Arzneimittel und Therapie

Gynäkologie: Vaginales Misoprostol ein bis drei Tage nach Mifeproston

In einer amerikanischen Studie führten Frauen in den ersten acht Schwangerschaftswochen einen medikamentösen Abbruch mit 200 mg oralem Mifepriston, gefolgt von 800 mg vaginalem Misoprostol durch. Statt nach exakt 48 Stunden wendeten die Frauen das Prostaglandin entweder ein, zwei oder drei Tage nach dem Antigestagen an.

Das synthetische Antigestagen Mifepriston (Mifegyne®) führt mit einer Wirksamkeit von 92 bis 97% zum Schwangerschaftsabbruch, wenn zwei Tage nach seiner Einnahme ein Prostaglandin verabreicht wird. Ein synthetisches Prostaglandin ist Misoprostol, das oral oder vaginal angewendet werden kann. Die vaginale Anwendung führt zu länger anhaltenden Blutspiegeln des Arzneistoffs als die orale.

Starres Schema unnötig

Konventionelle Einnahmeschemata legen die Misoprostol-Anwendung auf 48 Stunden nach der Mifepriston-Einnahme fest. Möglicherweise erschwert diese starre Vorschrift die Anwendung unnötig. Daher wurde in einer US-amerikanischen Studie die Wirksamkeit und Sicherheit der vaginalen Anwendung von Misoprostol ein, zwei oder drei Tage nach Mifepriston-Einnahme untersucht. Dabei erhielten die Frauen die Möglichkeit, Misoprostol selbst zu Hause anzuwenden.

Anwendung zu Hause

Die prospektive, randomisierte, offene Studie fand an 16 Zentren in den USA - Kliniken, gynäkologischen und Allgemeinarztpraxen - statt. 2295 gesunde Frauen mit einer intrauterinen Schwangerschaft nahmen teil. Alle waren mindestens 18 Jahre alt, seit höchstens 56 Tagen schwanger und wollten ihre Schwangerschaft abbrechen.

Alle Frauen nahmen in der Klinik oder Praxis 200 mg orales Mifepriston ein. Sie bekamen außerdem 800 mg Misoprostol (vier Vaginaltabletten) zum Einführen in die Scheide mit nach Hause. Diese Vaginaltabletten sollten sie einen (n = 745), zwei (n = 778) oder drei Tage (n = 772) nach der Mifepriston-Einnahme selbst anwenden. Zusätzlich erhielten sie ein Schmerzmittel und einen Notfallplan, um bei übermäßiger Blutung rasch medizinische Hilfe zu bekommen. Auf Wunsch konnte die vaginale Misoprostol-Applikation bei einem zweiten Besuch in der Klinik oder Praxis durch das Personal erfolgen.

Spätestens acht Tage nach der Mifepriston-Einnahme wurde mit Ultraschall untersucht, ob die Frucht vollständig ausgestoßen war. Frauen mit andauernder Schwangerschaft erhielten eine zweite Dosis Misoprostol (800 mg) zur vaginalen Anwendung. Bestand die Schwangerschaft noch fünf Wochen nach Mifepriston-Einnahme, wurde sie operativ abgebrochen. Eine Ausschabung wurde auch bei Frauen mit übermäßiger Blutung oder anderen schweren Symptomen durchgeführt.

Etwa die Hälfte der Frauen hatte bereits mindestens ein Kind geboren, ebenfalls rund die Hälfte hatte schon eine Abtreibung hinter sich. Die Frauen waren im Mittel 28 Jahre alt, und die Schwangerschaft bestand seit durchschnittlich 46 Tagen.

Folgende Frauen wurden von der Analyse ausgeschlossen:

  • 56 Frauen hatten die Frucht bereits vor Misoprostol-Applikation ausgestoßen.
  • Bei acht Frauen wurde die Schwangerschaft vor Misoprostol-Applikation operativ beendet.
  • 103 Frauen setzten Misoprostol nicht am vorgeschriebenen Tag ein.
  • 40 Frauen erschienen nicht zur Ultraschalluntersuchung und machten auch keine Angaben, ob ihre Schwangerschaft beendet war.

