Neue Grenzwerte für Nitrat und Nitrit

Nitrosamine in Lebensmitteln

Stuttgart - 10.10.2023, 17:50 Uhr

Bestimmten Fleisch-, Käse- und Fischprodukten darf Natriumnitrat- und Kaliumnitrat-Nitritpökelsalz zugesetzt werden. Doch ist das notwendig und kann das der Gesundheit schaden? (Foto: bartjan / AdobeStock)

Bestimmten Fleisch-, Käse- und Fischprodukten darf Natriumnitrat- und Kaliumnitrat-Nitritpökelsalz zugesetzt werden. Doch ist das notwendig und kann das der Gesundheit schaden? (Foto: bartjan / AdobeStock)


In der EU gelten künftig neue Grenzwerte für Lebensmittelzusatzstoffe aus Nitrat oder Nitrit. So soll die Belastung durch krebserregende Stoffe, wie Nitrosamine gesenkt werden, teilte die EU-Kommission vergangene Woche mit. Was Sie über Nitrosamine in Lebensmitteln wissen sollten, lesen Sie hier. 

Als im Sommer 2018 mit dem Fund von N-Nitrosodimethylamin (NDMA) in Valsartan die Sartan-Krise begann und die Nitrosamin-Krise schließlich ihren Lauf nahm, kam verständlicherweise auch die Frage auf, wie gefährlich die Aufnahme von Nitrosaminen für den Menschen überhaupt ist. Um einen praktischen Bezug herzustellen, wurde oft der Gehalt von Nitrosaminen in Lebensmitteln vergleichend herangezogen. 

Aus einem Dokument des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) von 2011 ging beispielsweise hervor, dass N-Nitrosamine vor allem über die Nahrung aufgenommen werden, insbesondere über Lebensmittel wie gepökeltes oder geräuchertes Fleisch und geräucherten Fisch. Eine weitere bekannte Quelle für die Aufnahme von N-Nitrosaminen ist das (Passiv-)Rauchen [1]. 

In Bezug auf Arzneimittel wurde schließlich im Verlauf der Nitrosamin-Krise deutlich, dass unter anderem das Vorkommen von Nitraten und Nitriten in Hilfsstoffen die Entstehung von Nitrosaminen in Arzneimitteln befördern kann. Zudem ist es noch Gegenstand von Untersuchungen, inwiefern die Bedingungen im Gastrointestinaltrakt die Nitrosierung von Wirkstoffen begünstigen könnten. 

Wegen Nitraten – auf abwechslungsreiche Gemüseauswahl achten

Nun kommen Nitrat und Nitrit aber nicht nur in Arzneimitteln, sondern auch in Lebensmitteln vor. Ein Frage-und-Antwort-Dokument zu diesem Thema hatte das BfR bereits 2013 veröffentlicht. Das Problem dabei wird wie folgt geschildert:


„Salate und Gemüse wie Rucola, Spinat, Kohlrabi, Rote Beete und Rettich können hohe Nitratmengen enthalten. Aus Nitrat kann im Körper oder aber bei unsachgemäßer Lagerung, unsachgemäßem Transport oder Missachtung der gängigen Hygienepraxis bereits im Lebensmittel Nitrit gebildet werden. Zusammen mit körpereigenen oder ebenfalls mit der Nahrung aufgenommenen Aminen oder Amiden können daraus wiederum N-Nitrosoverbindungen entstehen.“

FAQ des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 11. Juni 2013


Da sich die meisten der N-Nitrosoverbindungen im Tierversuch als krebserregend erwiesen haben, „sollte die Nitrat- und Nitritaufnahme über Lebensmittel reduziert werden“, erklärte damals schon das BfR. Allerdings machte das BfR auch deutlich, dass die Vorteile einer gemüsereichen Ernährung die möglichen „Risiken durch leicht erhöhte Nitrat- und Nitritgehalte“ überwiegen. 

Gemüse wie Rucola und andere Blattsalate, Spinat, Kohlrabi, Rote Beete, Radieschen und Rettich speichern laut BfR viel Nitrat. Dabei soll sich Nitrat besonders in den wasserleitenden Segmenten anreichern, sodass die Konzentrationen in Stielen und den äußeren grünen Blättern besonders hoch sind. 

Warum man Spinat nicht aufwärmen soll

„Bakterien, die in oder auf pflanzlichen Lebensmitteln sind, können Nitrat in Nitrit umwandeln. Aus diesem Grund soll auch einmal zubereiteter Spinat nicht aufgewärmt werden, weil darin vorhandene Mikroorganismen in diesem nitratreichen Gemüse zu vermehrter Nitritbildung beitragen.“

Übrigens sollen auch Kinder, die an bakteriellen Magen-Darm-Infektionen leiden, keinen Spinat verzehren, weil durch die bakteriellle Umwandlung von Nitrat in Nitrit das Risiko für eine Methämoglobinämie steigt [2].

Generell ist aufgrund von Nitrat laut BfR auf eine abwechslungsreiche Gemüseauswahl zu achten, zudem sei in Saisongemüse weniger Nitrat enthalten [2].

