Apotheke und Krankenhaus

"Die 15. AMG-Novelle wirft Grundsatzfragen zur Preisbildung auf!"

Der Referentenentwurf zur 15. AMG-Novelle ist beim Bundesverband der klinik- und heimversorgenden Apotheker (BVKA e.V.) nicht nur auf Zustimmung gestoßen. In einem Gespräch mit Apotheke und Krankenhaus erläutern Dr. Klaus Peterseim, Essen, 1. Vorsitzender des BVKA, und Klaus Grimm, 2. Vorsitzender des BVKA, die Kritik des Verbandes.
Dr. Klaus Peterseim

AuK Als erstes eine Frage zur Heimversorgung, ist hier etwas Neues zu erwarten?

Peterseim:

Für unsere Mitglieder, die in der Heimversorgung tätig sind, hätten wir uns sehr gewünscht, dass das "Medikationsmanagement" als gesetzliche Aufgabe des Apothekers in der 15. AMG-Novelle Platz gefunden hätte. In einem ersten Arbeitspapier gab es dazu einen Vorschlag, der leider jetzt nicht mehr aufgegriffen wurde. Dieses ist sehr bedauerlich und zeigt einmal mehr die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Ernsthaft wird niemand bestreiten, dass die Betreuung multimorbider Patienten durch den Apotheker beim Einsatz einer Vielzahl von verschiedenen Arzneimitteln die Therapie erheblich verbessern kann. Durch das Neuverblistern fester oraler Arzneiformen kann man zusätzlich nicht nur ein hohes Maß an Transparenz und Sicherheit erreichen, sondern auch durch tablettengenaue Abrechnung Einsparungen bei den Kostenträgern realisieren. Zur Zeit müssen wir leider feststellen, dass die Krankenkassen, von wenigen regionalen Modellversuchen abgesehen, anscheinend nur mit Rabattverträgen beschäftigt sind und für eine Verbesserung der Therapie beim Patienten allenfalls Lippenbekenntnisse abgeben. Die Apothekerverbände verharren ebenfalls in herkömmlichen Strukturen und lassen ein Konzept zur patientenindividuellen Arzneimittelversorgung nicht wirklich erkennen. Der BVKA hat in der Vergangenheit im Interesse seiner Mitglieder, die in den Heimen mit dem Wunsch nach Stellen oder Blistern von Arzneimitteln konfrontiert werden, eindeutig Position bezogen. Dazu bedarf es klarer Regelungen, die sich in unserer Stellungnahme (s. S. 87) wiederfinden, damit die notwendigen Qualitätsstandards einer solchen hochspezialisierten Versorgung erfüllt werden. Selbstverständlich erfordert dieses eine angemessene Vergütung, aber anders ist individuellen Medikationsfehlern, Compliance- und Sicherheitsdefiziten nicht zu begegnen.

AuK Welche möglichen Auswirkungen der 15. AMG-Novelle sehen Sie im Bereich der Krankenhausversorgung?

Grimm:

Der BVKA hat in der Vergangenheit stets den fairen Wettbewerb in der Krankenhausversorgung zwischen Krankenhaus- und krankenhausversorgenden Apotheken gefordert und gefördert. Nur so ist eine Verbesserung der Qualität unter kostengünstigen Bedingungen zu erreichen und das ist schließlich die Kunst. Wir wollen an dieser Stelle nicht wieder die Steuergelder aus den Töpfen der Bundesländer zur Sprache bringen, die in der Vergangenheit zum Auf- und Ausbau von Krankenhausapotheken, insbesondere auch für Einrichtungen zur Herstellung patientenindividuell dosierter Zytostatika, verwendet wurden. Aber nun entsteht möglicherweise eine Wettbewerbsverzerrung in ungeahnter Dimension zwischen den beiden Versorgungsformen.

Die Krankenhausapotheken müssen für die Versorgung ihrer Ambulanzen mit Zytostatika nach §129a SGB V eine Preisvereinbarung mit den Krankenkassen schließen. Der Referentenentwurf sieht vor, dass sie dabei künftig ihre tatsächlichen Kosten, sprich ihre echten Einkaufspreise, als Preisbasis ansetzen müssen. Auf den ersten Blick erscheint das konsequent und auf den ersten Blick ist dagegen auch nichts einzuwenden. Wir sehen aber in der Realität bei den Krankenhäusern eine ganz andere Entwicklung. Es entstehen dort nämlich mehr und mehr ambulante Versorgungszentren, in denen neben anderen Ärzten niedergelassene Onkologen praktizieren, die damit praktisch die Funktion der Ambulanzen übernehmen. Das Krankenhaus als Vermieter der Räume "sorgt" dafür, dass der Onkologe die Zytostatika für seine Praxis ausschließlich bei der Krankenhausapotheke bestellt.

