Was „ein Doktor“ an Weihnachten bewirken kann

Alles schläft, einsam wacht...

Stuttgart - 25.12.2023, 07:00 Uhr

„Der Doktor“ aus „Doctor Who“ reist in seiner Zeitmaschine durch das Universum und versucht allen zu helfen, denen er begegnet. (Foto: Tryfonov / AdobeStock)

„Der Doktor“ aus „Doctor Who“ reist in seiner Zeitmaschine durch das Universum und versucht allen zu helfen, denen er begegnet. (Foto: Tryfonov / AdobeStock)


Fernsehen ist ungesund! Diesen Grundsatz bekommt man schon als Kind mit auf den Weg. Doch gilt das wirklich für jegliches Fernsehprogramm, und auch an Weihnachten? In einer neuen Studie aus England wurde dazu untersucht, wie Ausstrahlungen der Serie „Doctor Who“ über Weihnachten mit einer verringerten Sterberate zusammenhängen könnten.

Der Editor des British Medical Journal muss sich wohl köstlich amüsiert haben, als ihm diese Studie zur Veröffentlichung vorgelegt wurde. Man könnte auch vermuten, dass er vielleicht selbst ein Fan des „Doktors“ ist. Für alle, die die Serie nicht kennen: „Doctor Who“ ist eine seit nunmehr 60 Jahren von der British Broadcasting Corporation (BBC) produzierte Science-Fiction-Serie. Der Hauptcharakter „der Doktor“ reist darin in einer Zeitmaschine durch Raum und Zeit und erlebt allerlei Abenteuer. Dabei handelt er nach moralischen Grundsätzen, die auch für einen Heilberufler essenziell sind: Er versucht stets zu helfen, mitfühlend zu sein und jeden mit seinen Problemen ernst zu nehmen. Mit Humor, Kreativität und Einfallsreichtum rettet er so regelmäßig Menschen, Aliens, Planeten, Galaxien und auch unsere Erde. Der Charakter wurde von zahlreichen Schauspielern und mittlerweile auch einer Schauspielerin dargestellt. Im dazugehörigen Universum wird das damit begründet, dass sich der Doktor immer wieder regeneriert und damit ein neues Erscheinungsbild bekommt. Die Serie ist in Großbritannien ein kulturelles Phänomen und hat auch international eine große Fangemeinde. Anlässlich der Weihnachtsfeiertage werden hin und wieder spezielle Sonderfolgen produziert, die dann an den Festtagen erstausgestrahlt werden. Diese haben neben den in der Serie üblichen moralischen Fragen auch einen Bezug zum Weihnachtsfest.

Besteht ein kausaler Zusammenhang?

Eher absurd erscheint durch die wenig medizinische Thematik der Serie der vom Studienautor geknüpfte Zusammenhang zu einer verminderten Sterblichkeitsrate. Eine Kausalität wird daher folgendermaßen zu erklären versucht: Zuschauer sehen stellvertretend einen Doktor, der sich um die Menschen kümmert und sind dadurch auch eher geneigt, sich bei eigenen Problemen entsprechende professionelle Hilfe zu suchen. Man kann nur vermuten, ob das letztendlich das überzeugende Argument war, um die Studie im British Medical Journal zu veröffentlichen. Doch wie alle anderen Publikationen hat diese Studie den Peer-Review-Prozess durchlaufen. In diesem auftretende Kritikpunkte wurden vom Studienautor in Revisionen überarbeitet (für Fans der Serie lohnt es sich auch, mal einen Blick in die öffentliche Dokumentation dieses Prozesses zu werfen) und schlussendlich wurden die Ergebnisse veröffentlicht.

Beeindruckende Studienergebnisse

In der Studie wurde verglichen, ob nach der Erstausstrahlung einer neuen Weihnachtsfolge von „Doctor Who“ zwischen dem 24. Dezember und dem 1. Januar die altersstandardisierte Sterblichkeitsrate im darauffolgenden Jahr verringert war. Als Exposition wurde in dieser Fall-Kontroll-Studie also „es gab eine neue Weihnachtsfolge“ mit „es gab keine neue Weihnachtsfolge“ verglichen. In Großbritannien sind die Kapazitäten im Gesundheitswesen im Zeitraum von Weihnachten bis Neujahr heruntergefahren, wodurch Todesfälle häufig erst danach gemeldet werden. Damit werden die Fälle erst in der Statistik des neuen Jahres berücksichtigt, weshalb in der Studie die Exposition immer mit den Raten des Folgejahres betrachtet wurde.

Die Ergebnisse sind sensationell: Wenn eine neue Folge der Serie ausgestrahlt wurde, sind im Schnitt 0,36 weniger Todesfälle pro 1000 Personenjahre in Großbritannien verzeichnet worden. Wenn die Folge am 25. Dezember (dem Hauptfeiertag in Großbritannien) im Fernsehen lief, waren es sogar 0,40 Todesfälle pro 1000 Personenjahre weniger. Am stärksten war der Effekt von 2005 bis 2019, in dieser Zeit erschien jedes Jahr eine neue Folge (0,62 Todesfälle weniger pro 1000 Personenjahre).

Was ein Einzelner bewirken kann...

Natürlich ist die festgestellte Korrelation fragwürdig, da es abseits der untersuchten Exposition „es gab eine neue Weihnachtsfolge von Doctor Who“ zahlreiche plausiblere Einflüsse auf die Sterblichkeitsrate gibt. Aber das soll letztendlich auch gar nicht die Botschaft der Publikation sein. Vielmehr geht es dem Autor darum zu demonstrieren, wie wichtig die Arbeit eines Menschen ist, der sich über die Feiertage mitfühlsam um andere Menschen kümmert und ihnen hilft. Dazu nennt er neben den Ärzten natürlich auch die anderen Professionen im Gesundheitswesen wie Pflegekräfte und Apotheker. Da es aber an Daten zum Einfluss von Heilberuflern in dieser Zeit mangelt, muss stellvertretend „der Doktor“ herhalten.

In diesem Sinne wünsche ich allen ein frohes Weihnachtsfest, insbesondere denen, die über die Feiertage für uns alle arbeiten.

Literatur

Riley R D. Effect of a doctor working during the festive period on population health: natural experiment using 60 years of Doctor Who episodes (the TARDIS study). BMJ 2023; 383 :e077143 doi:10.1136/bmj-2023-077143


Simon Siuts, Apotheker
redaktion@daz.online


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