Compounding Pharmacies in den USA

FDA: Semaglutid ist nicht für die Rezeptur geeignet!

Stuttgart - 26.10.2023, 17:50 Uhr

Semaglutid aus einer Spritze? Keine gute Idee! Auch nicht, wenn sie aus einer Apotheke in den USA stammt. (Symbolfoto: Sklyarov / AdobeStock)

Semaglutid aus einer Spritze? Keine gute Idee! Auch nicht, wenn sie aus einer Apotheke in den USA stammt. (Symbolfoto: Sklyarov / AdobeStock)


Auch deutsche Apotheker:innen kennen das: Werden Arzneimittel – wie zuletzt Fieber- und Antibiotika-Säfte für Kinder – knapp, können die Engpässe mit der Rezepturherstellung überbrückt werden. Allerdings hat beim aktuell überall medial präsenten Ozempic-Engpass wohl noch niemand in Deutschland daran gedacht, Semaglutid in Rezeptur-Arzneimitteln zu verarbeiten. Anders in den USA. Dort warnt die FDA seit einiger Zeit vor Semaglutid aus sogenannten „compunding pharmacies“.

Während bei den aktuellen Fälschungsfällen von Ozempic® in Deutschland, Großbritannien und vor allem Österreich immer wieder betont wird, dass keine Apotheken die gefälschten Pens abgegeben haben sollen, sind in den USA auch die Apotheken angesichts der hohen Ozempic®-Nachfrage in die Kritik geraten. 

Bereits im Mai dieses Jahres berichtete die „New York Times“ darüber, dass online vermeintliche Generika von Ozempic® angeboten würden, bei denen es sich aber (im besten Fall) um Rezeptur-Arzneimittel von sogenannten „compounding pharmacies“ handelt. Neben dem Ozempic®-Hersteller Novo Nordisk hat demnach auch die Firma Eli Lilly mit ihrem Produkt Mounjaro® (Tirzepatid) ähnliche Probleme [1].

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat mittlerweile eine Internetseite speziell zur Information über Arzneimittel eingerichtet, die Semaglutid enthalten und für Typ-2-Diabetes oder zur Gewichtsabnahme vermarktet werden. Dort betont sie, dass es derzeit in den USA nur drei zugelassene Semaglutid-Präparate gibt: Ozempic® zur Injektion und Rybelsus® als Tabletten gegen Typ 2 Diabetes sowie Wegovy® bei Adipositas. „Alle drei Medikamente sind verschreibungspflichtig, und es gibt keine zugelassenen Generika“, schreibt die FDA wörtlich.

Rezeptur-Arzneimittel werden von der FDA nicht geprüft

Ähnlich wie in Deutschland können „compounding pharmacies“ auch in den USA in der Rezeptur Arzneimittel herstellen. So können laut FDA Arzneimittel durch das Kombinieren, Mischen oder Verändern von Inhaltsstoffen auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Patient:innen angepasst werden. Außerdem könne das „Compounding“ helfen, wenn Arzneimittel-Lieferengpässe bestehen. Allerdings betont die FDA, dass solche Arzneimittel nicht durch die Behörde zugelassen sind, diese also nicht deren Sicherheit oder Wirksamkeit prüft.

Tatsächlich sind Ozempic® und Wegovy® auch in den USA seit Mai 2023 als Lieferengpässe gelistet. Ganz grundsätzlich scheint an der Rezeptur-Herstellung durch entsprechende Apotheken also nichts auszusetzen zu sein. Allerdings betont die FDA, dass Patient:innen solche Rezeptur-Arzneimittel wirklich nur anwenden sollten, wenn keine zugelassenen Alternativen zu bekommen sind. Der Behörde seien nach der Anwendung nämlich Nebenwirkungen berichtet worden. 

Semaglutid und Liraglutid zur Gewichtsregulierung

GLP-1-Agonisten: Gastrointestinale Nebenwirkungen im Fokus

Nun können auch bei der Anwendung von zugelassenem Semaglutid einige Nebenwirkungen auftreten. Jedoch sollen manche „compounding pharmacies“ die Salzform von Semaglutid – konkret Semaglutid-Natrium und Semaglutid-Acetat – für ihre Rezepturherstellung verwendet haben. Die zugelassenen Arzneimittel enthalten hingegen die Grundform von Semaglutid, erklärt die FDA [2]. 

