenzen verwischt und überlappen sich zum Teil. Zum einen wurde den Offizinapothekern die Möglichkeit gegeben, Krankenhäuser zu versorgen, zum anderen drängten die Krankenhausapotheker danach, Arzneimittel für Patienten zur Anwendung in Krankenhausambulanzen zur Verfügung zu stellen, z. B. bei der Zytostatikaversorgung. Neue Diskussionspunkte entzündeten sich zwischen beiden Berufsgruppen zum Thema Klinische Pharmazie. Wir wollten wissen, wie die Krankenhausapotheken diese Reibungspunkte beurteilen und wie sich die Lage dieser Berufsgruppe heute darstellt. Wir sprachen mit dem Präsidenten des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker - ADKA -, Dr. Hugo Krämer.

?Herr Dr. Krämer, zur Zeit gibt es einige Reibungspunkte zwischen Krankenhaus- und Offizinapothekern, insbesondere den krankenhausversorgenden Offizinapothekern. Betrachten wir beispielsweise die Herstellung von Zytostatika, die vor allem die Krankenhausapotheker für sich reklamierten. Als die Offizinapotheker begannen, sich in dieses Gebiet einzuarbeiten, waren die Kollegen im Krankenhaus, so schien es, nicht besonders erfreut. Sollen Ihrer Auffassung nach die Offizinapotheker die Finger davon lassen? Dr. Krämer: Die Herstellung von applikationsfertigen Zytostatika in der Krankenhausapotheke von Krankenhäusern mit onkologischen Abteilungen ist seit rund 15 Jahren Standard. Werden Patienten nach der stationären onkologischen Behandlung aus dem Krankenhaus entlassen, werden sie in vielen Fällen von einem ermächtigten Krankenhausarzt weiter betreut. So hat es sich ergeben, daß diese Patienten von der Krankenhausapotheke auch im ambulanten Bereich des Krankenhauses mitversorgt werden. Diese Art der ambulanten Behandlung gestaltet sich jedoch in der Regel anders als eine Behandlung in der Praxis eines niedergelassenen Arztes. Oft werden hierfür im Krankenhaus Parameter bestimmt, die in die Behandlung einfließen. Außerdem sind zahlreiche Zytostatikalösungen in der zubereiteten Form nur kurze Zeit haltbar. Aus diesen und anderen Gründen hat es sich zum Wohl des Patienten als sehr sinnvoll erwiesen, daß die Versorgung dieser ambulanten Patienten aus der Krankenhausapotheke heraus stattfindet.

?Nun können diese Zytostatikalösungen mittlerweile auch einige Offizinapotheker lege artis herstellen. Mitarbeiter wurden geschult, Zytostatikawerkbänke angeschafft, die Versorgung der Patienten erfolgt hier nach hohen Qualitätsstandards. Dagegen ist doch auch aus Ihrer Sicht nichts einzuwenden, oder? Dr. Krämer: Wir haben in keiner Weise etwas dagegen, wenn ein Patient sein Zytostatikarezept, das er von einem niedergelassenen Onkologen erhielt, in einer Offizinapotheke, die solche Lösungen herstellen kann, einlöst. Wir haben kein Interesse, diese Patienten an die Krankenhausapotheke zu binden. Es geht uns ausschließlich darum, Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden, von der Krankenhausapotheke heraus zu versorgen. Das Problem ist eigentlich erst dadurch ins Rollen gekommen, nachdem in Berlin einer Klinikapotheke untersagt worden ist, aufgrund einer restriktiven Auslegung des Apothekengesetzes diese Patienten ambulant zu versorgen. Wir haben uns schließlich mit der ABDA darauf geeinigt, daß die Krankenhausapotheke für im Krankenhaus ambulant behandelte Patienten Zytostatikalösungen, aber auch andere rezepturmäßig hergestellte Arzneimittel zur Verfügung stellt. Dieser Kompromiß wurde bereits 1996, zusammen mit der ABDA, geschlossen, aber danach nicht weiter verfolgt. Streng genommen bräuchte man hierfür natürlich eine Gesetzesänderung. Seit damals hat sich aber nichts in Richtung einer Gesetzesinitiative bewegt. Wir bedauern sehr, daß sich die ABDA nicht für eine Anpassung an den §14 Apothekengesetz in diesem Sinn eingesetzt hat.

