DAZ aktuell

Meinung: Schulterschluß jetzt!

Dr. Klaus Peterseim, Essen, schickte uns das folgende Positionspapier des Bundesverbandes der krankenhausversorgenden Apotheker (BVKA). Dr. Peterseim ist Mitglied des Vorstandes des BVKA.

"""Die ABDA wird die Forderung der ADKA, die Krankenhausversorgung aus der öffentlichen Apotheke abzuschaffen, nicht unterstützen." Dieses war der Kern der Botschaft, die Dr. Johannes Pieck, Sprecher der Geschäftsführung der ABDA, seinen Zuhörern auf der letzten Jahrestagung des BVKA in Bad Homburg übermittelte. Für die krankenhausversorgenden Apotheker ist dieses Signal sicherlich zunächst ein Grund zur Zufriedenheit. Betrachtet man aber das politische Umfeld innerhalb und außerhalb der Apothekerschaft, so besteht (noch) kein Anlaß, die Sache als erledigt zu betrachten. Die Standesöffentlichkeit sollte vielmehr die Gelegenheit nutzen, das Thema einmal vom Grundsatz her anzugehen. Verfolgt man die Geschichte des deutschen Apothekenwesens seit 1241, so ist die Versorgung von Krankenhäusern mit Arzneimitteln durch öffentliche Apotheken stets eine Selbstverständlichkeit gewesen. Nur in Ausnahmefällen entstanden Krankenhausapotheken, und selbst nach einer jahrhundertelangen Entwicklung gab es in den 60er und 70er Jahren (alt-) bundesweit kaum 300 Krankenhäuser mit eigener Apotheke. Zu bundesweit einheitlichen Vorschriften über Krankenhausapotheken kam es erstmals mit dem Apothekengesetz von 1960, im Jahre 1980 wurden die Anforderungen für die liefernden Offizinapotheken ebenso wie die für die Krankenhausapotheken neu gefaßt und vereinheitlicht. Rein rechtlich gesehen entstand dabei in zwei Schritten die Krankenhausapotheke in ihrer heutigen Form. Wenn der Bundesverband der Krankenhausapotheker (ADKA) hier einen "Geburtsfehler" sieht, so hat er zumindest die Logik gegen sich. Oder liegt der Fehler darin, daß man bei der Geburt des zweiten Kindes den fast 750 Jahre älteren Bruder nicht gleich umgebracht hat? Dabei war diese Geburt apothekenrechtlich durchaus problematisch. Während es gelang, mit der Stillen Gesellschaft die letzte Möglichkeit des Mehr- und Fremdbesitzes aus dem Apothekengesetz zu entfernen, ließ man mit der rechtlichen Absicherung der Krankenhausapotheke in ihrer historisch gewachsenen Form genau diese Besitzverhältnisse für einen Teilbereich zu. Faktisch bestand sicherlich damals keine andere Möglichkeit, allerdings erhielt die Krankenhausapotheke damit eine Ausnahmestellung, die sie von allen anderen Apotheken unterscheidet. Hingenommen werden konnte dies nur deshalb, weil sie in ihrem Wirkungsbereich streng auf die stationäre Versorgung beschränkt blieb. ABDA und ADKA haben in früheren Jahren diese Beschränkung stets gemeinsam verteidigt, wußten doch beide, daß sie für die Existenz der apothekerlichen Rechtssystematik unverzichtbar ist und daß das Entfernen eines Balkens in diesem Rechtsgebäude die Standsicherheit des Ganzen enorm gefährdet. Warum die ADKA sich vor etwa 3 Jahren von diesem Konsens verabschiedet hat, bleibt schwer nachvollziehbar. Die ABDA hat nach kurzer Zeit der Unsicherheit in den eigenen Reihen ihre klare Linie wiedergefunden: Mehr- und Fremdbesitz stoßen nach wie vor auf einhellige Ablehnung, die Ausnahme Krankenhausapotheke ist nach wie vor nur akzeptabel, wenn ihre Aktivität eng begrenzt bleibt. Ergänzend dazu ist man eifrig bemüht, die öffentliche Apotheke als umfassende Versorgungseinrichtung für alle ambulanten Patienten im Sinne von Pharmaceutical Care im Bewußtsein der Öffentlichkeit zu verankern und politisch durchzusetzen. Es überrascht allerdings, daß diese Auffassung nicht in einheitlicher Form und entsprechend offensiv und kämpferisch nach außen vertreten wird. Man stelle sich vor, ein Bundesverband der Sanitätshäuser forderte, die öffentlichen Apotheken von der Lieferung von Inkontinenzartikeln und Stomaprodukten auszuschließen. Der geballte Protest der gesamten Apothekerschaft wäre diesem Vorschlag sicher. Wenn der Bundesverband der Krankenhausapotheker fordert, die öffentlichen Apotheken von der Belieferung der Krankenhäuser auszuschließen, dann "schließt man sich dieser Forderung nicht an" (s.o.). Nur ein sprachliches Problem? Der BVKA ist auf die Solidarität aller anderen 21000 Offizinapotheken angewiesen und wird sie bei der ABDA, insbesondere aber beim Deutschen Apothekerverband einfordern. Die Forderung nach Abschaffung der Krankenhausversorgung aus der Offizin ist ein Angriff auf alle öffentlichen Apotheken gleichermaßen, sind sie doch alle potentielle Krankenhausversorger. Gerade in den letzten beiden Jahren sind im Zuge der Schließung von Krankenhausapotheken eine ganze Reihe von neuen Kollegen zur Krankenhausversorgung gekommen. Das Argument, den Markt teilten sich überwiegend einige Großversorger, ist zumindest im Bereich des BVKA eine Fabel, dafür gibt es bisher kein (!) Beispiel. Im Gegenteil: Im ländlichen Bereich