Phase-I-Studie

Forschung an einem neuen Antidot bei Vergiftungen mit radioaktiven Materialien

Stuttgart - 19.05.2023, 10:45 Uhr

Bei Unfällen beim Umgang mit radioaktiven Materialien kann es zu Vergiftungen kommen. (Foto: AdobeStock / ChristianS.).

Bei Unfällen beim Umgang mit radioaktiven Materialien kann es zu Vergiftungen kommen. (Foto: AdobeStock / ChristianS.).


In den USA hat kürzlich die Phase-I-Studie für einen besonderen Wirkstoffkandidaten begonnen: HOPO 14-1 wird hinsichtlich seiner Eignung als orales Antidot bei Vergiftungen mit radioaktivem Material untersucht. Dieser soll radioaktives Uran, Plutonium und Americium chelatieren und dadurch deren Ausscheidung aus dem Körper beschleunigen.

Zugegeben, Vergiftungen mit radioaktiven Substanzen sind nicht gerade ein übliches Problem aus dem Apothekenalltag. Dennoch hat zuletzt der Krieg in der Ukraine gezeigt, dass in Krisensituationen das Interesse an Arzneimitteln wächst, die im Fall von atomaren Vorfällen eingesetzt werden können. Das bekannteste Beispiel dürfte Kaliumiodid sein. Im Ernstfall einer Belastung mit radioaktivem Iod richtig angewandt, kann es das Risiko für Schilddrüsenkarzinome verringern. Und auch gegen andere Radionuklide gibt es Antidote. 

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Bei Vergiftungen mit radioaktivem Americium, Plutonium, Curium, Californium oder Berkelium sind beispielsweise zwei verschiedene Salze der Pentetsäure zugelassen (Calcium-trinatrium-pentetat, auch Ca-DTPA und Zink-trinatrium-pentetat, auch Zn-DTPA). Diese chelatieren die Radionuklide und erhöhen damit ihre renale Elimination. Dadurch wird die Strahlenbelastung der betroffenen Person gesenkt. Allerdings müssen beide Salze über einen Zeitraum von Wochen bis Monaten regelmäßig infundiert werden, was ihre Anwendung kompliziert macht. Zudem chelatieren sie nebst den Actinoiden auch andere Spurenelemente – gerade unter Calcium-trinatrium-pentetat kann es zu klinisch-manifestem Zinkmangel kommen. Es gäbe also durchaus noch Optimierungspotenzial in Sachen Antidote.

HOPO 14-1 soll effektiver und selektiver sein

Für einen optimierten Wirkstoffkandidaten ist nun in den USA eine vom Nationalen Institut für Allergie und Infektionskrankheiten finanzierte Phase-I-Studie gestartet worden. Bei HOPO 14-1 handelt es sich um den Wirkstoff 3,4,3-LI(1,2-HOPO) (ein Hydroxypyridinon-Derivat, siehe Abbildung), der mit Nariumoleat als Kapsel zur oralen Anwendung formuliert ist. HOPO 14-1 soll nebst Plutonium, Americium und Curium auch Uran und Neptunium chelatieren können und dabei laut Firmenangaben eine höhere Effektivität und Selektivität als DTPA aufweisen. Letztere würde einen geringeren ungewollten Verlust von Spurenelementen wie Zink unter der Therapie bedeuten.

Abbildung: SarahRichards (CC BY-SA 4.0)

Bis hin zu einer möglichen Anwendung steht den Forscher:innen aber noch ein gutes Stück Arbeit bevor. In der aktuellen Phase-I-Studie werden zunächst an 42 gesunden Proband:innen Sicherheit und pharmakokinetische Parameter bestimmt. Hierfür erhalten die Teilnehmenden in sechs Gruppen zwischen 100 und 7.500 mg der Testsubstanz. Die Ergebnisse werden für das Jahr 2024 erwartet.


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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