?Im vergangenen Jahr ging allerdings vom Land Berlin eine andere Gesetzesinitiative aus, die möglicherweise in eine ähnliche Richtung zielt: Stichwort Heimversorgung. Kann diese Initiative mit dem Thema Zytostatikaversorgung im Zusammenhang gesehen werden? Dr. Krämer: Nein, diese Initiative ging von einer anderen Notwendigkeit aus. In Berlin wurden bekanntlich viele Krankenhausbetten in Pflegeheimbetten umgewandelt. Danach stellte man fest, daß die Arzneimittelversorgung für diese Patienten sehr viel teurer geworden war, da sie nicht mehr von der Krankenhausapotheke versorgt wurden. Man überlegte, wie man hier zu einer kostengünstigeren Versorgung kommen könnte, etwa dadurch, daß Pflegeheime von der Krankenhausapotheke mitversorgt werden dürfen. Dies ist bekanntlich als Bundesratsinitiative in einem Gesetzentwurf zum Apothekengesetz durchgekommen. Wir haben, lassen Sie mich dies deutlich sagen, mit dieser Berliner Initiative, was die Pflegebetten anbelangt, nicht ursächlich zu tun. Mit dieser Gesetzesinitiative wurde dann ein Paket geschnürt, das auch einen zuvor mit der ABDA ausgehandelten Kompromiß zur ambulanten Versorgung von Patienten beinhaltete. Zur Zeit stagniert dieses Gesetzesvorhaben allerdings. In dieser Legislaturperiode dürfte, so war von den Politikern zu erfahren, nichts mehr in dieser Richtung unternommen werden. Auch hier beobachten wir leider, daß die ABDA ein Vorankommen der gesetzlichen Regelung nicht unterstützt.

?Haben denn die Krankenhausapotheker generell ein Interesse daran, in die Heimversorgung einzusteigen? Dr. Krämer: Nein, wir sind ausschließlich daran interessiert, uns für das Krankenhaus zu engagieren. allerdings dann für alle Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden, also auch für die ambulant behandelten. Allein vor dem Hintergrund, daß der niedergelassene Arzt die Pflegeheime besucht, ist eine Versorgung aus der Krankenhausapotheke heraus nur schlecht denkbar.

?Bleiben wir kurz noch bei der Arzneimittelversorgung im Krankenhaus. Im vergangenen Jahr haben Sie in einem Editorial der Zeitschrift "Krankenhauspharmazie" den Krankenhausapothekern ans Schienbein getreten, in dem Sie deutlich sagten, man solle die krankenhausversorgenden Apotheker abschaffen, sie seien heute nicht mehr nötig. Bleiben Sie bei dieser Erkenntnis? Dr. Krämer: Ja, ich bleibe dabei, krankenhausversorgende Apotheker sind heute überflüssig.

?Können Sie das kurz begründen? Dr. Krämer: Die Krankenhauspharmazie hat sich in den letzten 20 Jahren - ohne uns selbst loben zu wollen - sehr positiv entwickelt. Wir haben im Krankenhaus bekanntlich einen freien Arzneimittelmarkt, getrennte Vertriebswege, die Arzneimittelpreisverordnung wird nicht angewendet. Und wir haben im Krankenhaus eine Menge pharmazeutischer Dienstleistungen entwickelt, teilweise auch aufgrund von Anregungen amerikanischer oder niederländischer Kollegen. Viele Inhalte der Klinischen Pharmazie wurden bereits in Deutschland verwirklicht. Trotz dieser positiven Entwicklung sind wir in den letzten Jahren unter einen enormen Kostendruck geraten. Die Krankenhausträger betrachten kritisch, inwieweit wir ökonomisch sinnvoll arbeiten. Aber viele unserer Dienstleistungen können nicht nur unter ökonomischen Vorzeichen betrachtet werden. Dennoch überlegen Krankenhausträger heute mehr denn je, ob die Krankenhausapotheke eingespart werden kann, beispielsweise durch Zusammenlegung mehrerer Krankenhausapotheken oder Beschaffung von Arzneimitteln außerhalb der Krankenhausapotheke. Wir stehen also unter einem gewissen Existenzdruck. Das ist die Situation, in der wir uns im Moment befinden und gegen die wir ankämpfen müssen.

