Zukunftspläne des Unternehmenschefs

Rx-Arznei im Drogeriemarkt: Werner will Apotheken ersetzen

Berlin - 27.02.2024, 17:45 Uhr

Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern: dm-Chef Christoph Werner. (Foto: IMAGO / Arnulf Hettrich)

Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern: dm-Chef Christoph Werner. (Foto: IMAGO / Arnulf Hettrich)


Christoph Werner, der Chef der dm-Drogeriekette, möchte mit seinen Märkten zukünftig die Existenz von Apotheken überflüssig machen, indem er deren Geschäftsbereiche übernimmt. Das Apothekensterben und knappe Kassen im Gesundheitssystem geben ihm dabei Zuversicht.

Christoph Werner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Drogeriekette dm, möchte zukünftig in seinen Märkten die Leistungen von Apotheken anbieten und stellt deren Existenzberechtigung für die Zukunft grundlegend infrage. In einem Interview mit der Zeitung „Tagesspiegel“ vom 26. Februar beschrieb Werner seine geschäftlichen Visionen.


„Wofür es heute den ausgebildeten Apotheker braucht, kann künftig automatisiert werden.“

Christoph Werner, Vorsitzender der Geschäftsführung der dm-Drogeriemärkte


Werner verwies darauf, dass die Geschäfte der Vor-Ort-Apotheken unrentabel geworden seien, jeden Tag Apotheken schließen müssten und Apotheker:innen keine Nachfolge fänden. Als Ersatz für die Apotheken könnten „Drogeriemärkte mit ihrem bestehenden Filialnetz einen wichtigen Beitrag leisten“, so Werner. Er kann sich vorstellen zukünftig auch Beratung, Impfungen und den Verkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in seinen Drogeriemärkten anzubieten.

Werner: Keine „Spezialisten“ nötig   

Er sieht es keineswegs als problematisch an, diese Leistungsangebote den Händen der „Spezialisten“ – in der Apotheke – zu entziehen: „Die Einführung einer elektronischen Patientenakte und das E-Rezept verändern die Rahmenbedingungen für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten. Wofür es heute noch den ausgebildeten Apotheker vor Ort braucht, kann in Zukunft im Hintergrund automatisiert geprüft und dann personalisiert direkt übergeben werden.“ Von Seiten der Apotheker rechnet er mit großem Widerstand: „Diejenigen, die von Veränderungen betroffen sind und sich in den bestehenden Strukturen eingerichtet haben, sind immer erst einmal dagegen. Aber für den Gesetzgeber ist ja entscheidend, wie Gesundheit für alle bezahlbar bleibt. Und nicht die Frage nach Apothekern oder Drogeriemärkten.“

Auf die Frage, wann Kunden ihre Rezepte bei dm einlösen könnten, antwortete Werner: „Da müssen Sie in Berlin nachfragen. Ich bin nicht derjenige, der die Gesetze macht. Die Drogeriemärkte sind Anfang der 70er-Jahre entstanden, weil es eine Gesetzesänderung gab. Von da an konnten Unternehmen ihre Preise für Drogerieartikel selbst festsetzen. Dadurch fielen die Preise und mehr Menschen konnten sich diese Produkte leisten. Es ist durchaus denkbar, dass der Gesetzgeber bei steigenden Kosten im Gesundheitsbereich ähnlich reagieren wird.“

Schon jetzt offeriert dm seinen Kund:innen ein Sortiment an frei verkäuflichen Arzneimitteln. Die Drogeriekette ist mit 4.000 Filialen derzeit Marktführer in Deutschland. Gegründet wurde das Unternehmen in den 1970er Jahren von dem Anthroposophen Götz Werner.

In Zukunft möchte Sohn Christoph das Angebot auch auf Gesundheitsdienstleistungen erweitern. Das derzeitige Apothekensterben gibt ihm Grund zur Zuversicht: „Diagnosen im Drogeriemarkt durchzuführen, ist heute noch nicht zulässig. Aber früher oder später wird der Gesetzgeber hier reagieren müssen. Jeden Tag schließen ein bis zwei Apotheken in Deutschland, vor allem im ländlichen Raum.“

Demografischer Wandel als Motor

Durch den demografischen Wandel würde das Thema Gesundheit in den kommenden Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen. Eine wachsende Zahl älterer Menschen werde ein größeres Angebot an Arzneimitteln und Medizinprodukten benötigen. Die Jüngeren in einer alternden Gesellschaft würden größeren Bedarf an Prävention entwickeln, prognostizierte Werner.


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


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9 Kommentare

Gaanz langsam....

von Dr. Stephan Hahn am 29.02.2024 um 11:36 Uhr

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass wir das Interview im Wortlaut nicht kennen, sondern nur eine Zusammenfassung. In einem Interview können unmöglich alle Teilaspekte des Bereichs Pharmazie umfassend abgedeckt werden. Ich schaffe das auch nicht mehr, hier in Kürze diese Punkte ohne Anspruch auf Vollzähligkeit:
1. Das mit der KI halte ich für ein gutes Argument. Es wird aber dazu führen, dass die Abgabe verordneter Arzneimittel ohne Beteiligung einer pharmazeutischen Fachkraft zukünftig häufiger abgelehnt wird, als es nach fachkundiger Expertise sein müsste.
2. Das mit der persönlichen Haftung kann über eine ausreichend dimensionierte Betriebshaftpflichtversicherung vermieden werden. Ist für Apothekeninhaber sowieso jetzt schon Pflicht.
3. Die Versorgung in der Fläche kann auch über einen Botenservice sichergestellt werden. Machen wir auch schon seit ewigen Zeiten so.
4. Andere Branchen gibt es auch schon lange nicht mehr, seitem automatisierte Lieferverfahren etabliert worden sind (CD-Läden, persönlich geführte Drogerien).
5. Geht es dann auch den Sanitätshäusern an den Kragen?
6. Die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel wird unternehmerisch doch erst dann interessant, wenn die Preisbindung aufgehoben wird und gleichzeitig die Kassen erst leisten müssen, wenn der Patient die von ihm bereits bezahlte Rechnung zur Kostenerstattung einreicht. Das wird den Kostendruck auf die Arzneimittel noch einmal verändern.