AuKAber das ist doch nicht statthaft, oder?

Peterseim:

So direkt natürlich nicht, aber es ist für die Krankenhausapotheke ein leichtes, eine "zwischengeschaltete" Offizinapotheke zu finden, die für "kleines Geld" die Rezepte bedruckt und bei der Verrechnungsstelle einreicht. Ermöglicht wird dieses durch den § 11 Abs. 3 ApoG, der es Apotheken ermöglicht, in Ermangelung eines eigenen Sterillabors bei einer zytostatikaherstellenden Apotheke die patientenindividuell hergestellten Arzneimittel zu beziehen. Das kann auch eine Krankenhausapotheke sein. Im Fall der Krankenhausapotheke erfolgt die Herstellung aus günstig bezogener Klinikware, die anschließende Abrechnung über die Offizinapotheke nach Hilfstaxe. So entsteht ganz legal abzüglich der erwähnten Bearbeitungsgebühr ein nicht unerheblicher Gewinn, der bei der Krankenhausapotheke bzw. dem Träger der Einrichtung verbleibt. Eine krankenhausversorgende Apotheke hingegen wird genauso wenig wie eine Offizinapotheke Krankenhausware benutzen dürfen bzw. können, wenn sie im Auftrag für eine andere Apotheke Zytostatika herstellt.

Es bedarf keiner Prophetie vorauszusehen, dass Krankenhausträger diese Variante der onkologischen Versorgung, also Herstellung im Haus mit Klinikware, Abrechnung außer Haus zu Offizinpreisen, konsequent forcieren werden, wenn die Krankenhausapotheke künftig ihre Gewinne nicht mehr auf dem direkten Weg einer Abrechnung nach § 129 a SGB V erzielen kann. Denn die beschriebene Möglichkeit, den Vorlieferantenstatus nach § 11 Abs. 3 ApoG zu nutzen, bliebe unabhängig von der aktuellen AMG-Novelle unverändert bestehen.

AuK Was schlagen Sie zur Lösung vor?

Grimm:

Der Gesetzgeber strebt die Änderung des Arzneimittelgesetzes und anderer Vorschriften zur Entlastung der Krankenkassen im onkologischen Bereich mit dem Ziel an, für die Kostenträger 300 Mio. Euro einzusparen. Abgesehen von der Frage, ob dieser Betrag realistisch ist, kann dieses Ziel nur erreicht werden, wenn, wie geschildert, dieser Abrechnungs-Umweg beseitigt und der § 11 Abs. 3 ApoG gestrichen wird. Er ist auch inhaltlich überflüssig, denn die Versorgung der Bevölkerung mit Zytostatika wäre heute im Gegensatz zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Paragraphen in keiner Weise gefährdet: Inzwischen gibt es mehr als genügend öffentliche Apotheken, die über die Einrichtung zur Sterilherstellung von Zytostatika verfügen.

AuK Aber damit haben die Krankenkassen doch noch kein Geld gespart!

Grimm:

Richtig, aber dies ist eine Voraussetzung. Eines muss den Beteiligten klar vor Augen geführt werden: Ohne die Nutzung des Preisniveaus für generische Zytostatika im Krankenhausbereich kann es keine wirtschaftliche Entlastung in dem erwähnten Ausmaß geben. Die Offizinapotheken dürfen seit dem AVWG keine nennenswerten Rabatte für Fertigarzneimittel mehr annehmen und somit gibt es dort unter diesen Bedingungen auch keine Reserven.

Sollte es zu einer vermehrten Umgehung des §129 a SGB V in der geschilderten Weise kommen, so nutzt es wenig, wenn – wie im Gesetzentwurf vorgesehen – auf der Abrechnungsseite die Einkaufspreise offen gelegt werden. Die Erträge entstehen ja bei der herstellenden Krankenhausapotheke.

AuK Aber selbst wenn der § 11 Abs. 3 ApoG gestrichen würde und es zu keiner weiteren Verschiebung der Patienten aus den Krankenhausambulanzen hin zu am Krankenhaus tätigen Ärzten käme: Im niedergelassenen Bereich hätte man damit noch keine Einsparungen. Sind die genannten 300 Mio. Euro denn überhaupt zu realisieren?