Misoprostol selbst applizieren

Die Analyse der Ergebnisse beschränkte sich auf die übrigen 2088 Frauen. Nur zwölf Patientinnen entschieden sich dafür, Misoprostol in der Klinik oder Praxis einführen zu lassen. Alle übrigen applizierten das Prostaglandin selbst. Mifepriston, gefolgt von Misoprostol, führte bei 98% derjenigen Frauen zum vollständigen Schwangerschaftsabbruch, die Misoprostol nach einem oder zwei Tagen angewendet hatten, und bei 96% der Frauen, die Misoprostol nach drei Tagen angewendet hatten.

Bei 86% der Patientinnen begann die Blutung innerhalb von vier Stunden nach Misoprostol-Applikation, bei 12% zwischen vier und 24 Stunden. Zwischen den Gruppen bestand kein Unterschied. Die Blutung dauerte durchschnittlich 17 Tage.

Als Nebenwirkungen traten Krämpfe (fast alle Frauen), Übelkeit (knapp zwei Drittel), Fieber/Schüttelfrost, Schwindel und Erbrechen (jeweils ein Drittel), Kopfschmerzen (knapp ein Viertel) und Durchfälle (ein Fünftel) auf. Die Nebenwirkungen waren in allen drei Gruppen gleich häufig.

Es kam zu 13 unerwarteten oder schweren Zwischenfällen. Davon traten sechs bei Frauen auf, die Misoprostol nach einem Tag angewendet hatten, vier bei Frauen mit Misoprostol nach zwei Tagen und drei bei Frauen mit Misoprostol nach drei Tagen.

Methode ist akzeptabel

Im Nachhinein beurteilten mehr als 90% der Patientinnen den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch in einem Fragebogen als akzeptabel. Etwa drei Viertel bewerteten die Schmerzen als annehmbar. Mehr als 90% der Patientinnen stuften die Selbstbehandlung zu Hause als akzeptabel ein. Nur 3% fanden sie inakzeptabel.

Die drei Behandlungsgruppen unterschieden sich nur darin, dass ein unterschiedlich großer Teil der Frauen die Wartezeit bis zur vollständigen Ausstoßung der Frucht akzeptabel fanden: 86% in der Eintagesgruppe, 79% in der Zweitagesgruppe und 76% in der Dreitagesgruppe. In der Dreitagesgruppe waren auch mehr Frauen vom vorgeschriebenen Einnahmezeitpunkt abgewichen als in den anderen beiden Gruppen.

Flexible Anwendung möglich

Demnach kann 800 mg Misoprostol ein bis drei Tage nach der oralen Einnahme von 200 mg Mifepriston vaginal angewendet werden. So brauchen Kliniken und Praxen, die ihre Patientinnen bei der Misoprostol-Applikation für einige Stunden beobachten wollen, die Mifepriston-Abgabe nicht auf die Wochentage Montag bis Mittwoch beschränken. Das flexible Anwendungsschema erlaubt eine Mifepriston-Einnahme an allen Arbeitstagen, ohne dass die Misoprostol-Anwendung auf das Wochenende fällt. Im Übrigen zeigt die Studie, dass auch die Misoprostol-Anwendung zu Hause ausreichend sicher und für die Frauen akzeptabel ist.

Welche Zwischenfälle ("adverse events") traten auf?

Vier Frauen mussten in der Notaufnahme intravenös Flüssigkeit erhalten, zwei wegen übermäßiger Blutung und zwei wegen Erbrechen und Dehydratation. Zwei Frauen hatten nach vollständigem Schwangerschaftsabbruch eine Endometritis (Entzündung der Gebärmutterschleimhaut), zwei andere erlitten nach einer Ausschabung Beckeninfektionen. Zwei Frauen hatten vorübergehend Hautausschläge. Eine Frau zeigte eine vasovagale (die Blutgefäße und den Nervus vagus betreffende) Reaktion auf die krampfartigen Schmerzen durch Misoprostol. Eine Frau erlitt eine Panikattacke, eine andere berichtete über extreme Reizbarkeit.

Literatur: Schaff, E. A.: Vaginal misoprostol administered 1, 2, or 3 days after mifepristone for early medical abortion. J. Am. Med. Assoc. 284, 1948-1953 (2000).

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