Hormon GDF15 als Ursache identifiziert

Warum wird Schwangeren schlecht?

15.02.2024, 09:15 Uhr

Auch Arzneimittel können bei Schwangerschaftsübelkeit helfen. (Foto: nenetus / AdobeStock)

Auch Arzneimittel können bei Schwangerschaftsübelkeit helfen. (Foto: nenetus / AdobeStock)


Das Hormon GDF15 ist einer im Journal „Nature“ veröffentlichten Studie zufolge der Grund, warum vielen schwangeren Frauen übel ist und sie in der Schwangerschaft an Erbrechen leiden. Die GDF15-Konzentration determiniert zudem die Schwere der Schwangerschaftsübelkeit und des Erbrechens.

Übelkeit und Erbrechen treten bei 70 % aller Schwangerschaften auf und belasten die Schwangere teilweise sehr. Die schwerste Form der Schwangerschaftsübelkeit ist die Hyperemesis gravidarum, bei der Übelkeit und Erbrechen normales Essen und Trinken unmöglich machen und die tägliche Aktivität der Schwangeren stark beeinträchtigen. Sie betrifft 0,3 bis 10,8 % der schwangeren Frauen [1], Experten der Datenbank Embryotox sprechen von 0,2 bis 2 % [2]. Mögliche Folgen wie Dehydratation, Gewichtsverlust (mehr als 5 % des Körpergewichts) und Elektrolytstörungen können sowohl die Mutter als auch das ungeborene Kind gefährden und Krankenhausaufenthalte sowie Flüssigkeits- und Glucose-Infusionen erforderlich machen. 

Was steckt hinter der Übelkeit – warum wird manchen Schwangeren schlecht und anderen nicht? Und warum leiden manche Schwangeren lediglich unter mäßigem Unwohlsein, während andere kaum aufstehen können?

Mittlerweile häufen sich Hinweise, dass der Growth/Differentiation Factor 15 (GDF15) bei Hyperemesis gravidarum eine wesentliche Rolle spielt. Dabei handelt es sich um ein zirkulierendes Mitglied der Transforming-Growth-Factor(TGF)-β-Superfamilie, das zunächst als Makrophagen-inhibierendes-Zytokin-1 (MIC-1) identifiziert wurde. Die Schwere der Übelkeit und das Risiko einer Hyperemesis gravidarum hängen einer neuen Studie [3] zufolge davon ab, wie hoch die vom fetalen Anteil der Plazenta pro­duzierte GDF15-Konzentration im mütterlichen Blut ist und gleichermaßen wie empfindlich die Schwangere auf dieses fetale GDF15 reagiert.

Zukünftig Prophylaxe möglich?

Dabei ist wichtig zu wissen: Auch im nicht schwangeren Zustand produziert der Körper GDF15, und zwar ubiquitär in geringen Mengen, wobei Rezeptoren für das Hormon lediglich im Hinterhirn exprimiert werden. Dort führt eine Aktivierung erwartungsgemäß zu Übelkeit, Erbrechen und aversiven Reaktionen. Die Wissenschaftler stellten nun fest, dass Frauen mit geringer GDF15­-Exposition vor der Schwangerschaft ein höheres Risiko für eine Hyper­emesis gravidarum aufweisen und dass hingegen Frauen mit chronisch hohen GDF15-Konzentrationen im Blut – zum Beispiel aufgrund von Beta-Thalassämie – in der Schwangerschaft kaum an Übelkeit und Erbrechen leiden.

Diese neuen Erkenntnisse könnten irgendwann auch in innovative Therapieoptionen gegen Schwangerschaftsübelkeit münden. Denkbar wäre auch eine Prophylaxe, indem man Frauen vor der Schwangerschaft höheren GDF15-Konzentrationen aussetzt, sodass diese eine Toleranz entwickeln können.

Aktuelle Therapieoptionen

Derzeit rät Embryotox bei Hyper­emesis gravidarum nach Versagen von nicht medikamentösen Maßnahmen (kleinere Mahlzeiten, Vermeiden unangenehmer Gerüche, moderate Diät) zu Meclozin, was in Deutschland allerdings nicht auf dem Markt ist, oder Doxylamin. In Kombination mit Pyridoxin ist Doxylamin im verschreibungspflichtigen Arzneimittel Cariban® seit 2018 sogar speziell zur symptomatischen Behandlung von Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft zugelassen, die maximale Dosierung liegt bei je 40 mg Pyridoxin und Doxylamin pro Tag [4].

Literatur

[1] Fejzo MS et al. Nausea and vomiting of pregnancy and hyperemesis gravidarum. Nat Rev Dis Primers 2019;5(1):62, doi: 10.1038/s41572-019-0110-3

[2] Hyperemesis gravidarum/Emesis gravidarum. Informationen des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie, Charité – Universitätsmedizin, Berlin, www.embryotox.de/erkrankungen/details/ansicht/erkrankung/hyperemesis-gravidarumemesis-gravidarum

[3] Fejzo M et al. GDF15 linked to maternal risk of nausea and vomiting during pregnancy. Nature 2024;625(7996):760-767, doi: 10.1038/s41586-023-06921-9

[4] Fachinformation Cariban® 10 mg/10 mg, Stand: Dezember 2022


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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