Arzneimittel und Therapie

Insulinresistenz: Troglitazon bei Typ-II-Diabetes

Das Antidiabetikum Troglitazon ist in Deutschland aufgrund von Leberzellschäden nicht auf den Markt gekommen. Zwei amerikanische Studien machen erneut auf die gute blutzuckersenkende Wirkung der Substanz aufmerksam. Im Gegensatz zu anderen oralen Antidiabetika steigert Troglitazon die Empfindlichkeit des Organismus auf das körpereigene Insulin.

Der Typ-II-Diabetes mellitus ist charakterisiert durch eine Insulinresistenz, eine erhöhte Glucoseneubildung in der Leber und eine beeinträchtigte Insulinsekretion aus der Bauchspeicheldrüse. Bei den meisten Patienten dürfte die Insulinresistenz bereits vor der Glucoseintoleranz bestehen.

Blutzuckerspiegel normalisieren Mit oralen Antidiabetika versucht man, den Blutzuckerspiegel auf ein normales Maß zu senken.
• Die ältesten oralen Antidiabetika, die Sulfonylharnstoffe, stimulieren die Insulinsekretion. Sie führen häufig zu Gewichtszunahme und Hypoglykämien. Auch droht langfristig eine Erschöpfung der insulinproduzierenden Betazellen.
• Biguanide, darunter Metformin, drosseln vor allem die Glucoseproduktion in der Leber, scheinen aber auch periphere Effekte zu haben.
• Alpha-Glucosidase-Hemmer, wie Acarbose, verzögern die Kohlenhydratverdauung und dadurch die Glucoseresorption. Mit oralen Antidiabetika gelingt nur bei einem Teil der Typ-II-Diabetiker eine gute Blutzuckereinstellung. Bis zu 60% der Patienten müssen letztendlich auf Insulin zurückgreifen, oft in hohen Dosen.

Thiazolidindione: neues Wirkprinzip Ein neues Wirkprinzip oraler Antidiabetika wurde mit den Thiazolidindionen realisiert: Die Substanzen erhöhen die Insulinempfindlichkeit der peripheren Gewebe, setzen also die Insulinresistenz herab. Die Wirkung scheint auf einer Interaktion mit der Gamma-Isoform des Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptors zu beruhen. Dieser Rezeptor im Zellkern ist ein Transkriptionsfaktor, der die Differenzierung von Fibroblasten in Fettzellen und die Expression bestimmter Stoffwechselgene fördert.

Nebenwirkung: Schwere Leberfunktionsstörungen Das Thiazolidindion Troglitazon wurde in klinischen Studien in Europa, den USA und in Japan geprüft. In Großbritannien war Troglitazon bereits auf dem Markt, als schwere Leberfunktionsstörungen bekannt wurden. Daraufhin wurde der Vertrieb eingestellt und der Zulassungsantrag in Europa zurückgezogen (DAZ 50/97, S. 48). Eine Analyse der nordamerikanischen Studien ergab, daß von 2510 Patienten, die Troglitazon eingenommen hatten, 48 (1,9%) eine reversible Leberfunktionsstörung aufwiesen. Leberbiopsien bei zwei Patienten zeigten Leberzellschäden.