?Spüren Sie auch Druck von den krankenhausversorgenden Apotheken? Dr. Krämer: Durchaus. Im Krankenhaus dürfen wir bekanntlich substituieren, wir können gezielter einkaufen, die Arzneimittel sind im Krankenhaus wesentlich billiger - das weckt Begehrlichkeiten, bei den Kostenträgern, aber auch bei denen, die Zugriff auf beide Vertriebswege haben, also bei den krankenhausversorgenden Apothekern. Und im Unterschied zur Krankenhausapotheke darf die krankenhausversorgende Apotheke die Arzneimittel, die zu Krankenhauskonditionen bezogen wurden, legal auch in der eigenen Apotheke einsetzen, aber auch an den benachbarten Kollegen weiterverkaufen oder an den Großhandel, an andere Im- und Exporteure. Wie gesagt, die Krankenhausapotheke darf dies alles nicht, denn sie ist per Gesetz festgelegt auf die ausschließliche Versorgung der Krankenhausstationen. Beim krankenhausversorgenden Apotheker ist dies anders. Hier gibt es keinen gesetzlich definierten vorgeschriebenen Weg der Arzneimittel. Er schließt allenfalls privatrechtlich Versorgungsverträge mit den Lieferanten ab, mit denen er sich dazu verpflichtet, Arzneimittel, die er zu Krankenhauskonditionen bezieht, auch ins Krankenhaus zu liefern. Wenn er aber diese Verträge nicht abschließt bzw. nicht einhält - diese Verträge können oft nur sehr schlecht überwacht werden bzw. werden kaum noch überwacht -, dann stellt es eine Wettbewerbsbenachteiligung der Krankenhausapotheken dar. So gibt es zum Beispiel heute schon krankenhausversorgende Apotheken, die sich ans Krankenhaus wenden und die Arzneimittellieferung zu Dumpingpreisen versprechen. Aus diesem Grund mußten bereits Krankenhausapotheken geschlossen werden.

?Aber gibt es nicht überall schwarze Schafe, die den Wettbewerb überziehen, auch unter Krankenhausapothekern? Dr. Krämer: Das ist richtig. Die meisten arbeiten mit Sicherheit korrekt. Nur, ich habe bereits darauf hingewiesen: Wenn eine krankenhausversorgende Apotheke Arzneimittel zu Krankenhauskonditionen im großen Umfang bezieht und diese in andere Kanäle schleust, z. B. ins Import-/Exportgeschäft, so ist dies legal. Genauso wie es legal ist, daß diese Ware in den eigenen Offizinbereich fließt, wie ich bereits andeutete. Die besondere Kennzeichnung von Krankenhausware seitens des Herstellers ist nicht zwingend vorgeschrieben. Wir haben beobachtet, daß viele Hersteller einen entsprechenden Packungsaufdruck aus welchen Gründen auch immer nicht mehr vornehmen. Dieser graue Markt dürfte in der letzten Zeit eine Größe von mehreren 100 Mio. DM angenommen haben. Es gibt bereits Äußerungen von Vertretern des Pharmagroßhandels, die deutlich machen, daß manche Großhandlungen nicht mehr die günstigen Rabatte in der heutigen Höhe an Apotheken gewähren könnten, wenn der Großhandel diese Art der Arzneimittelbeschaffung nicht mehr hätte. Dieser Markt hat also bereits extreme Ausmaße angenommen. Dies ist übrigens auch der ABDA bekannt.

?Ist vor diesem Hintergrund dann auch Ihre Forderung zu verstehen, die krankenhausversorgenden Apotheker abzuschaffen? Dr. Krämer: Ja, und zwar folgerichtig deswegen, weil wir uns ausschließlich für das Krankenhaus zuständig sehen. Andernfalls müßte man uns Krankenhausapothekern aus Wettbewerbsgründen die gleichen Rechte zugestehen, wie den krankenhausversorgenden Apothekern, sprich, wir müßten die Möglichkeit haben, ambulante Patienten mitzuversorgen oder Krankenhausware in den grauen Markt zu schleusen, was wir heute nicht dürfen und was mit Ordnungsstrafe verboten ist.

?Läge nicht eine Lösung darin, gesetzlich festzuschreiben, daß Krankenhausware mit Aufdruck versehen sein muß? Dr. Krämer: Ja, dies wäre eine Möglichkeit, an den Symptomen etwas zu ändern. Im Zuge der 8. AMG-Novelle wurde ja versucht, den Hersteller dazu zu verpflichten, Klinikware deutlich zu kennzeichnen. Dies ist allerdings vom Bundesgesundheitsministerium abgelehnt worden mit dem Hinweis darauf, daß das Arzneimittelgesetz kein Instrument ist, um in den Wettbewerb einzugreifen, sondern lediglich der Arzneimittelsicherheit dient.