Warum Nitrosamine in Lebensmitteln ein Gesundheitsrisiko sind 

Im April dieses Jahres hat sich das BfR anlässlich einer neuen Stellungnahme der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) nun erneut zum Thema „Nitrosamine in Lebensmitteln“ geäußert. Demnach kam die EFSA, trotz bestehender wissenschaftlicher Unsicherheiten, insgesamt zu dem Schluss, „dass die ernährungsbedingte Exposition gegenüber Nitrosaminen (P95; hoher Verzehr von Lebensmitteln mit Nitrosaminen) auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Unsicherheiten mit großer Wahrscheinlichkeit für alle Altersgruppen auf ein Gesundheitsrisiko hinweist“. Dabei wurde unter anderem „berücksichtigt, dass die meisten der Nitrosamine im Körper durch Cytochrom P450-Enzymsysteme in erbgutverändernde und krebserzeugende (genotoxisch und kanzerogen wirkende) Verbindungen umgewandelt werden (Bioaktivierung)“, heißt es. 

Fleisch und Fleischprodukte tragen laut EFSA am meisten zur Aufnahme von krebserzeugenden Nitrosaminen bei. Allerdings konnten in diese vergleichende Bewertung beispielsweise Lebensmittelkategorien wie Gemüse, Getreide, Milch und Milchprodukte nicht mit einbezogen werden [3,4].

Neue EU-Nitrit-Grenzwerte für Lebensmittelzusatzstoffe

Jetzt hat die EU-Kommission am 6. Oktober bekannt gegeben, dass auf Basis der EFSA-Bewertung künftig in der EU neue Grenzwerte für Nitrit und Nitrat in Lebensmitteln gelten sollen – zumindest wenn sie als Lebensmittelzusatzstoffe eingesetzt werden [5,6]. 

Laut dem niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit darf bestimmten Fleisch-, Käse- und Fischprodukten grundsätzlich Natriumnitrat- und Kaliumnitrat-Nitritpökelsalz zugesetzt werden (Verordnung (EG) Nr. 1333/2008) [7]. Allgemein sollen die neuen Vorschriften laut Deutscher Presse-Agentur die Höchstwerte für Nitrite nun um etwa 20 Prozent senken.

Kann man auf Pökelsalz verzichten?

Dazu erklärt das BfR: „Nitrit-Pökelsalz wurde früher hauptsächlich zugesetzt, um in erster Linie das Wachstum des Bakteriums Clostridium botulinum zu hemmen. Der Hauptgrund heute ist vielmehr, dass es zu einer Rotfärbung des Produktes kommt und dem Produkt ein bestimmtes Aroma („Pökel-Aroma“) verleiht.“ [2]

Die Lebensmittelindustrie hat jetzt zwei Jahre Zeit, ihre Produkte den neuen Grenzwerten anzupassen [6]. All diese Änderungen erfolgen zwar unabhängig von der Entwicklung der Nitrosamin-Krise im Arzneimittelbereich, zeigen aber auch, dass das Thema Nitrosamine bislang nicht an Aktualität und Relevanz verliert. 

Literatur 

[1] Stellungnahme Nr. 005/2012 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 17. Januar 2011. Spielzeug aus Natur- und Synthesekautschuk für Kinder unter drei Jahren: Freisetzung von N-Nitrosaminen sollte so gering wie möglich sein. www.bfr.bund.de/cm/343/spielzeug-aus-natur-und-synthesekautschuk-fuer-kinder-unter-drei-jahren-freisetzung-von-n-nitrosaminen-sollte-so-gering-wie-moeglich-sein.pdf 

[2] FAQ des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 11. Juni 2013. Fragen und Antworten zu Nitrat und Nitrit in Lebensmitteln. www.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten-zu-nitrat-und-nitrit-in-lebensmitteln.pdf 

[3] Aktualisierte Mitteilung Nr. 016/2023 vom 11. April 2023 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Nitrosamine in Lebensmitteln: EFSA veröffentlicht neue Stellungnahme zu gesundheitlichen Risiken. mobil.bfr.bund.de/cm/343/nitrosamine-in-lebensmitteln-efsa-veroeffentlicht-neue-stellungnahme-zu-gesundheitlichen-risiken.pdf 

[4] Pressemitteilung der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) vom 28. März 2023. Nitrosamine in Lebensmitteln geben Anlass zu gesundheitlichen Bedenken. www.efsa.europa.eu/de/news/nitrosamines-food-raise-health-concern 

[5] Daily News 06/10/2023 der EU-Kommission. Commission sets new reduced limits for nitrites and nitrates as food additives. ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/MEX_23_4799 

[6] Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 6. Oktober 2023. Kampf gegen Krebs: strengere Grenzwerte für Nitrite und Nitrate als Lebensmittelzusatzstoffe. germany.representation.ec.europa.eu/news/kampf-gegen-krebs-strengere-grenzwerte-fur-nitrite-und-nitrate-als-lebensmittelzusatzstoffe-2023-10-06_de 

[7] Internetauftritt des niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Nitrat in Lebensmitteln. Abruf am 10.10.2023.  www.laves.niedersachsen.de/startseite/lebensmittel/ruckstande_verunreingungen/nitrat-in-lebensmitteln-147641.html#:~:text=und%20teilweise%20gespeichert.-,Wo%20kommt%20Nitrat%20vor%3F,1333%2F2008%20zugesetzt%20werden.  


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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