Weiterhin in der klinischen Prüfung Im Rahmen von Studien wird das neue Antidiabetikum weiterhin geprüft. Zwei amerikanische Studien mit Troglitazon wurden kürzlich veröffentlicht. In der einen Studie wurde die Wirkung von Troglitazon bei mit Insulin behandelten Typ-II-Diabetikern untersucht. An der randomisierten Doppelblindstudie nahmen 350 Patienten teil, deren Blutzucker trotz Injektion von täglich mindestens 30 I. E. Insulin schlecht eingestellt war. Je 116 nahmen 26 Wochen lang täglich 200 bzw. 600 mg Troglitazon ein, 118 Patienten bekamen Plazebo. Die Insulindosis durfte nicht erhöht und nur zur Vermeidung von Hypoglykämien reduziert werden. 90% der Patienten nahmen bis zum Studienende teil. Der Nüchternblutzucker sank mit der niedrigen Troglitazon-Dosis um 35 mg/dl und mit der hohen Dosis um 49 mg/dl. Der maximale blutzuckersenkende Effekt wurde nach vier bis acht Wochen erreicht. Der glykosylierte Hämoglobinwert sank um 0,8 bzw. 1,4 Prozentpunkte. Er erreichte nach 16 Wochen den niedrigsten Stand. Diese Verbesserungen traten auf, obwohl die Insulindosis in den Troglitazon-Gruppen um 11 bzw. 29% reduziert wurde. In der Plazebogruppe blieb die Insulindosis konstant. Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin und HDL-Cholesterin stiegen mit dem Antidiabetikum geringfügig, der Triglyceridwert ging leicht zurück. Das Verhältnis von HDL- zu Gesamtcholesterin - ein Marker des Herz-Kreislauf-Risikos - blieb konstant. Im Vergleich zur Plazebogruppe nahmen die Patienten der Troglitazon-Gruppen etwas stärker an Körpergewicht zu. Insgesamt wurde die Substanz gut vertragen. Hypoglykämiesymptome traten bei 41% der mit Plazebo Behandelten, bei 45% der mit 200 mg Troglitazon Behandelten und bei 62% der mit 600 mg Troglitazon Behandelten auf. Kein Patient brach aus diesem Grund die Therapie ab. Die Aminotransferase-Serumkonzentration stieg bei acht Patienten vorübergehend auf mehr als das Dreifache der oberen Normgrenze: bei zwei mit 200 mg Troglitazon Behandelten und bei je drei der beiden anderen Behandlungsgruppen. Die Therapie mußte nur bei zwei der Patienten mit 600 mg Troglitazon abgebrochen werden: bei einem wegen Gelbsucht und Hyperbilirubinämie, beim anderen wegen Herzinsuffizienz. Demnach verbesserte Troglitazon, zusätzlich zur Insulintherapie gegeben, die Blutzuckerkontrolle bei Typ-II-Diabetikern. Leberfunktionsstörungen traten zwar auf, führten aber sehr selten zum Therapieabbruch.

Troglitazon und Metformin In einer kleinen offenen Studie wurden Wirksamkeit und Wirkungsweise von Troglitazon und Metformin sowie von deren Kombination untersucht. Da Typ-II-Diabetiker häufig schlecht auf eine Monotherapie ansprechen, liegt die Kombination aus zwei Antidiabetika mit unterschiedlichem Angriffspunkt nahe. 29 Typ-II-Diabetiker nahmen teil. Alle hatten einen erhöhten glykosylierten Hämoglobinwert und eine Restkapazität zur Insulinsekretion. Randomisiert bekamen in den ersten drei Monaten 14 Patienten Troglitazon und 15 Metformin. Als Tagesdosis wurden einmal 400 mg Troglitazon bzw. zweimal 1000 mg Metformin verordnet. Anschließend erhielten die Patienten drei Monate lang beide Antidiabetika. Fünf Patienten brachen die Behandlung vorzeitig ab: Ein mit Troglitazon Behandelter litt an einer persistierenden Hyperglykämie. Ein Patient in jeder Gruppe verzichtete auf die Kombinationsphase. Zwei Patienten in der Troglitazon-Gruppe brachen die Kombinationsphase aufgrund von Erkrankungen ab. Die Monotherapiephase ergab:
• Sowohl Troglitazon als auch Metformin senkten den Nüchternblutzucker um durchschnittlich 20% und den postprandialen Blutzukker um durchschnittlich 25%. Die endogene Glucoseproduktion blieb mit Troglitazon unverändert, mit Metformin sank sie um 19%.
• Die Glucoseverwertungsrate stieg mit Troglitazon um 54%, mit Metformin um 13%. In der Kombinationsphase traten weitere Verbesserungen auf:
• Der Nüchternblutzucker sank erneut um 18%, der postprandiale Blutzucker um 21%.
• Der glykosylierte Hämoglobinwert ging im Mittel um 1,2 Prozentpunkte zurück.
• Die Insulin- und C-Peptid-Konzentrationen im Plasma sanken geringfügig. Troglitazon und Metformin scheinen den Blutzuckerspiegel bei Typ-II-Diabetikern also etwa gleich stark und additiv zu senken. Da sie die Insulinsekretion nicht stimulieren, führen sie im Gegensatz zu Sulfonylharnstoffen wahrscheinlich nicht zur Erschöpfung der Betazellen. Ihre Angriffspunkte unterscheiden sich: Troglitazon verbessert die periphere Glucoseverwertung, und Metformin reduziert die endogene Glucoseneubildung.

Literatur Imura, H.: A novel antidiabetic drug, troglitazone - reason for hope and concern. N. Engl. J. Med. 338, 908-909. Inzucchi, S. E., et al.: Efficacy and metabolic effects of metformin and troglitazone in type II diabetes mellitus. N. Engl. J. Med. 338, 867-872 (1998). Schwartz, S., et al.: Effect of troglitazone in insuline-treated patients with type II diabetes mellitus. N. Engl. J. Med. 338, 861-866. Susanne Wasielewski, Münster

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