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Scherz

von Thomas Kerlag am 27.02.2024 um 22:45 Uhr

Und auch noch Diagnose im Drogeriemarkt.
Liebe Redaktion. Der 01. April scheint doch noch sehr weit zu sein.

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Christoph Werner

von Anke Kreutzmann am 27.02.2024 um 21:32 Uhr

Welch tolle Idee!!! Endlich mal ein Drogeriemarkt, der auch in die Dörfer geht und an die Arzneimittelversorgung der Menschen dort denkt. So edel und großmütig. Hat nix mit Gewinn zu tun. Habe ich bisher nur bei Schlecker gesehen- mit eher mäßigem Erfolg. Ich lasse mich gerne anstellen. gleiches Gehalt wie bisher, meine Urlaubstage bleiben und ich feiere endlich auch mal krank, wenn ich krank bin. Mehr muss ich ja nicht leisten. Beratung gibt’s ja bei dm eh nicht und wird auch in Zukunft nicht erwartet, da durch KI ersetzbar.

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Nicht mit unserem Honorar.

von Joerg Wemsewitz am 27.02.2024 um 20:10 Uhr

Der Case ist doch nur interessant, wenn der Ertrag stimmt. Und wenn wir uns an die Rabattverträge erinnern, sollte doch klar, was ein auskömmliches Fixum für DM& co ist. 0 EUR. Warum? Weil die Kunden ja schließlich durch ihren Drogerieeinkauf, dem Markt den Ertrag bringen, wieso soll also die Solidargemeinschaft in Form unserer geschätzten Kassen auch nur einen Cent zahlen. Herr Werner hat keine Ahnung, wenn ihm das nicht klar. Wo ist der GKV SV wenn man ihn mal mit der Headline braucht "Wir befürworten die Abgabe von AM in der Drogerie und schlagen ein separates Fixum von 2 EUR abzgl. des Kassenrabatts von 2 EUR vor..."

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Der Balken im Auge.....

von Thomas B am 27.02.2024 um 19:54 Uhr

Herr Werner möge sich darauf besinnen, dass gerade in seinen Drogeriemärkten Beratung ein Fremdwort ist! Ich mache mir gelegentlich den Spass, mich in einem dm nach den angebotenen freiverkäuflichen Arzneimitteln zu erkundigen. Ich habe noch nie - wirklich niemals! - etwas anderes zu hören bekommen als "unsere Fachkraft ist gerade nicht da", "Lesen Sie, was auf der Packung steht" oder "Fragen Sie bitte in Ihrer Apotheke".
Herr Werner wird demnach den Job der Arzneimitteldistribution vergleichbar gut ausführen wie Herr Lauterbach seinen Posten im BMG.... Die Versicherungen (insbesondere Renten- und Krankenversicherer) wird´s freuen.....
Und der Generationenvertrag lässt sich auf einmal auch wieder einhalten. Nennt man im allgemeinen Sprachgebrauch "gesundschrumpfen".

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bezüglich Trottel

von Thomas Kerlag am 27.02.2024 um 19:40 Uhr

Größenwahn gepaart mit Ahnungslosigkeit

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AW: bezüglich Trottel

von Thomas Kerlag am 27.02.2024 um 19:47 Uhr

In letzter Zeit habe ich schon sehr schwerwiegende Medikationsfehler aufgedeckt. Das wird bei dm mit dem Hilfsvolk nicht passieren können.
Mal sehen wie der Werner mit der persönlichen Haftung umgeht.
Vollkommen gewissenlos

AW: bezüglich Trottel

von Ruth Baumgürtel am 27.02.2024 um 23:50 Uhr

Absolut zutreffend, vielen Dank für die perfekte Analyse dieses dm Gedankens der rein ökonomischen Sicht.
Ich stehe gerade deshalb als berufserfahrene Apothekerin hinter meiner ATHINA Qualifikation, den (auch ökonomisch im Sinne der Krankenhausaufenthaltsprävention, aber noch mehr in der direkten AM Interaktionprävention) konkreten gesundheitlichen Auswirkungen auf unsere Patienten in der Polymedikation, die ich regelmässig aufdecke und dann (fach-)ärztlich kommuniziere. Welcher Teil des Personals von dm mag das wohl abdecken?

DM Märkte

von Dr. Dr. Thomas Richter am 27.02.2024 um 19:21 Uhr

Da beginnt jetzt eine Schlacht um die Arzneimittelversorgung in Deutschland. Ob DM-Märkte allerdings im ländlichen Raum flächendeckend vorhanden sind, stelle ich in Frage. Viele Player sind also im Boot, um die Versorgung sicherzustellen. Es beginnen somit große Verteilungskämpfe, dessen Ende erst am Ende dieses Jahrzehnts abzusehen ist.

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