?Würde man Ihre Forderung, alle krankenhausversorgenden Apotheker abzuschaffen, konsequent durchdenken, würde dies bedeuten, daß diese Aufgabe von den bestehenden Krankenhausapotheken mit übernommen werden müßte? Können dies die Krankenhausapotheken leisten, wollen sie das überhaupt? Und warum haben sich eigentlich damals nicht mehr Krankenhausapotheken um die Versorgung anderer Krankenhäuser bemüht? Dr. Krämer: Hier muß man kurz auf die Geschichte des Apothekengesetzes zurückgehen. In den frühen 80er Jahren wurde die Versandapotheke bekanntlich abgeschafft, man hat die Versorgung von Krankenhäusern regional begrenzen wollen und dabei festgestellt, daß eine flächendeckende Versorgung mit Krankenhausapotheken noch nicht möglich war unter den Kriterien der regionalen Begrenzung. In der Zwischenzeit sind ein Drittel der jetzt existierenden Krankenhausapotheker dazugekommen, dies heißt aber, daß jetzt eine regional begrenzte Versorgung anderer Krankenhäuser durch Krankenhausapotheken möglich wäre. Heute würde man die Frage, ob man krankenhausversorgende Apotheken einführen sollte, mit Sicherheit mit nein beantworten.

?Aber war nicht die Einführung von krankenhausversorgenden Apotheken seinerzeit konsequent? Dr. Krämer: Konsequent für die damalige Zeit. Heute stellt es sich so dar, daß die krankenhausversorgende Apotheke gegenüber der normalen öffentlichen Apotheke eindeutig ein Privileg genießt, zum Beispiel die Möglichkeit, zu besonders günstigen Konditionen bezogene Arzneimittel über alle möglichen Kanäle zum eigenen Vorteil abzusetzen. Diese Zustände sind im übrigen auch den Kostenträgern und den Behörden bekannt. Allerdings geht man diese Angelegenheit sehr ungern an, auch von Seiten der ABDA. Auf der anderen Seite sollte man der gesamten Apothekerschaft klarmachen, daß dieses Privileg der krankenhausversorgenden Apotheke heute schon lange nicht mehr zeitgemäß ist, auch angesichts der relativ schlechten Lage der öffentlichen Apotheke. Die Apotheker sehen sich mit Recht als ein unverzichtbarer Heilberuf, bei dem die Krankenhausapotheker - wie der Krankenhausarzt bei den Medizinern - zum gesamten Berufsbild dazugehört.

?Vor diesem Hintergrund müßten Sie doch die Mehrheit der Offizinapotheker auf Ihrer Seite haben? Dr. Krämer: Das nehme ich mal an.

?Das Problem der Vermischung von Warenströmen zwischen Klinik- und Offizinware führt zu einem weiteren Thema, nämlich den jüngsten Ambitionen des pharmazeutischen Großhandels, in die Logistik von Krankenausapotheken einsteigen zu wollen. Sind diese Ambitionen auch vor dem Hintergrund zu sehen, daß das Vermischen der unterschiedlichen Warenbereiche heute sehr einfach ist? Dr. Krämer: Hier lauert eine sehr große Gefahr. Traditionell werden Arzneimittel für den Klinikbereich direkt vom Hersteller an die Krankenhausapotheke geliefert. Dieser Weg ist vernünftig und hat in den letzten Jahren hervorragend funktioniert. Allerdings gibt es auch pharmazeutische Unternehmen, die mit nur wenigen Präparaten im Krankenhaus vertreten sind und versuchen wollen, ihre Kosten zu senken, insbesondere in den Bereichen Vertrieb und Logistik. Außerdem kommt hinzu, daß der Großhandel natürlicherweise ein Interesse hat, sich am Krankenhausgeschäft zu beteiligen. Es ist verständlich, wenn man sieht, wie Großhandelsunternehmen in den letzten Jahren logistisch aufgerüstet haben und eine orts- und zeitnahe Versorgung anbieten können, was auch für Krankenhausapotheken ein verlockendes Angebot ist.