Peterseim:

Der Referentenentwurf sieht vor, dass über ein Auftragen der Pharmazentralnummer auf das Rezept auch für Zytostatikarezepturen der gesetzliche Herstellerrabatt von 6% bzw. 10% zugänglich gemacht wird. Darüber hinaus streben die Kostenträger zusätzlich noch Rabattverträge nach § 130 SGB V an. Wir halten dies für nicht umsetzbar. Wir sollten im Sterilbereich keine zusätzlichen abrechnungstechnischen Hürden aufbauen, die die Abläufe erschweren und möglicherweise die Sicherheit der Patienten und unseres Personals gefährden. Es wäre ein Albtraum, wenn im Sterilbereich Rabattverträge zum Tragen kämen und zusätzlich viele ganz unterschiedliche Firmen bei der Herstellung berücksichtigt werden müssten.

Um Ihre Frage zu beantworten: Den angenommenen Einsparpotenzialen scheinen die in Einzelfällen erheblichen Preisunterschiede zwischen Krankenhausware und Offizinware zu Grunde zu liegen. Die unterschiedliche Preisbildung in den beiden Vertriebsschienen ist bisher jedoch Grundlage unseres dualen Systems in der Arzneimittelversorgung und wird von einem breiten politischen Konsens getragen. Der Referentenentwurf legt nahe, dass man nun diese Preisdifferenz exklusiv im Bereich der ambulanten Zytostatikaversorgung für die Kostenträger heben will. Wenn man dies ernst meint, bedarf es dazu allerdings eines ganz neuen Ansatzes: Die zur Zeit vorhandenen unterschiedlichen Einkaufskonditionen für die Krankenhausapotheken und für die öffentlichen Apotheken müssten auf ein Niveau gebracht werden.

AuK Halten Sie das für realistisch?

Peterseim:

Jedenfalls für realistischer, als die Vorschläge, die bis jetzt auf dem Tisch liegen. Die Preise für generische Zytostatika im Krankenhausbereich sind ja weitgehend bekannt. Es gibt sogar eine gesetzliche Einrichtung, die dazu einmal jährlich eine Markterhebung macht: das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus InEK. Davon ausgehend müsste man entweder von der Industrie verlangen, dass die Zytostatika für beide Arten von Apotheken auf einem einheitlichen Preisniveau angeboten werden. Schließlich werden hier im Gegensatz zur sonst üblichen direkten Abgabe an den Patienten die betroffenen Fertigarzneimittel wie Rezeptursubstanzen zur Herstellung patientenindividueller Arzneimittel benutzt.

Anschließend könnte eine Kommission mit Vertretern der Beteiligten gebildet werden, also Krankenkassen auf der einen Seite und die auf diesen Bereich spezialisierten Verbände ADKA, BVKA und VZA auf der anderen Seite. Diese würde wie die "Technische Kommission zur Hilfstaxe" mindestens einmal jährlich die Basispreise für diese onkologischen Produkte neu festsetzen. Aufschläge, Arbeitspreise, Preise für Hilfsmittel usw. könnten wie bisher von den zuständigen Spitzenverbänden, auch getrennt nach Krankenhaus und Offizin, verhandelt werden.

AuK Noch einmal: Können die Kassen tatsächlich 300 Mio. sparen?

Grimm:

Die Größenordnung ist schwer zu beziffern, ich bin aber davon überzeugt, dass vorhandene Einsparpotenziale mit dem hier skizzierten Konzept am ehesten zu realisieren sind. Dieses Konzept baut auf den bestehenden Paragraphen 129 a und 129 Abs. 5 SGB V auf, die nur geringfügig modifiziert und einander angeglichen werden müssen. Außerdem muss § 11 Abs. 3 ApoG gestrichen werden.

Vor allem aber braucht eine solche Regelung keine zusätzliche Bürokratie, keine Vielzahl von PZN auf speziellen Rezeptformularen, keine Untersuchungskommission, die in Apotheken Rechnungen prüft zur Ermittlung der tatsächlichen Kosten usw.. Nützlicher Begleiteffekt: Dem ungleichen Wettbewerb unter den Apotheken, möglichen Umgehungen und auch den unkontrollierten Warenflüssen würde schlagartig der Boden entzogen.

AuK Herr Grimm, Herr Dr. Peterseim, vielen Dank für das Gespräch!

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