Orale Kontrazeption

FDA entlässt Gestagenpräparat aus der Verschreibungspflicht

Berlin - 14.07.2023, 12:15 Uhr

In den USA soll bald erstmals ein orales Kontrazeptivum ohne Rezept erhältlich sein. (Bild: IMAGO / Shotshop)

In den USA soll bald erstmals ein orales Kontrazeptivum ohne Rezept erhältlich sein. (Bild: IMAGO / Shotshop)


Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA entlässt jetzt erstmals ein reines Gestagenpräparat zur oralen Kontrazeption aus der Verschreibungspflicht. Schon bald könnte es Frauen möglich sein, das Präparat mit dem Handelsnamen Opill in den USA auch ohne Rezept in Drogerien, Supermärkten und im Versandhandel zu kaufen.

In den USA sollen Frauen schon bald Zugang zu hormoneller Verhütung haben, ohne dass sie dafür ein Rezept benötigen. Wie die US-amerikanische Arzneimittelbehörde auf ihrer Website informiert, hat sie jetzt grünes Licht gegeben für die rezeptfreie Abgabe eines reinen, niedrig dosierten Gestagenpräparats. Konkret handelt es sich um das orale Kontrazeptivum Opill mit dem Wirkstoff Norgestrel in der 75-µg-Dosierung. Es darf nach Angaben der FDA künftig auch in Drogerien, Supermärkten und im Versandhandel verkauft werden. Wann Opill zu welchem Preis verfügbar sein wird, ist demnach dem Hersteller HRA Pharma überlassen.

FDA: Switch könnte ungewollte Schwangerschaften verhindern

Die FDA betont, dass damit künftig ein barrierefreier Zugang zur oralen Kontrazeption möglich ist, ohne vorab einen Heilberufler aufsuchen zu müssen. „Fast die Hälfte der 6,1 Millionen Schwangerschaften in den USA jedes Jahr sind ungewollt“, schreibt die Behörde. Ungewollte Schwangerschaften werden den Angaben zufolge mit negativen mütterlichen und perinatalen Folgen in Verbindung gebracht. „Die Verfügbarkeit von rezeptfreiem Opill kann dazu beitragen, die Zahl ungewollter Schwangerschaften und deren mögliche negative Auswirkungen zu verringern.“

Norgestrel ist bereits seit dem Jahr 1973 in den USA zur oralen Kontrazeption zugelassen, unterstreicht die FDA. HRA Pharma habe für Opill lediglich die Entlassung aus der Rezeptpflicht beantragt. Für den Switch verlange die Behörde vom Hersteller einen Nachweis, dass Verbraucher:innen das Produkt auch ohne die Unterstützung durch medizinisches Fachpersonal effektiv und sicher anwenden können. „Studien haben gezeigt, dass ein großer Anteil der Verbraucher die Anweisungen auf dem Opill-Etikett verstanden hat“, heißt es in der Mitteilung. Bei korrekter Anwendung sei das Präparat wirksam und sicher.

Einnahmezeitpunkt von besonderer Bedeutung

Wichtig ist, dass das Mittel jeden Tag zur gleichen Zeit eingenommen wird. Bei Anwendung eines niedrig dosierten reinen Gestagenpräparats zur oralen Verhütung wie Opill, im Volksmund auch Minipille genannt, verdickt sich der Zervixschleim und bildet so eine meist sichere Barriere gegen Spermien. Außerdem verändert sich unter dem Einfluss des Gestagens die Gebärmutterschleimhaut so, dass auch ein befruchtetes Ei sich nicht einnisten kann. Allerdings kommt es im Gegensatz zu estrogenhaltigen Präparaten lediglich bei etwa 50 Prozent der Zyklen auch zu einer Ovulationshemmung. Um sicher zu verhüten, müssen Minipillen immer zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt eingenommen werden, während bei Kombinationspräparaten immerhin zwölf Stunden Spielraum besteht, um eine vergessene Einnahme nachzuholen (siehe DAZ 1999, Nr. 47, S. 48).

Was deutsche Apotheker:innen über einen möglichen OTC-Switch denken

Ob der OTC-Switch für solche Präparate auch in Deutschland eine Option sein könnte, untersuchte kürzlich das Beratungsunternehmen May+Bauer im Auftrag von HRA Pharma. Dazu befragte es 100 Apothekerinnen und Apotheker, wie sie die Zugangsmöglichkeiten zu oralen Kontrazeptiva hierzulande einschätzen und ob sie bereit wären, ein rezeptfreies Gestagenpräparat abzugeben.

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Den Ergebnissen zufolge schätzten 59% der Teilnehmenden die Verschreibungspflicht als Haupthindernis beim Zugang zu oralen Verhütungsmitteln ein. 87% der Befragten fühlen sich sicher dabei, zu den verschiedenen Arten von Verhütungsmitteln zu beraten. Die Möglichkeit, ein rezeptfreies Kontrazeptivum nach entsprechender Schulung zu empfehlen, empfanden 82% als wichtig.

Probleme befürchten die Pharmazeutinnen und Pharma­zeuten unter anderem dabei, dass Frauen ihre Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt nicht mehr wahrnehmen würden (48%). 76% äußerten Bedenken in Bezug auf Missbrauch. Auf die Frage, welche Gefühle sie mit einem rezeptfreien Zugang zu einem Gestagenpräparat zur oralen Kontrazeption verknüpften, wählten 67% der Befragten eine positive Emotion. Einen Vorteil erkannten die Teilnehmenden unter anderem darin, dass ein rezeptfreies Präparat vielleicht die Abgabe von weniger Notfallverhütungsmitteln zur Folge hätte.


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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