?Objektiv und prinzipiell gesehen ist das Angebot des Großhandels zunächst durchaus verständlich und auch für die Krankenhausapotheke nicht von Nachteil. Warum soll der Großhandel nicht auch die Krankenhausapotheke mehrmals am Tag beliefern? Die Vorteile für eine Krankenhausapotheke lägen doch auf der Hand: weniger Lagerraum und damit auch Kosteneinsparungen für die Krankenhausträger. Dr. Krämer: Grundsätzlich ist das eine faszinierende Idee. Allerdings birgt diese Idee einige Probleme in sich: Sie kostet auch etwas, die Lagerhaltung wird an den Großhandel verlagert, der Großhandel muß dann zusätzliche Fahrt-, Handlings- und Verwaltungskosten finanzieren. Besonders gefährlich ist: Der Großhandel hält Klinikware in der gesamten Breite des Sortiments vorrätig und kann die Ware in den grauen Markt schleusen. Nicht unterschätzt werden darf, daß sich der Großhandel gegenüber den Herstellern und den Krankenhausapotheken als monopolistischer Nachfrage- und Angebotshändler gerieren kann. Denkbar wäre, daß sich der Großhandel dann auf bestimmte Arzneimittel beschränkt oder nur bestimmte pharmazeutische Unternehmen in sein Sortiment aufnimmt, dem Krankenhaus gegenüber bestimmte Angebote macht, die dann durchaus verlockend sind. Letztlich baut sich damit aber ein Monopol auf, und die Flexibilität des Marktes im Krankenhausbereich, von dem wir auch einen Vorteil bei den Arzneimittelpreisen sehen, geht letztlich verloren. Das heißt: Wir verlieren an Flexibilität gegenüber den pharmazeutischen Unternehmen zum langfristigen Nachteil des Krankenhauses.

?Welche Haltung werden hier die pharmazeutischen Hersteller einnehmen? Dr. Krämer: Die Hersteller sind, wie wir erfahren haben, überhaupt nicht daran interessiert, daß dieser Weg beschritten wird. Wir sind bereits mit über 100 Pharmafirmen in Kontakt getreten, um diese Absichten des pharmazeutischen Großhandels, allen voran Gehe und Sanacorp, zu eruieren. Von den meisten Pharmafirmen haben wir bereits schriftliche Bestätigungen, daß sie in keinster Weise an dieser Vorgehensweise des Pharmagroßhandels interessiert sind. Ich denke, die Pharmaindustrie sieht selbst, welche Gefahren hierin stecken.

?Wäre es denkbar, daß der Krankenhausträger Druck auf die Krankenhausapotheken macht, ein solches Angebot anzunehmen? Lagerräume und Personal könnten doch reduziert werden. Dr. Krämer: Ja, das ist eine Gefahr, die unmittelbar die Krankenhausapotheke betrifft. Wir haben bereits beobachtet, daß die Angebote, die Logistik der Pharmahersteller zu unterstützen bzw. bereits stationsgerecht die Waren beim Großhandel zu kommissionieren, bereits an die Krankenhausträger gegangen ist, eine Studie oder Pilotprojekt durchzuführen. Das könnte also durchaus verlockend für den Krankenhausträger sein. Aber kurzfristige Kosteneinsparungen stünden einem Verlust an Flexibilität und das Entstehen neuer Abhängigkeiten gegenüber.

?Würde dann nicht auch die Dienstleistung der Krankenhausapotheke leiden, wenn Personal reduziert wird? Dr. Krämer: Durchaus. Man sollte sich hüten, die Ware von der Dienstleistung zu trennen. Hier ist auch eine aktuelle Gefahr für die öffentliche Apotheke, z. B. durch den Arzneimittelversandhandel gegeben. Eine Krankenhausapotheke, die nur Dienstleistungsbetrieb ist, losgelöst von der Arzneimittelbelieferung, von der Versorgungsaufgabe, ist keine Krankenhausapotheke mehr. Es besteht dann die Gefahr, daß die ganze Institution Krankenhausapotheke eliminiert wird. Nur noch ein Apotheker als beratender Apotheker bleibt im Krankenhaus übrig.

?Bedeutet dies aber nicht auch, daß die Krankenhausapotheken ihre Leistung besser nach außen verkaufen müssen? Dr. Krämer: Das ist ganz entscheidend. Wir fassen unsere pharmazeutischen Leistungen im wesentlichen unter dem Begriff der Klinischen Pharmazie zusammen. Darunter ist in erster Linie die Informations- und Beratungstätigkeit gegenüber den Ärzten zu verstehen. Wir haben gesehen, daß der Krankenhausapotheker, der im Team des Krankenhauses dabei ist, auch bei der Visite, eine Menge Einfluß hat.