stellt sich für immer mehr Offizinkollegen die Frage, ob sie ein nahegelegenes Krankenhaus versorgen sollen. Der BVKA leistet dabei umfassende Hilfestellung. Die Solidarität der Verbände und aller Offizinkollegen mit dem BVKA sollte dabei durchaus im wohlverstandenen eigenen Interesse geübt werden. Die krankenhausversorgenden Apotheken gehören zu den leistungsfähigsten öffentlichen Apotheken überhaupt. In der täglichen Auseinandersetzung mit Krankenkassen, Politikern und anderen Verbänden, in der oft auch die pharmazeutische Leistung der Offizin infrage gestellt wird, kann das Beispiel der krankenhausversorgenden Apotheken jederzeit als Beweis dafür dienen, in welcher Art und in welchem Umfang sich die privat und persönlich geführte deutsche Apotheke tagtäglich umfassend bewährt: erhebliche logistische Leistungen, auch an Sonn- und Feiertagen, umfangreiche Arzneimittelherstellung im GMP-Maßstab, persönliche Betreung der Patienten bis hin zur Infusionstherapie zu Hause, tägliche Beratung von Ärzten und Pflegekräften, sinnvolle Arzneimittelauswahl, insbesondere auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, Budgetplanung und Überwachung im Auftrag von Ärzten und Verwaltungsleuten, Leitung von Kommissionen zur Koordination verschiedener Aufgaben usw. Alles dies sind Arbeitsfelder, denen sich auch die "ganz normale" öffentliche Apotheke mehr und mehr stellen muß, die Krankenhausversorger nehmen hier eine Pilot- und Vorreiterfunktion wahr, die für den gesamten Stand von hohem Nutzen ist. In diesem Sinne ist die krankenhausversorgende Apotheke als Beispiel für die Leistungsfähigkeit öffentlicher Apotheken standespolitisch unverzichtbar. Sie bildet das gesamte berufliche Spektrum des Apothekers in jederzeit sichtbarer und leicht nachvollziehbarer Form ab. Sie könnte damit ohne weiteres als ein Aushängeschild für das gesamte Apothekenwesen gelten. Woran liegt es, daß dies auch von erfahrenen und intelligenten Standespolitikern nicht immer so gesehen wird? Sicherlich spielt die Schmutzkampagne der ADKA hier eine nicht unerhebliche Rolle. Sie hat allerdings inzwischen ein Ausmaß angenommen, das immer unglaubwürdiger wird. In der "Krankenhauspharmazie" 05/98 holt ADKA-Chef Dr. Hugo Krämer derart unsachlich zum Rundumschlag gegen alle Mitbeteiligten aus, daß er auch vor Verunglimpfungen von bisher der ADKA wohlwollend gegenüberstehenden Funktionsträgern nicht zurückschreckt. Etwas weiter hinten im Heft ist man sich nicht zu schade, einen hochrangigen Politiker verächtlich zu machen. Dennoch: Nicht die Fehler der Gegenseite, sondern nur die eigene positive Leistung können und werden überzeugen. Der BVKA wird daher zunächst vor der eigenen Tür kehren und mit einer weiteren Initiative versuchen, das Thema "Grauer Markt" zu erledigen. Dabei soll zusammen mit der ABDA ein erneuter Versuch gestartet werden, den Gesetzgeber im AMG zu einer sichtbaren Abgrenzung der Packungen für die verschiedenen Vertriebswege zu bewegen. Gleichzeitig werden alle Versorgungsapotheker aufgefordert, sich mit Hilfe einer Selbstverpflichtung vom "Grauen Markt" zu distanzieren. Gleichzeitig gilt es, mögliche Ängste von Offizin-Kollegen vor einem vermeintlichen Wettbewerbsvorteil der krankenhausversorgenden Apotheken zu zerstreuen. Für den BVKA sind alle Offizinapotheken gleichberechtigt, einen wie immer gearteten Vorteil für Krankenhausversorger im niedergelassenen Bereich hat es nie gegeben, darf es nicht geben und kann es nicht geben. Der Wettbewerb der Apotheken untereinander ist vielerorts sehr hart geworden, oft wird mit unfairen Methoden gekämpft. Dies ist nicht neu, und gelegentlich muß die Rechtspflege korrigierend eingreifen, das wird auch so bleiben. Daß krankenhausversorgende Kollegen aufgrund ihrer besonderen Funktion hier unangenehm aufgefallen wären, hat man nie gehört. Dazu wird es auch nicht kommen, dafür steht der BVKA. Solidarität gilt nach beiden Richtungen und ist unteilbar. Der BVKA vertritt seine Ziele im Einklang mit allen Offizinapothekern. Er vertritt in Ergänzung zum DAV die Interessen der öffentlichen Apotheken im Krankenhausbereich, auch wenn ihm dies die Gegnerschaft der ADKA einbringt. Er erwartet seinerseits aber auch die umfassende Unterstützung der Offizinkollegen in den bevorstehenden Auseinandersetzungen. Was jetzt nottut, ist ein Schulterschluß aller Apotheker gegen den Versuch, der öffentlichen Apotheke nach 750 Jahren ein ganz wesentliches Aufgabengebiet wegzunehmen. Dazu müssen die ABDA, die Kammern, die Verbände und der BVKA solidarisch zusammenarbeiten. Wir alle zusammen müssen erkennen, daß die Forderung der ADKA, die Krankenhausversorgung aus der öffentlichen Apotheke abzuschaffen, einen Angriff auf die öffentliche Apotheke in ihrer Funktion als Einrichtung zur umfassenden, ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln darstellt.

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