Arzneimittel und Therapie

Antigestagen Mifepriston: Abtreibungspille demnächst auch in Deutschland?

15 Jahre nach ihrer Entwicklung soll nun die Abtreibungspille Mifepriston (RU 486) europaweit zugelassen und dann auch in Deutschland eingeführt werden. Dafür machen sich jetzt zahlreiche Politiker stark. Viele Frauen begrüßen das neue Arzneimittel als schonende Alternative zur chirurgischen Abtreibung. Konservative Kreise befürchten, daß die moralischen Schranken für eine Abtreibung auf diese Weise herabgesetzt wurden. Die Pille entscheide jedoch nicht über das Ob, sondern das Wie des Abbruchs, so die Befürworter. Die Rechtslage ändert sich nicht.

Die medizinischen Vorteile der Abtreibungspille sind schon seit vielen Jahren eindeutig: Die medikamentöse Abtreibung in den ersten sieben Schwangerschaftswochen ist sicher und nebenwirkungsarm. Der Blutverlust, das Infektionsrisiko und die Gefahr einer Verletzung der Gebärmutter sind deutlich geringer als bei einem instrumentellen Eingriff unter Narkose. Beim chirurgischen Eingriff können große Wundflächen entstehen, die auf die Eileiter übergreifen, Gänge verkleben und damit spätere Schwangerschaften unmöglich machen können. Nach einer medikamentösen Abtreibung ist das Risiko, daß eine Frau unfruchtbar wird, deutlich niedriger.

Frauen in Schweden, Frankreich und Großbritannien können seit Beginn der neunziger Jahre in der Regel zwischen einem operativen und einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch mit dem Antigestagen Mifepriston wählen.

1989 wurde Mifepriston in Frankreich eingeführt

Mifepriston wurde Anfang der achtziger Jahre von der französischen Firma Roussel Uclaf, einer Tochter der deutschen Hoechst AG, entwickelt und dort 1988 unter dem Markennamen Mifegyne eingeführt. In Frankreich werden heute bereits 30% aller Abtreibungen medikamentös durchgeführt, etwa 60000 französische Frauen entscheiden sich jährlich für die Abtreibung mit der Pille. Auch in Großbritannien und in Schweden ist das neue Mittel seit Anfang der neunziger Jahre auf dem Markt.

Anders dagegen in den USA: Hier ist Mifepriston zwar zugelassen, aber wegen befürchteter Protestaktionen von militanten Abtreibungsgegnern nicht auf dem Markt. Der Druck dieser Organisationen war so stark, daß Roussel sich entschloß, die Substanz nicht selbst zu vermarkten und 1994 die US-amerikanischen Rechte der gemeinnützigen Familienplanungsorganisation "Population Council" übertrug.

Deutsche Frauenärzte fordern seit 1992 die Einführung der Abtreibungspille. Der Pharmakonzern Hoechst weigerte sich dennoch jahrelang, in Deutschland einen Zulassungsantrag zu stellen, und schenkte die Rechte 1997 dem Patentinhaber Edouard Sakiz. Dieser gründete das Unternehmen Exelgyn ("Exzellente Gynäkologie"), das die Pille produziert und vertreibt. Sakiz wird nun bei der europäischen Arzneimittelagentur EMEA die Zulassung beantragen. Mit der zustimmenden Haltung der neuen Bundesregierung könnte Mifepriston dann auch in Deutschland auf den Markt kommen.

Blockade der Gestagenrezeptoren an der Gebärmutterschleimhaut

Das Antigestagen Mifepriston besetzt die Gestagenrezeptoren an der Gebärmutterschleimhaut vollständig. Dadurch kann das schwangerschaftserhaltende Hormon Progesteron nicht mehr wirken, und die befruchtete Eizelle wird aus ihrem Bett in der Gebärmutterschleimhaut gelöst. Die Frucht stirbt in der Regel innerhalb von 36 bis 48 Stunden nach der Anwendung von 600 mg Mifepriston oral. Nach zwei Tagen sollte dann ein Prostaglandinanalogon (z.B. 400 mg Misoprostol oder Gemeprost) eingenommen werden. Dadurch werden die Wehen ausgelöst und die Frucht ausgestoßen, es kommt zu einer künstlichen Fehlgeburt.

Nur in der Frühschwangerschaft wirksam

Dieses Verfahren kann allerdings nur in der Frühschwangerschaft angewendet werden, später sinkt die Wirksamkeit, und die Nebenwirkungen nehmen zu. In Frankreich ist der Zeitraum der Anwendung auf 49 Tage begrenzt, in Großbritannien auf 63, jeweils vom ersten Tag der letzten Regel an gerechnet.

In den ersten sieben Schwangerschaftswochen werden Abbruchraten von rund 98% erzielt, die Erfolgsquote sinkt bei einem Abbruch in der achten und neunten Woche auf 83 bzw. 77%. Sollte sich das Gewebe nicht vollständig gelöst haben, ist eine chirurgische Nachbehandlung (Vakuumkürettage) notwendig. Eine ärztliche Kontrolle des Abbruchs ist unbedingt erforderlich, da bei einer weiter bestehenden Schwangerschaft schwere Fruchtschäden drohen.

In einer französischen Studie mit 2480 Frauen bestand die Schwangerschaft bei 1,3% der Frauen trotz der Mifepriston-Anwendung innerhalb der ersten sieben Wochen weiter, 2,9% hatten eine unvollständige Abtreibung, und 0,3% benötigten eine Kürettage, um Uterusblutungen zu beenden.

Nebenwirkungen und Kontraindikationen

Als Nebenwirkungen der medikamentösen Abtreibung treten in erster Linie Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und vaginale Blutungen auf. Diese Nebenwirkungen nehmen mit der Schwangerschaftsdauer an Häufigkeit und Schwere zu. Mifepriston darf nicht eingesetzt werden bei Frauen, die stark rauchen, an Allergien oder an Asthma leiden, bei Frauen mit hohem Blutdruck, Herz-Kreislauf-Problemen, Magen-Darm- oder Leberstörungen und bei Epileptikerinnen.

Literatur Glasier, A., et al. N. Engl. J. Med. 327, 1041 ff. (1992). Peyron, R. et al. N. Engl. J. Med. 328, 1509 ff. (1993). Rosenfield, A. N. Engl. J. Med. 328, 560 ff. (1993). N. N.: RU 486 und Schwangerschaftsabbruch. Der Arzneimittelbrief 27, 50 - 51 (1993). Spitz, I. M. et al.: Early pregancy termination with mifepristone and misoprostol in the United States. N. Engl. J. Med. 338, 1241 - 1247 (1998). DAZ 33/96, S. 32. DAZ 31/98, S. 29.

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