?Der Kostendruck veranlaßt Krankenhausträger bzw. Krankenhausapotheken, die Krankenhausapotheke auszulagern, sprich zu "privatisieren". Ein Weg zur Kostenreduktion? Dr. Krämer: Die Privatisierung einer Krankenhausapotheke ist nichts anderes als die Gründung einer Offizinapotheke mit Krankenhausversorgung. Hier müssen selbstverständlich alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt und darauf geachtet werden, daß man nicht mit Vorschriften in Konflikt kommt, zum Beispiel mit dem Fremdbesitzverbot. Wir als Verband meinen, daß durch eine solche Ausgründung ein Stück Leistung der Krankenhauspharmazie verloren geht. Auf der anderen Seite muß man natürlich auch sehen, daß von solchen "Mammutapotheken", die dadurch entstehen, Gefahren für die vorhandenen Offizinapotheken, besonders im nahen Umkreis, ausgehen. Denn die Möglichkeiten, die eine solche Apotheke dann besitzt, sind nahezu unglaublich. Es wird das Krankenhaus versorgt, es werden die Patienten des Krankenhauses, auch die ambulanten, versorgt. Es werden die Rezepte der Mitarbeiter eingelöst usw. Bisher gibt es zwei Fälle in Deutschland, wo diese Möglichkeit diskutiert wird. Beide sind noch in der Planung. Ich muß es den Kollegen selbst überlassen, ob sie die Krankenhauspharmazie aufgeben. Natürlich gehen diese Kollegen auch ein großes Risiko ein. Denn diese Apotheken müssen dann ständig den Beweis dafür antreten, daß sie dieses Krankenhaus am kostengünstigsten versorgen. Theoretisch könnte auch ein anderer krankenhausversorgender Kollege seine Dienste noch günstiger anbieten.

?Eine Frage, die bereits angeklungen ist zum Thema Klinische Pharmazie. Als die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) ein Statement abgegeben hat, was sie unter Klinischer Pharmazie versteht, gab es auf Seiten der Krankenhausapotheker einen Aufschrei. Es hieß, Klinische Pharmazie gehört ins Krankenhaus und sei ausschließlich eine Sache der Krankenhausapotheker. Die DPhG dagegen definiert Klinische Pharmazie als patientenorientierte Pharmazie und geht davon aus, daß dies auch vom Offizinapotheker zu leisten ist. Wie stehen heute die Krankenhausapotheker zu dieser Definition? Dr. Krämer: Der Begriff Klinische Pharmazie ist nicht identisch mit dem englischen Begriff "clinical pharmacy". Die Klinische Pharmazie hat sich in Deutschland im Krankenhaus entwickelt. Darüber hinaus ist sie etabliert durch die Weiterbildung zum Apotheker für Klinische Pharmazie. Diese Weiterbildung kann man nur im Krankenhaus ableisten. Deswegen sind Begriff und Inhalte der Klinischen Pharmazie bisher im Krankenhaus angewendet worden. Wir sehen allerdings - das müssen wir zugestehen - daß der Begriff Klinische Pharmazie in Zukunft nicht aufs Krankenhaus beschränkt werden kann. Insbesondere dann nicht, wenn er als Lehrinhalt in die Ausbildungsordnung mit eingehen soll, was auch uns ein großes Anliegen ist. Dennoch: Die Definition der Klinischen Pharmazie außerhalb des Krankenhauses ist schwierig. Denn nur "Pharmaceutical Care" kann es nicht sein, es wäre zu wenig. Wenn nämlich der Begriff Klinische Pharmazie dazu benutzt wird, sämtliche Beratungsleistungen des Apothekers, auch bei einfachen Befindlichkeitsstörungen, zu subsumieren, dann kann dies nicht Klinische Pharmazie sein. Ein Weg könnte sein, die Arzt-Apotheker-Gespräche zu verstärken. Hier wäre es vorstellbar, Elemente der Klinischen Pharmazie zum Nutzen der Patienten einzubringen. Wichtig ist es vor allem, daß die Klinische Pharmazie bereits im Hochschulbereich eingebaut wird. So hat es beispielsweise keinen Sinn, im Fach Pharmazeutische Biologie irgendwelche Keime auswendig zu lernen ohne Bezug zum Krankheitsbild.

!Wollen wir hoffen, daß die Klinische Pharmazie gemeinsam vorangebracht werden kann. Herr Dr. Krämer, wir bedanken uns für dieses Gespräch.

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