Kunstprojekt DRAW – PharmART

Kunst und Protest – ein Arzt macht Kunst aus übrig gebliebenen Arzneimitteln

Krefeld - 27.03.2023, 10:46 Uhr

Ausschnitt aus „PHARMA-CITY“ (120 x 80 cm) (Blister, Miniaturen). (Quelle: awi-design.de/awi-kunst | © DRAW 2022)

Ausschnitt aus „PHARMA-CITY“ (120 x 80 cm) (Blister, Miniaturen). (Quelle: awi-design.de/awi-kunst | © DRAW 2022)


Der Krefelder Kardiologe Dr. Dorian Recker und der Fotograf Andreas Willems sind zusammen das Kunstprojekt DRAW. Gemeinsam machen sie Kunst aus Pharmamüll – von Patienten zurückgegebenen Arzneimitteln – und plädieren damit für mehr Nachhaltigkeit und Wertschätzung für das wertvolle Gut der Pharmazie. Einen Teil des Erlöses der verkauften Kunstwerke spenden die Künstler an nachhaltige Projekte wie die Action Medeor.

Surfer stehen auf ihren Brettern und reiten hellblaue Wellen – bei genauerem Hinsehen entpuppen sich die „Wellen“ allerdings als die Falten von gebrauchten medizinischen Masken aus Papier, kunstvoll drapiert ebenso wie die Surfer-Miniaturen darauf. „Corona Beach“ heißt das Kunstwerk, entstanden im Jahr 2020 inmitten der COVID-19-Pandemie und das Erste, das der Kardiologe Dr. Dorian Recker aus dem nordrhein-westfälischen Krefeld aus „Pharmamüll“ kreierte.

Zusammen mit dem Diplom-Designer und Fotografen Andreas Willems bildet er das Kunstprojekt DRAW, bei dem die Buchstaben für ihre Initialen stehen und natürlich für das englische Wort für Zeichnen. Willems, langjähriger Patient bei Recker, setzt die Kunstwerke fotografisch in Szene, die der Kardiologe unter anderem aus alten OP-Masken, Tablettenblistern, Arzneimitteln und deren Pappschachteln aufbaut, ergänzt mit Miniaturen und Material aus dem Baumarkt. „Die Arzneimittel sind von Patienten zurückgegebene, die eigentlich noch verwendet werden könnten und entsorgt werden müssen“, sagt Recker. Quelle dieses Pharmamülls, der nach seiner künstlerischen Verwendung wieder den regulären Weg der Entsorgung geht, ist Reckers Ehefrau, die als Apothekerin säckeweise alte Medikamente von Patienten entgegennimmt.

Andreas Willems (li.) und Dr. Dorian Recker sind DRAW. (Quelle: awi-design.de/awi-kunst | © DRAW 2022)

„Wir wollen mit den Kunstwerken darauf aufmerksam machen, dass Pharmazie ein wertvolles Gut ist“, sagt der Mediziner. Mangelnde Therapietreue, zu große Packungsgrößen und wechselnde Rabattverträge seien etwa Gründe für die immensen Mengen an Pharmamüll, die alljährlich anfallen. „Der jährliche Arzneimittelverbrauch liegt bei über 30.000 Tonnen, der Anteil an weggeworfenen Arzneimitteln wird auf über fünf Milliarden Euro geschätzt“, erklärt Recker. Die Ursachen für diesen wertvollen Pharmamüll seien vielfältig. „Pharmaindustrie und Krankenkassen sind an Verordnung von Großpackungen interessiert, meist bestehen nur wenige Euro Preisunterschied zwischen einer 50er- und einer 100er-Packung. Bei Unverträglichkeit oder beendeter Therapie fallen somit große Mengen an unbenutzten Tabletten an“, sagt Recker.

Erste Idee kam angesichts der Mundschutz-Müllberge während der Pandemie

Die erste Idee sei ihm während der COVID-19-Pandemie gekommen, im Angesicht der Müllmengen aus Mundschutzen, die plötzlich überall anfielen. Zuvor hatte der kunstsinnige Arzt, dessen Vater freischaffender Künstler war, unter anderem gemalt. Regelmäßig veranstaltet er auch in seiner Gemeinschaftspraxis in Krefeld Vernissagen verschiedener Künstler.