Semaglutid wird gentechnisch hergestellt

In der deutschen Fachinformation von Ozempic® heißt es, dass das „Analogon zu humanem Glucagon-like peptide-1 (GLP-1), gentechnisch hergestellt“ wurde „durch rekombinante DNS-Technologie in Saccharomyces cerevisiae Zellen“ [3]. 

Die FDA hat sich bereits am 27. April 2023 schriftlich an die „National Association of Boards of Pharmacy“ gewandt und dort ihre Bedenken hinsichtlich der Verwendung der Salzformen geäußert. Zudem hat die FDA an Internethändler, die solche nicht zugelassenen Präparate anbieten, kürzlich Warn-Briefe verschickt [2]. Bereits im Juni hatte Novo Nordisk bekannt gegeben, gerichtlich gegen manche „compounding pharmacies“ und andere Anbieter vorzugehen [4]. Lilly veröffentlichte im September eine ähnliche Mitteilung zu Tirzepatid (Mounjaro®) [5]. 

Semaglutid wird nicht für die Rezeptur-Herstellung angeboten

Beispielsweise „VLS Pharmacy“ und „New Drug Loft“ ist eine „compounding pharmacy“ und erklärt im Internet deutlich, dass sie keine Rezeptur-Arzneimittel mit Semaglutid herstellt: „Die Substanzen (welche auch immer das sind) in diesen Präparaten werden von einem nicht von der FDA zugelassenen Lieferanten bezogen, möglicherweise von außerhalb der USA. Wenn die Anbieter dieser Semaglutid-Präparate eine Vorschrift umgehen, verstoßen sie möglicherweise auch gegen andere“, gibt die Apotheke auf ihrem Internetauftritt zu bedenken. Denn Novo Nordisk bietet Semaglutid nicht für die Rezeptur-Herstellung an [6]. 

Interessanterweise erklärte diese Rezeptur-Apotheke im August 2022 zudem, dass Semaglutid als Polypeptid ursprünglich gar nicht in Rezeptur-Arzneimitteln in den USA hätte verwendet werden dürfen. Da es aber weniger als 40 Aminosäuren enthält, zähle Semaglutid in den USA mittlerweile nicht mehr zu den Biologika. Zusätzlich sei zu bedenken, dass die Bioverfügbarkeit wahrscheinlich gegenüber dem Original verändert ist und, dass manche Rezeptur-Apotheken ihren Semaglutid-Präparaten auch beispielsweise L-Carnitin zugesetzt hätten [7]. 

Es zeigt sich: Beim Bezug von Semaglutid und Co. bedarf es weltweit weiterhin großer Vorsicht. 

Literatur 

[1] Blum D. Ozempic Is Hard to Find. Some Pharmacies Are Offering Unauthorized Alternatives. The New York Times, erstmals veröffentlicht im Mai 2023, Update vom Oktober 2023, www.nytimes.com/2023/05/16/well/live/ozempic-alternatives-semaglutide.html 

[2] Internetauftritt der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA. Medications Containing Semaglutide Marketed for Type 2 Diabetes or Weight Loss. Stand 11.10.2023, www.fda.gov/drugs/postmarket-drug-safety-information-patients-and-providers/medications-containing-semaglutide-marketed-type-2-diabetes-or-weight-loss 

[3] Fachinformation zu Ozempic® von Novo Nordisk. Stand 03/2023, www.fachinfo.de/ 

[4] Pressemitteilung von Novo Nordisk. Novo Nordisk takes actions to help protect US patients from unlawful sales of non-FDA approved medicines claiming to contain semaglutide. Stand Juni 2023, www.novonordisk-us.com/media/news-archive/news-details.html?id=166121 

[5] Pressemitteilung von Lilly. Lilly Statement on Mounjaro® (tirzepatide) Compounding Litigation. Stand 19. September 2023, investor.lilly.com/news-releases/news-release-details/lilly-statement-mounjaror-tirzepatide-compounding-litigation 

[6] Internetauftritt von „VLS Pharmacy“ und „New Drug Loft“. We Do NOT Compound Semaglutide – Here’s Why. Stand Juni 2023, newdrugloft.com/we-do-not-compound-semaglutide-heres-why/ 

[7] Internetauftritt von „VLS Pharmacy“ und „New Drug Loft“. The Potential Risks Associated with Compounded Semaglutide: What Medical Professionals Should Know. Stand August 2022, newdrugloft.com/the-potential-risks-associated-with-compounded-semaglutide/


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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