Man wolle mit den Bildern aus Pharmamüll keinesfalls mit erhobenem Zeigefinger argumentieren, sagt der Arzt und Künstler. „Aber es wäre wichtig, wenn es mehr Nachhaltigkeit – nicht nur in der Pharmazie – gebe“, sagt er. Patienten würden den Wert von wirksamen Arzneimitteln oft gar nicht wirklich kennen. „Und den Protagonisten von Pharmafirmen, Krankenkassen und Verbänden muss man die anfallenden Müllmengen einfach mal vor Augen halten“, sagt der Arzt.

MEDICAL-MYSTERY-PARK 2 (Tabletten, Knöpfe, Nägel, Miniaturen) (Quelle: awi-design.de/awi-kunst | © DRAW 2022) 

Dabei sind die Kunstwerke, die der Fotokünstler Willems immer limitiert auf 50 Exemplare großformatig in der Regel auf Acrylglas bannt, auch auf eine faszinierende Art schön. Bearbeitet mit Bildbearbeitungsprogrammen, erscheinen etwa fremd anmutende beklemmende Häuserschluchten wie im Werk „Pharma-City“, die aus Tablettenblistern bestehen; bunte fremd wirkende Blumen aus Tabletten, Pillen, Nägeln und Knöpfen wachsen im „Medical-Mystery-Park“ oder Caspar David Friedrichs Wanderer steht nun statt über dem Nebelmeer über dem Blistermeer („Wanderer über dem Blistermeer“). Mit dem beklemmenden „Friedhof“ bei denen Blister und Fliesenkreuze an die endlosen Gräberreihen von Soldatenfriedhöfen erinnern sollen, so der Künstler, gibt es auch einen weiteren aktuellen Bezug zum kriegerischen Geschehen in der Welt.

„Würde gerne bei Pharmafirmen oder Krankenkassen ausstellen”

Die Bilder sollen nicht die letzten bleiben, Recker hat noch viele weitere Ideen für Kunstwerke aus Pharmamüll. Unter dem Titel „PharmArt“ stellen DRAW ihre Kunstwerke auch aus – aktuell etwa im Krefelder Mercure Hotel, weitere Ausstellungen sind geplant. „Ich würde die Bilder ja auch zu gerne mal etwa bei Pharmafirmen, Krankenkassen oder Kassenärztlichen Verbänden ausstellen – und dann Verantwortliche mal miteinander in den Dialog bringen“, sagt der Mediziner. Bislang habe es da aber noch keine Anfragen gegeben – und auch auf seine Einladung zu den Vernissagen sei leider noch kein Vertreter der Unternehmen und Organisationen erschienen, sagt er.

Industrieübergreifende Ansätze benötigt

Inhalator- und Pen-Recycling

So funktioniert die „Notapotheke der Welt“

Weshalb private Arzneimittelspenden kontraproduktiv sind

Um selber einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten, verkauft das Künstlerduo die Bilder zu marktüblichen Kunstpreisen und spendet einen Teil der Erlöse an Organisationen, die selbst das Thema Nachhaltigkeit voranbringen. So ging zuletzt ein Teil des Verkaufserlöses an die Krefelder Tafel. Auch die im benachbarten Tönisvorst ansässige Organisation Action Medeor, die sich als Medikamenten-Hilfswerk für die Versorgung von Menschen in Notlagen wie etwa im Ukraine-Krieg einsetzt, gehört zu den Empfängern. Aber auch etwa Foodsharing-Plattformen. Denn mit dem Pharmamüll und der dort mangelnden Nachhaltigkeit sei es das Gleiche in unseren westlichen Zivilisationen wie mit Lebensmittelverschwendung oder dem wachsenden Müllberg aus der Bekleidungsindustrie. „Ich bleibe bei meiner Kunst, aber bei dem Pharma-Fokus“, sagt Recker. Die Botschaft aber gehe natürlich darüber hinaus.

MEGAPILL ONCE A DAY (Pille, Miniaturen) (Quelle: awi-design.de/awi-kunst | © DRAW 2022) 

Wer Interesse an den Bildern hat oder die Möglichkeit für eine Ausstellung bieten möchte, kann DRAW über die Homepage von Andreas Willems, www.awi-design.de kontaktieren. Dort gibt es auch weitere Bilder zu sehen sowie Informationen über künftige Ausstellungen.


Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.